Der Streit um den Umgang mit den Kriegerdenkmälern in unserer Stadt wird seit Jahrzehnten geführt. Von Abreißen über Versetzen, Kommentieren bis zum Belassen des aktuellen Zustands reichten die Vorschläge, die oftmals leidenschaftlich diskutiert wurden. Der Ratsbeschluss vom Juni 2020 beendete diesen Diskurs, an zunächst fünf ausgewählten Denkmälern sollen zukünftig spezielle Infotafeln Hintergrundwissen vermitteln, eine weitere soll über das ehemalige Denkmal zum Westfälischen Frieden informieren. Inzwischen wurden alle Stelen installiert.
Es ist ein schwieriges Erbe, mit dem die Stadt des Westfälischen Friedens umgehen muss, die zahlreichen Denkmäler, die oftmals an prominenter Stelle an vergangene Schlachten und vermeintliches Heldentum erinnern, Opfer und Verbrechen aber grundsätzlich verschweigen, sofern es sich nicht um eigene Armeeangehörige handelt. Prominentestes Beispiel ist wohl das umstrittene Train-Denkmal an der Promenade im Bereich des Ludgeriplatzes, das die Täter des Völkermords an den Herero und Nama glorifiziert, die Opfer jedoch ignoriert. Bereits 1982 wurde das Denkmal als „Schandmal“ von Mitgliedern der Dritte-Welt-Gruppe AKAFRIK (Arbeitskreis Afrika) verhüllt, anderthalb Jahre später wurde Vertretern der Stadt eine Infotafel übergeben, die an die Opfer erinnern sollte, diese Tafel verschwand jedoch in den Kellern eines städtischen Gebäudes, wo sie erst 2019 zufällig wieder auftauchte.
Die Vorlage „Umsetzung Konzept zum weiteren Umgang mit Kriegerdenkmalen – Aufstellung Informations-Stelen an Kriegerdenkmalen und zur Erinnerung an das ehemalige Denkmal Westfälischer Frieden“ wurde am 14. Juni 2022 im Rat der Stadt Münster diskutiert. Es wurde beschlossen, dass an bis zu fünf Kriegerdenkmälern an der Promenade Infostelen errichtet werden sollen. Die Stele am Train-Denkmal soll außerdem mit einer entsprechenden Inschrift von Rat, Stadt und Stadtgesellschaft zur deutschen Verantwortung für koloniales Unrecht versehen werden. Außerdem soll ebenfalls mit einer Stele am ehemaligen Standort des Denkmals „Westfälischer Frieden“ von 1905 an der Promenade erinnert werden. Fertiggestellt werden sollte das Ganze laut Ratsbeschluss bis zu den Jubiläumsveranstaltungen zum Westfälischen Frieden, die Mitte Mai dieses Jahres offiziell starten. Dies ist offenbar gelungen, wie der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Peter Worm bestätigt: „Wir sind sehr froh, dass die Montage der Info-Stelen weitgehend abgeschlossen ist – es müssen noch einzelne Restarbeiten erledigt werden, wie zum Bespiel für die Zuwegung an den Stelen, damit man dort auch ohne Probleme mit dem Rollstuhl hinfahren kann.“
Am Dreizehner-Denkmal (1925) in der Nähe des Aasees, am Mauritz-Denkmal (1909), Kürassier-Denkmal (1930, Wiederaufbau 1964), Stalingrad-Denkmal (1961) und Train-Denkmal (1925) wurden die knapp zwei Meter hohen Stelen aus jeweils drei dunkelgrauen Aluminium-Hohlkörpern aufgestellt. Mit ihrem leicht versetzten Mittelteil sind die Stelen auffällig aber nicht dominant. „Die gebrochene Form greift die Neubewertung von Krieg und Kriegerdenkmalen im Laufe der Zeit auf und stellt eine gut sichtbare, kritische Intervention an den Denkmalen dar“, erläutert Kulturdezernentin Cornelia Wilkens.
Bis zur Umsetzung war es ein längerer Weg, wie Worm berichtet: „Der Aufstellung der Stelen ist ein langer und intensiver Diskussionsprozess vorangegangen, den das Stadtarchiv moderiert hat. Die Diskussion haben wir auf unseren Themenseiten dokumentiert [siehe Link unten]. Es wurden zunächst zivilgesellschaftliche Gruppen und Kommunalpolitik gehört, dann ein politischer Prozess in Ausschüssen und Rat eingeleitet, die Entscheidung über Text und Design wurde in den politischen Gremien getroffen. Schließlich musste der Auftrag vergeben und die baulichen Prüf- und Umsetzungsschritte eingeleitet werden.“ Die Denkmäler weder abzureißen noch zu versetzen, ist aus Sicht der Leiters des Stadtarchivs richtig: „Die am Runden Tisch entwickelte Idee, die Kriegerdenkmale entlang der Promenade durch ein kritisch-historisches Informationsangebot einzuordnen, halte ich für sehr sinnvoll. Die Info-Stelen erlauben eine selbstgesteuerte kritische Auseinandersetzung mit den stummen Zeitzeugen. Für den Unterricht an Schulen haben wir ein didaktisches Heft verfasst.“
Kriegerdenkmäler können rechten Kreisen als Identifikationsorte und Treffpunkte dienen. In Münster war dies nur vereinzelt der Fall, wie Dr. Peter Worm berichtet: „Nur eines der Kriegerdenkmale entlang der Promenade war in der Vergangenheit Schauplatz für Aktionen rechts-konservativer Kreise. An den Feierlichkeiten zum Volkstrauertag am Dreizehner-Denkmal beteiligten sich bis Mitte der 2000er Jahre der Verband deutscher Soldaten, zu dem das Bundesverteidigungsministerium 2004 ein Kontaktverbot erlassen hat. Auch die schlagende Verbindung Franconia traf sich dort. Inzwischen führen der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die Stadt Münster die entsprechende Veranstaltung am Platz des Westfälischen Friedens im Ratshausinnenhof durch. Der alte Ort wurde noch 2019 durch die Münsteraner Burschenschaft Franconia und der Burschenschaft der Pflüger Halle zu Münster am Volkstrauertag besucht.“
Es wird im Kontext des Friedensjahres eine feierliche Einweihung der Info-Stele am Train-Denkmal geben. Dabei soll es darum gehen, sich zur deutschen Verantwortung für koloniales Unrecht und die Völkermorde im heutigen Namibia zu bekennen. Außerdem sind Radtouren und Führungen des Stadtarchivs zu den Kriegerdenkmälern unter anderem am Tag des offenen Denkmals am 10. September geplant.
Links
Diskussion um die Kriegsdenkmäler
Seite des Stadtarchivs zu Münsters Kriegerdenkmälern
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