Die Tour „Gute Gefühle“ von Dr. Leon Windscheid fand am gestrigen Abend mit einem Heimspiel ihren krönenden Abschluss.
Die Show des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers verspricht einen Einblick in die menschliche Psyche, in ihre Gefühle, deren Entstehung und Funktion. Und die 3500 Gäste in der Halle Münsterland zeigen sich ebenso wissbegierig wie begeistert. Windscheid wird mit lautem Applaus und „Wohoo“-Schreien begrüßt. Ein Empfang, welcher eher an einen Rockstar als einen Psychologen erinnert.
„Ihr eskaliert hier völlig!“ freut sich Windscheid, der seit 2009 in Münster wohnt und zu dem heutigen Auftritt bequem habe herradeln können. „Was erwartet Euch heute? Wir werden hoffentlich lachen. Auch nachdenken. Und vor allem immer wieder fühlen. Es wird eine Achterbahn – wie im wahren Leben. Genießt die Fahrt!“
Der gesamte Inhalt basiere auf Evidenz, betont der Psychologe und fügt schwärmend hinzu: „Wissenschaftlich gut gemachte Paper haben für mich etwas Ästhetisches.“ Klingt nach einer trockenen Vorlesung? Weit gefehlt! Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in gut verständlichen Häppchen serviert, mit alltagsnahen Beispielen und vor allen Dingen jeder Menge Humor.
Wir kreieren unser Fühlen selber
Der Mensch sei eine hypersoziale Spezies, heißt: Andere haben massiven Einfluss auf unsere Gefühle. Windscheid erklärt, dass wir alle kulturellen Vorgaben unterliegen, wie wir zu fühlen haben. So sei es unter anderem mit dem Männlichkeitsbild. „Wann habt Ihr Euren Vater zuletzt weinen sehen?“ fragt Windscheid ernst und stellt klar: „Weinen ist weder weiblich noch männlich, sondern menschlich.“ Kritisch sehe er auch den zunehmenden Druck in Puncto Schönheitsideal: „Wenn man sich in seinem Körper nicht wohl fühlt, kommt das nicht aus UNS, sondern von der Gesellschaft.“
Bei der Einblick in die menschliche Gefühlswelt darf der psychotherapeutische „Klassiker“ natürlich nicht fehlen: Unsere Eltern. Diese bringen uns schließlich fühlen bei. Dennoch sei die Aussage „So bin ich eben“ in Windscheids Augen absolut inakzeptabel.
Obschon unser Umfeld und unsere Eltern unsere Gefühle beeinflussen und prägen, seien wir diesem „fertigen Produkt“ keineswegs hilflos ausgesetzt: „Wir verändern uns ein Leben lang.“ Untermalt wird dieser Appell an die Selbstwirksamkeit von einer bewegenden Erzählung, die dem ein oder anderen bekannt sein dürfte. Es ist die Geschichte von Margot Friedländer, einer Holocaust-Überlebenden, deren Mutter ihr folgende letzte Worte mit auf den Weg gab: „Versuch, Dein Leben zu machen.“ Diese Botschaft habe ihr geholfen, alles Schreckliche durchzustehen. Windscheid habe sie im Alter von 99 Jahren persönlich in Berlin treffen dürfen.
Mach Dein eigenes Ding!
Windscheid hatte Achterbahn versprochen – und das Publikum bekommt Achterbahn. Nach jener schwermütigen Inspiration nimmt der Gastgeber sein Publikum kurzerhand mit in ein komplett anderes Setting. „Kennt Ihr Black Cycling?“ Dabei handle es sich um einen Spinning-Kurs, bei dem die Kursteilnehmer auf Standrädern zum Takt von Techno-Musik fahren. Windscheid habe versucht, den Anweisungen des Trainers zu folgen, doch schließlich beim Einsatz von unter dem Sattel befestigten Hanteln aufgegeben. Er sei trotz aller Bemühungen einfach nicht mit den anderen mitgekommen.
Statt seinem Frust nachzugeben und aufzuhören, habe er seine eigene Choreographie gemacht. Wie das ungefähr ausgesehen haben könnte, demonstriert Windscheid gleich mal live zu dem Aerobic-Song „Call On Me“ – inklusive Moonwalk.
Einmal Disney, bitte!
Was kann an positiven Gefühlen eigentlich schlecht sein? Wie bei vielen anderen Themenpunkten wird das Publikum die Antwort auch hier am eigenen Leib zu spüren bekommen. Zu dem „König der Löwen“-Hit „Can You Feel The Love Tonight?“ bittet er das Publikum um ihre Handylampen. Der gesamte Saal leuchtet zu dem Disney-Song, als – Überraschung – ein junger Mann seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen scheint. Alle sind gerührt, einige filmen… und dann – wieder Überraschung – löst Windscheid die Inszenierung auf. Alles erfunden. Aber warum?
„Die Gefahr bei positiven Gefühlen, insbesondere der Liebe, ist, dass wir es immer zu groß wollen. Und mit dieser oftmals viel zu hohen Erwartung ersticken wir das Positive im Keim.“
Das Gute im Schlechten
Negative Gefühle gehören zum Leben dazu, doch werden sie von uns behandelt wie Motten, so Windscheid. „Sie sind hässlich und ungewollt. Man möchte lieber Schmetterlinge.“ Um dem Publikum zu beweisen, dass auch negative Gefühle etwas Positives haben, zeigt er ein Video, in dem eine Motte in Nahaufnahme und Slow Motion zu sehen ist. Und siehe da: Diese Tierchen sind gar nicht so schrecklich – beinahe sogar schön.
Windscheid fordert das Publikum auf, öfter den „Motten-Modus“ anzuschalten und das Gute hinter Gefühlen wie Neid, Wut oder Scham zu erkennen. Neid beispielsweise hat einen nützlichen Effekt. „Wenn Du im Leben mal die Orientierung verlierst, sei dankbar, wenn Du Neid empfindest. Mit diesem Gefühl lässt Du die Hosen vor Dir selbst `runter, Du bist ehrlich zu Dir selbst, was Du Dir wünschst und welchen Weg Du anstrebst.“
„Am Ende sind alle Gefühle gute Gefühle“, fasst Windscheid zusammen und überlässt Margot Friedländer den letzten Satz des Abends:
„Und ich denke, dass in jedem Menschen etwas Gutes ist.“
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