Am Abend versammelten sich erneut insgesamt über 1000 Montagsspaziergänger in der Stadt und demonstrierten gegen die Impfpflicht. Ein Demonstrationszug mit 700 Teilnehmern, so ein Polizeisprecher, setzte sich am Domplatz in Bewegung, ein zweiter mit etwa 350 startete am Aasee. Das „Keinen Meter den Nazis“ Bündnis hatte auf dem Prinzipalmarkt zum Gegenprotest aufgerufen.
„Die Inzidenzen steigen und unser Gesundheitssystem droht erneut, an die absolute Belastungsgrenze zu stoßen. Ausgerechnet in dieser Situation zieht jeden Montag eine kleine, aber laute Minderheit von Coronaleugnern durch unsere Straßen“, erklärte Carsten Peters, Sprecher des Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ und bezeichnete das Verhalten der Impfskeptiker als egoistisch und unsolidarisch. Hierdurch werde das unter großem Druck stehende Gesundheitssystem weiter belastet. Weiter forderte Peters sie auf, sich „endlich bei den richtigen Quellen“ zu informieren und sich impfen zu lassen.
Lügen und Fake-News
„Wir verkennen nicht, dass die Motivlagen der Coronaleugner unterschiedlich und heterogen sind“, so der Sprecher des „Keinen Meter“-Bündnis weiter. „Gleichwohl sollten alle Beteiligten wissen, dass die Organisatoren die Gefahren des Coronavirus leugnen und bewusst Falschinformationen und Lügen verbreiten. In ihren Chatgruppen teilen sie demokratiefeindliche Inhalte, AfD-Posts und ähnliches mehr. Auch antisemitische Äußerungen werden immer wieder getätigt.“
Diesem Eindruck versuchten einige Teilnehmende der beiden „Montagsspaziergänge“ entgegenzuwirken. Zwischen ihnen zeigten jedenfalls so einige auf kleinen Schildchen, dass sie etwas gegen Nazis hätten. Oder skandierten es sogar über ein Megaphon. Was für Menschen da wirklich mitmarschieren – Entschuldigung: spazieren – ist ohne Kenntnis der einzelnen Personen nicht zu erkennen. Deshalb ist, nicht nur in den Kommentaren bei den Sozialen Medien, immer wieder zu lesen, es seien doch alles normale Leute. Aber woran kann man demokratiefeindliche Meschen erkennen? Es tragen schließlich alle ganz normale, winterliche Alltagskleidung.
Marschieren mit Maskenpflicht
Was allerdings nicht alle trugen, waren Masken. Die neueste, seit dieser Woche gültige Coronaschutzverordnung des Landes verpflichtet Teilnehmer von Demonstrationen zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske, wenn „alle Personen unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis Zugang zu der Veranstaltung oder Versammlung“ haben. Testergebnisse oder gar Impfnachweise kontrollieren – das passt nun wirklich nicht zum Konzept dieser „Montagsspaziergänge“, dann schon lieber Masken tragen.
Bei der Versammlung auf dem Domplatz, für die die Polizei Münster eine Teilnehmerzahl von 700 schätzt, klappte es noch so leidlich. Aber beim anschließenden „Spaziergang“ durch Aegidiistraße über Stadtgraben und Schlossplatz zurück zum Domplatz mussten die wenigen anwesenden Mitarbeiter des Ordnungsamtes immer wieder auf die Maskenpflicht hinweisen. Etwa zehn Demonstranten, die partout keine Maske tragen wollten, wurden von der Polizei von der Teilnahme ausgeschlossen. Eine zweite Gruppe war mit 350 Teilnehmern am Aasee gestartet und von dort aus in die Innenstadt gezogen.
Was uns als Beobachtern am Rande sonst noch auffiel? Die Montagsspaziergänger beschwören ihre Freiheit – also die Freiheit, ungeimpft zu bleiben – gerne mit einschlägiger Musik. Die größere Gruppe vom Domplatz führte dafür sogar an beiden Enden passende Geräte zur Beschallung mit, um „I Want to Break Free“ von Queen hören zu lassen, Lieder von Udo Jürgens und Xavier Naidoo und natürlich Westernhagens „Freiheit“. Nur das gemeinsame Singen von „Here’s to You“, der von Joan Baez berühmt gemachten Hymne für die Opfer politischer Justiz, wollte beim Auftakt auf dem Domplatz nicht so recht gelingen. Die meisten beschränkten sich darauf mitzulaufen und Kerzen, Lampen oder Lichterketten mit LED-Lämpchen durch die Stadt zu tragen und damit irgendwie auszudrücken, dass sie nicht geimpft werden wollen. Oder jedenfalls eine Pflicht dazu ablehnen. Bei den wenigen Passanten an diesem ungemütlichen Montagabend stießen sie damit überwiegend auf Ablehnung, weil diese eine Impfverweigerung für unsolidarisch halten, wie bei gelegentlichen Diskussionen zu hören war.
Relativierung von Nazi-Verbrechen
Bevor sich die Montagsspaziergänger auf den Weg machten, sprach Carsten Peters vor etwa 250 Teilnehmern der Kundgebung des Bündnisses „Keinen Meter den Nazis“ auf dem Prinzipalmarkt. Er erinnerte daran, dass in der vergangenen Woche auf der Promenade Parolen aufgetaucht waren, „die für die Versammlungen der Coronaleugner“ werben. Dazu gehörten auch solche, die eine üble Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus darstellen: So wurde der Zwinger, im 3. Reich eine Hinrichtungs- und Mordstätte, als „Quarantäne-Hotel“ bezeichnet. „Dieser erneuten Relativierung der Nazi-Verbrechen stellen wir uns entschieden und deutlich entgegen.“ Das sei widerlich und indiskutabel.
„Wir reden und reden, aber die Gegenseite versteht es nicht“, sagte Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster. Auch wenn die „Pseudo-Spaziergänger“ immer wieder kämen, hätten sie keineswegs das „Heft des Handelns in der Hand“. So wolle er auch in den kommenden Wochen weiter Zeichen gegen die Impfgegner setzen. „Ja“, so Fehr, das Impfen sei eine persönliche Entscheidung, aber keineswegs Privatsache, denn „damit gefährdet ihr uns alle.“ Eine solche Haltung sei zutiefst unsolidarisch. Er wirft den Gegnern der Corona-Maßnahmen vor, auf der einen Seite die „Leitplanken der Demokratie“ zu nutzen, um demonstrieren zu können, anderseits aber von einer Diktatur zu sprechen.
In den vergangenen Wochen sei er scharf angegangen und kritisiert worden, in seinen Redebeiträgen alle als Nazis in einen Topf zu werfen. Man könne hier nicht auf jeden einzelnen schauen, wenn die Versammlungen von Rechtsextremisten angeführt würden. Fehr erinnerte erneut an eine Kundgebung in Münster vor wenigen Wochen, als ein Teilnehmer mit einem gelben Judenstern mit der Aufschrift „0G“ mitmarschiert war – dies sei widerlich. Er wandte sich mit seinem Resümee erneut an die Montagsspaziergänger: „Ihr überschreitet die Grenze des Erträglichen.“
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