So richtig erotisch wird es gestern Abend erst, als Dorota in roten, hochhackigen Schuhen und im hochgeschlitzten Paillettenkleid zur E-Gitarre greift. Aber bis dahin dauert es eine gute Stunde, in der Pawel Popolski die vollbesetzte Aula am Aasee auch alleine gut unterhält – wie gewohnt mit einem Gemisch aus Schlagzeug, Familiengeschichten von Pjotrek und der „trubsten Tasse“ Janusz Popolski – sowie reichlich Wodka.
„Der wissen der Wenigste“ heißt das aktuelle Programm der Poploski-Wohnzimmershow. Dabei soll das Auditorium nicht leer ausgehen. Pawel schickt eine kleine Armada Helfer mit Plastikpinnchen und Wodkaflaschen durch die Reihen. Anschließend erklärt er, dass Wodka in Polen schon aus medizinischen Gründen verabreicht werde und dass man sich an vorgeschriebene Wodkapausen halten müsse, sonst komme der PÜV, also der Polska Überwachungs Verein. Schließlich folgt eine genaue Trinkanleitung einschließlich Becherentsorgung über die Schulter. Derart gestärkt kann Pawel sich an seine „scheiße Schießbude“ machen, deren einzelne Bestandteile er erklärt, Hi-Hat etwa (zwei Mulleimerdeckel, die aufeinanderschlagen).
Und dann erzählt er von „Oppa Piotrek“, dem Erfinder der Polska-Popmusik, der in der Nähe von Zabrze in Polen beim Spazierengehen in der Natur die „Rapsmusik“ entwickelte. Schon fühlt Pawel das nach, die Musik wird immer lauter, so dass Pawel, in der Küche in der elften Etage sitzend, nur noch schreien kann: „Oppa“, „I say what“, Oppa“, „I say what“. Zwischendurch wird dann mal aus Zabrze live der „trubste Tasse“ mit Bassgitarre zugeschaltet. Der kleine Bruder Janusz im Poncho mit Routenmuster traut sich kaum „Hallo“ zu sagen, eigentlich wäre er so gerne selbst mitgefahren nach „Munster“, in das Mekka der Polka. Pawel erklärt noch kurz, wie die Schaltung genau verläuft, nämlich mit Kabel durch diverse Geräte, durchs Fenster zum Übertragungswagen, über polnische Sateliten, unter dem indischen Ozean entlang, bei Ahaus in die Kanalisation bis zum Aasee. Das Senderlogo oben rechts bei der Videoschalte heißt dann auch „Skypek“.
Klar, die polnischen Originale haben alle eine Endung auf ek – so auch das Kamasutrek, das bis dato unbekannte sexuelle Stellungen zeigt, etwa den „Lubiner Knoten“ oder den „Posener Propeller“. Zur letzteren Stellung gibt es auch eine Zeichnung, bei der sich weibliche Zunge in männlichem Ohr verknotet. Die „Piskovecer Schlittenfahrt“ ist nicht mal als Zeichnung erhalten geblieben. Die Geliebte von „Oppa“ beherrschte sie im Praxisteil.
Und dann endlich – nach der Pause – betritt, ach was – schwebt Dorota auf die Bühne, die Frau, von der Pawel sagt, dass sie eine Schneise durch die europäische Männerwelt geschlagen hat, die eine Agentur gegründet hat, nur um sich selbst mit Männern zu versorgen. Sie raunt ihre Worte mehr, als sie sie spricht. Die letzten 30 Minuten räumen die Popolskis noch mal richtig auf, sodass nachher auch jeder weiß: die Originale sind polnisch.
Natürlich ist Achim Hagemann als Pawel Popolski nicht nur ein begnadeter Schlagzeuger, sondern auch ein hervorragender Entertainer und selbstverständlich ist Iva Buric Zalac als Dorota sexy. Doch an die Wirkung von „Der Familie Popolski“ wie sie bis 2014 gemeinsam gespielt hat, kommt „Der Wohnzimmershow“ bei weitem nicht heran – da helfen auch die Tricks mit dem polnischen Kassettenrecorder und der Live-Schaltung nicht.
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