Es war weit mehr als ein Konzertabend, mit dem sich seine Freunde und Wegbegleiter am Dienstag im Jovel Club an den Allroundkünstler Axel Schulß erinnerten. Sie rezitierten seine Texte, sangen seine Lieder oder zeigten seine Bilder und erinnerten sich an das eine oder andere Erlebnis mit diesem kauzigen Münsteraner, der vor zehn Jahren starb. An der Krankheit, die ihn viele Jahre zeichnete und – wie er selbst einmal mit bissiger Ironie feststellte – genauso abgekürzt wird, wie seine Heimatstadt: MS. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) präsentierte sich daher logischerweise auch mit einem Stand.
Als es losgehen sollte mit der Hommage an das „Phantom von Münster“, hakte die Technik und der Beamer hing schief. Ein allzu perfekter Ablauf hätte auch gar nicht so richtig zu dem künstlerischen Querkopf Axel Schulß gepasst. Gemeinsam überbrückten Steffi Stephan als Gastgeber und Marius Münster als Initiator dieses „bunten Abends“ die Zeit mit Anekdoten aus dem Leben ihres Freundes. Davon gibt es so viele, dass ihnen immer noch welche einfielen, als die Technik längst lief. Die nun gezeigten „Digitalradierungen“ entpuppten sich als Collagen, die Axel Schulß am Rechner erstellt hat, als er schon lange nicht mehr an der Staffelei stehen konnte. Sie waren Teil eines damals schon längst gescheiterten Projekts, der deutschen Fortsetzung des Andrew Lloyd Webber-Musicals „Das Phantom der Oper“, und sie gaben diesem Abend den passenden Namen.
Der zentrale Höhepunkt war dabei das Konzert der „Gebrüder Engel All Star Band“, die in dieser Zusammenstellung bisher nicht auf der Bühne stand. Aber alle haben im Laufe der Jahre mal mit Axel Schulß in einer Band gespielt, und die erfolgreichste davon waren eben die „Gebrüder Engel“, für die er viele Texte schrieb. Einige davon waren nun im Jovel Club zu hören: „Sei kein Poet“, „Talentiert“ und „Rauchend im Bett“ zum Beispiel, die inhaltlich alle so nahe an seinem damaligen Leben liegen, dass man sie für autobiographisch halten könnte. Besonders beim Bandleader und Sänger Thomas Paßmann-Engel mochte man kaum glauben, dass es mit der ursprünglichen Band schon 1976 losgegangen ist. Seine Stimme klang eigentlich noch genauso wie in den Zeiten der LPs „Skandal“, „Magengesicht“ und „Kopfsalat“, von denen die gespielten Lieder stammen, also um 1980 herum. Natürlich durften auch die bekannten politischen Lieder wie „Die Rede“ und „Sie fangen wieder an“ nicht fehlen, für die Steffi Stephan am Bass hinzukam. Im zweiten Teil, als Zugabe getarnt, kamen dann einige Lieder dran, die Axel Schulß in den 80er und 90er Jahren solo oder mit seiner eigenen Band veröffentlicht hatte, wie „Gegenander“ oder der herrlich beknackte Blues-Rocker „Ich bin ein Nacktnasenwombat“. Bei „Renate“ sang das Publikum schließlich lauthals den Refrain mit, genauso wie zuvor schon die Nullaussagen eines Politikers im Lied „Die Rede“ („Deutschland ist demokratisch / Wasser, das ist nass / Quadrate sind quadratisch / Nichts ist zumindest das“).
Spätestens beim „Feierabendlied“ oder „Morgen fangen wir von vorne an“ stellte mancher seufzend fest, dass ein so gewitzter Texter, wie Axel Schulß es war, in der heutigen Musiklandschaft fehlt. Dass sie auch als Gedichte funktionieren, hatte vorher schon Burkhard Spinnen bewiesen. Der Autor rezitierte drei Liedertexte in kraftvoller Manier, da rieben sich einige verwundert die Augen, was aus Liedern wie „Mippwochs um 10“ noch alles herauszuholen ist. Seine Frau Bernadette Spinnen übernahm, wie schon auf der CD „Zeitlos Klasse Platte“, ihre damalige Rolle als Kulturamtsleiterin, die mit einigem ihr in den Mund gelegtem Bla Bla eine „Vernissage“ eröffnet – nur dass sie jetzt auch den ganzen darauf folgenden, bissigen Liedtext vortrug. Der Karikaturist und Tortenblogger Lo Graf von Blickensdorf las einen persönlichen Brief an Axel vor, in dem er sich daran erinnerte, dass sie irgendwann im Verlauf der Jahre die Rollen getauscht haben. Hatte Schulß ihn Anfang der 80er Jahre noch für die markanten Gestaltungen der Plattencover für die Gebrüder Engel bewundert, bewunderte Blickensdorf ihn später wiederum für seine farbenfrohen Bilder, die Axel Schulß selbst nur „Munkenmalerei“ nannte.
So erinnerten sich viele an diesem Dienstagabend im Jovel Club an einen vielseitigen, manchmal etwas kauzigen Menschen. Und die wenigen, die ihn nie kennengelernt haben, bekamen immerhin ein gutes Bild von ihm. Dazu trugen nicht nur die vielen Geschichtchen bei, die scheinbar jeder zu erzählen hatte, sondern auch die zahlreichen Bilder und Zeitungsausschnitte, die Otto Rasche zusammengestellt und auf der Leinwand präsentiert hat.
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