An dieser Stelle treten in einer zweiten Staffel unserer Empowerment-Serie monatlich junge Erwachsene auf die Bühne. Sie verfolgen ihre Herzensangelegenheiten, überwinden Barrieren mit Mut und Konsequenz. Fotografin Ingrid Hagenhenrich hat einen unvergleichlich liebevollen Blick auf die Menschen vor ihrer Kamera. Sie nimmt sich Zeit, jede Persönlichkeit auf eigene Art zu portraitieren. Iris Brandewiede gibt ihren Worten Raum. In der siebten Folge schwärmt die 27-jährige Valerie Van Venus aus Münster von den weiblichen Ikonen der 50er Jahre – und ist doch froh, eine Frau von heute zu sein.
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Es gibt im Arbeitsleben einen gewissen Druck, sich über analytisches Denken, Logik und Führungskraft zu definieren, auch als Frau – so nehme ich es wahr. Ich selbst war immer eher verträumt. Meine Stärken waren immer meine Intuition, mein Mitgefühl und meine Kreativität. Da habe ich mich wenig von anderen beeinflussen lassen, auch darin liegt ja große Kraft. Mich inspirieren die glamourösen Ikonen aus den 50er-Jahren, Marilyn Monroe, Elizabeth Taylor… Auf Instagram führe ich als Valerie Van Venus einen Blog. Der Name Valerie klang für mich immer besonders elegant. Venus ist die Göttin und der Planet der Weiblichkeit. Valerie bedeutet zudem „die Starke“. Für mich ist Weiblichkeit eine innere Stärke, daher kommt mein Name.
Freiberuflich zu schreiben ist mein großer Traum. Ein Jahr lang habe ich Modejournalismus an einer kleinen Hochschule in Köln studiert. Leider musste ich das abbrechen. Ich wollte sehr gern nach Köln ziehen, habe aber keine rollstuhlgerechte Wohnung gefunden. Auch eine geeignete Assistentin zu finden, war schwierig. Ich kann verstehen, dass es nicht attraktiv ist, zum Mindestlohn jemanden viele Stunden in der Woche zu unterstützen… Die Räumlichkeiten in der Uni wurden leider nicht an meine Bedürfnisse angepasst, obwohl es eigentlich versprochen wurde. Als private Hochschule waren sie dazu nicht verpflichtet. Das tägliche Pendeln wurde einfach auf Dauer zu anstrengend. Oft war ich erst um 20 Uhr zu Hause, um morgens um 4:30 Uhr wieder aufzustehen.
Derzeit bin ich wieder in Münster eingeschrieben, für ein duales Studium Kommunikation und PR, an einer kleinen Hochschule. Um tatsächlich anfangen zu können, suche ich noch nach einem Praxisplatz im Kommunikationsbereich. Um in Übung zu bleiben und weil ich es schon immer vorhatte, habe ich mit dem Bloggen angefangen.
Hier sitze ich mit meinem Freund Tim am Laptop und schreibe an meinem Blog. Tim ist stets eine wundervolle Unterstützung für mich. In seiner Nähe kann ich ganz ich selbst sein und mich vollkommen auf ihn verlassen. Er schenkt mir Geborgenheit und Halt. Im Vordergrund sieht man eine Biografie über Marilyn Monroe. Ich denke, dass sie als Frau der 50er Jahre ihre Weiblichkeit vollkommen gelebt hat. Ich selbst bin allerdings froh, in der heutigen Zeit zu leben! – Es war ja längst nicht alles glamourös in den 50ern.
Marilyn Monroe war eine Meisterin der Manifestation und weiblicher Energie. Eine weit verbreitete Geschichte unter ihren Fans: Norma Jeane ist mit ihrer Freundin in New York unterwegs, nicht schick und nicht zurecht gemacht. Sie fragt ihre Freundin: „Soll ich „SIE“ sein?“. Die Freundin sagt „Ja!“ Marilyn Monroe war damals schon berühmt.
Bis dahin hatte niemand sie erkannt. Äußerlich verändert sich nichts, aber es ist wie das Umschalten eines Lichtschalters – plötzlich macht es „Klick“ und ihre Energie verändert sich spürbar. Sie hatte eben diese besondere Begabung, Marilyn Monroe zu sein. In dem Moment wird sie erkannt. Sie war einfach in diesem Moment, ganz bewusst. Sie wusste: „Ich bin Marilyn Monroe – und jeder sieht das!“
Ich glaube, dass wir unsere Energie genauso kontrollieren können. Für mich ist es ein bisschen wie ein Spiel, es fällt mir leichter, mich als Valerie Van Venus auszudrücken und meine Eigenschaften zu zeigen. Ich stelle mir vor, es sei eine Rolle, die ich verkörpere. Früher war ich mir meiner Eigenschaften oft unsicher. Seit ich mich mit Themen wie der weiblichen Energie und Manifestation beschäftige, bin ich mir meiner Stärken viel mehr bewusst.
Ein Internat, das ich besucht habe, hat viel dazu beigetragen, dass ich angefangen habe, Grenzen zu ziehen: Ich bin auf Hilfe angewiesen, aber ich habe wie alle anderen Menschen das Recht, über meinen Körper zu bestimmen. Ich lasse mich nicht auf die Hilfe ein, wenn ich mich dabei nicht wohlfühle. Es ist mir so wichtig, über mich selbst zu bestimmen – besonders als Frau. Meine Behinderung ist für mich vor allem eine Eigenschaft, wie eine Haarfarbe. Es sind die äußeren Umstände, die zu viel größeren Beeinträchtigungen führen. Das Wort „behindert“ abwertend zu benutzen ist für mich so, als würde man jemanden beleidigen wollen, indem man sagt: „Ej, bist du brünett…?“
Ich gehe gern an der Promenade spazieren. Es ist ein schöner Ort. Der E-Rollstuhl ermöglicht mir, allein aus dem Haus zu gehen und so selbständig wie möglich zu sein. Das wurde mir richtig bewusst, als plötzlich die Elektrik kaputt gegangen ist. Eine schreckliche Situation: Ich will abbiegen, aber der Rollstuhl fährt geradeaus. Beinahe wäre ich in einem Graben gefahren.
Fast neun Monate musste ich warten, bis ich diesen neuen E-Rollstuhl bekommen habe. Das war furchtbar für mich. Ich bekam kein Leihgerät und konnte nur raus, wenn eine zweite Person dabei war. Das war psychisch sehr belastend. Ich bin zwar gern unter Menschen, aber sehr gern allein unterwegs. Jetzt war ich darauf angewiesen, dass jemand mit mir rausgeht. Natürlich sind mein Freund oder meine Mutter oft mit mir rausgegangen – aber es ist doch nicht dasselbe, wenn du darauf angewiesen bist und nicht alleine rausgehen kannst. Gleichzeitig habe ich mich gefangen gefühlt. Etwas Gutes hatte es: Um nicht verrückt zu werden, habe ich mit meinem Blog angefangen!
Ich umgebe mich gern mit ansprechenden Dingen: Alles, was hübsch aussieht, schön duftet – die Sinne verzaubert!
Zurzeit schreibe ich viele Bewerbungen. Ein Praxisplatz ist die Voraussetzung für das duale Studium, daher liegt darin zurzeit meine größte Priorität. Da ich weiß, ich werde immer auf Hilfe angewiesen sein, ist es mir besonders wichtig, im Beruf unabhängig zu sein. Und ich bin fest davon überzeugt, dass ich meinen Traum verwirklichen werde. Ich bin sicher, dass alles aus guten Gründen passiert. Dass es mit dem Modejournalismus nicht geklappt hat, finde ich schade – aber es war eine lehrreiche Erfahrung, und ich habe festgestellt, dass ich mehr Interessen habe. Ich bin offen, neugierig und finde auch andere Themen sehr spannend.
Grace Kelly sagte: „Ich bin im Grunde eine Feministin. Ich denke, dass Frauen alles tun können, wofür sie sich entscheiden.“ Dem stimme ich zu. Ich kann meine Weiblichkeit ausleben, wie eine Dame behandelt werden und trotzdem eine Karriere verfolgen. Ich weiß für mich: Denke ich positiv, passieren positive Dinge – früher oder später.
Alle Teile dieser Reihe gibt es hier: https://www.allesmuenster.de/tag/Herzensangelegenheiten
Valerie auf Instagram: @valerievanvenusblog @valerievanvenus Weiterführende Infos von Incluencer:innen und Aktivist:innen: „Die Neue Norm“ - Podcastfolge über Partnerschaft und Behinderung Andrea Corinna Schöne, Journalistin und Aktivistin mit Schwerpunkten Inklusion und Feminismus "bei Behinderung": @schoeneandrea Anne Gerstorff und Karina Sturm – Stoppt Ableismus! Raul Krauthausen (https://raul.de/): DER AKTIVIST für Barrierefreiheit und Wertschätzung von Diversität Zu den Autorinnen: Instagram-Account von @ingridhagenhenrich Homepage von Ingrid Hagenhenrich https://ingrid-hagenhenrich.com/ Instagram Account von @irisbrandewie.de
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