Wenn abends in Münster die Glocken des Kölner Domes läuten, dann kann doch nur … genau: BAP in Münster sein. Die Kölner Band um Frontmann Wolfgang Niedecken beginnt in der Halle Münsterland ihre Tour „BAP – Lebenslänglich“, und dazu gehört auch eine Video-Performance, die zuerst schwarz-weiß-Bilder des Kölner Domes zeigt. Die Projektionsfläche besteht dabei aus Versatzstücken im Bühnenrücken. Das erzeugt einen ganz besonderen Reiz, weil es manchmal wirkt wie viele Videowürfel.
„Fünf, sechs, sieben, acht“, zählt das Kölner Urgestein ein, und sofort sind die Münsteraner da: „Frau, ich freu mich – unbeschreiblich auf Dich.“ Da brauchts keine lange Aufwärmphase. Niedecken kann dem Publikum schon nach 30 Sekunden das Mikrofon hinhalten. Brav wird der Text intoniert. Es geht um 40 Jahre BAP und – natürlich – auch die neue „Scheibe“ mit dem Titel „Lebenslänglich“. Weit über 2000 Menschen dürften in der Halle sein. Die ist voll bestuhlt. Das sorgt ein wenig für Unmut, immerhin spielt hier eine kultige Rockband und nicht das Sinfonieorchester. Aber Niedecken löst das in seiner bekannt freundlich-kölschen Art auf: „Ich bin froh, wenn ich nicht drei Stunden stehen muss,“ sagt er und fügt hinzu: „Ich setze mich auch auf eigenen Konzerten. Ich hab nämlich Rücken.“ Und dann ermuntert er die Menschen, es so zu tun wie sie wollen. Die einen stehen, die anderen sitzen. „Dat is nämlich relativ egal“, schiebt er nach und findet so die Überleitung zu dem ersten Titel auf dem neuen Album: Relativ.
Richtig gute Musiker begleiten den charismatischen Sänger, während die meisten Konzertbesucher stehen bleiben. Gitarrist Ulrich Rode, noch recht frisch bei BAP, bekommt einige Male Zwischenapplaus, weil er mit Akustik- und E-Gitarre schöne, emotionale Einlagen liefert. Schon singt Niedecken: „Aff und zu ist alles herrlich, aff und zu ganz erbärmlich.“ Da wird rhythmisch geklatscht und gesungen, auch die letzten sind aufgestanden. Doch Niedecken bekommt scheinbar ein bisschen Angst, dass es mit der Konstitution des Auditoriums nicht zum Besten gestellt sein könnte. Denn er kündigt vier ruhige Lieder an, bei denen „man sich ruhig setzen kann.“ Anne de Wolff hat ein ganzes Potpourri an Instrumenten um sich herum drapiert. Bei der Ankündigung des Chefs greift sie schon mal zur Violine, sonst aber auch gerne zu Posaune, Bratsche, Cello, Mandoline, Percussion.
„Do kannst zaubre“ darf nicht fehlen, und die Münsteraner zeigen sich erneut textsicher. „Die Leuchtkerzen-App“, wie von Niedecken vorgeschlagen, hat erkennbar niemand, aber in den letzten 15 Reihen haben die Menschen bunte Leuchtstäbe in der Hand und schwenken diese im Takt. Zwischendurch erklärt Niedecken noch kurz, dass er das Lied „Absurdistan“ vom Kölschen ins Hochdeutsche übersetzen musste, weil der Ernst des Textes dies erforderte und dann singt er vom steigenden Meeresspiegel, von Gotteskriegern und weiterem Elend. Bei den ersten Takten von „Kristallnacht“ wird schon wieder gestanden und getanzt, während auf der Videowand eine Großbildaufnahme des Perkussion-Spielers zu sehen ist. Und dann endlich – nach weit mehr als zwei Stunden – ist es „verdamp lang her, dat ich fast alles ähnz nom…“ Da hält es nun wirklich auch den letzten Stuhlhocker nicht mehr auf seinem Sitzmöbel.
Ein tolles Konzert mit einem Leadsänger, der zwar unangefochten der Chef ist, aber seinen Musikern Raum zur Entfaltung gibt. So kommt Drummer Sönke Reich ebenso zu seinem Solo wie Perkussion-Spieler Rhani Krija bei der Zugabe „Alexandra“.
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