Mit der Leeze gegen den Verkehrsinfarkt IHK und ADFC kooperieren erstmals, um mehr Arbeitnehmer aufs Rad zu bekommen

Joachim Brendel, Michael Milde, Ludger Koopmann und Kirsten Kuns (v.l.) berichteten über das Thema "Mit dem Rad zur Arbeit". Dr. André Wolf (re.) moderierte die Veranstaltung. (Foto: Michael Bührke)
Joachim Brendel, Michael Milde, Ludger Koopmann und Kirsten Kuns (v.l.) berichteten über das Thema „Mit dem Rad zur Arbeit“. Dr. André Wolf (re.) moderierte die Veranstaltung. (Foto: Michael Bührke)

Wer morgens mit dem Auto oder dem Bus zur Arbeit in die Innenstadt fährt, erlebt das Problem am eigenen Leib: Die großen Einfallstraßen mutieren ungewollt zum kilometerlangen Parkraum, nichts geht mehr und die Laune ist schon im Keller, bevor man überhaupt bei der Arbeit angekommen ist. Wem dabei der alte Spruch einfällt „Du stehst nicht im Stau, du bist der Stau“, der ist schon auf dem richtigen Weg. Erstmals kooperieren der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) und die Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen (IHK) miteinander, um gemeinsam zu erkunden, wie ein Weg aus dieser Misere gefunden werden kann.

Die gesündeste und umweltfreundlichste Alternative ist das Fahrrad, das braucht man einem Münsteraner nicht zu sagen. „Täglich finden in Münster von insgesamt rund 1,4 Millionen Wegen und Fahrten etwa 400.000 mit dem Fahrrad statt“, berichtet Michael Milde, Abteilungsleiter Verkehrsplanung bei der Stadt Münster. Dies sorgt bereits für eine große Entlastung auf den Straßen, würden die Leezenritter auf das Auto umsatteln, wäre der Verkehrsinfarkt in Münster wohl perfekt. Trotzdem stellt sich die Frage, wie noch mehr Arbeitnehmer dazu gebracht werden können, mit dem Rad zur Arbeit zu kommen. „Der Betrieb muss ein fahrradfreundliches Klima haben. Der radfahrende Kollege muss wertgeschätzt werden“, erläutert Milde. So sollten Umkleide- und vielleicht sogar Duschräume ebenso vorliegen wie Reparaturmöglichkeiten und ausgewiesener, möglichst überdachter Parkraum, der keine Notlösung in der hintersten Ecke sein sollte, sondern im zentralen, gut erreichbaren Bereich liegen muss. Wer den Akku seines E-Bikes im Betrieb auflädt, begeht juristisch gesehen Stromraub, das muss geklärt sein. Im Idealfall sollte der Arbeitgeber Lademöglichkeiten anbieten.

Im abschließenden Podiumsgespräch legten die Gesprächspartner nochmals ihre Argumente auf den Tisch. (Foto: Michael Bührke)
Im abschließenden Podiumsgespräch legten die Gesprächspartner nochmals ihre Argumente auf den Tisch. (Foto: Michael Bührke)

Joachim Brendel, Geschäftsbereichsleiter Industrie und Verkehr der IHK, verspricht, das Thema Radfahren stärker an die Unternehmen heranzutragen, „engagiert aber mit Augenmaß“, wie er hervorhebt. Die gute Erreichbarkeit von Betrieben sei von sehr großer Bedeutung, eine schlechte Erreichbarkeit könne sogar dazu führen, dass Betriebe abwandern, berichtet Brendel. Die IHK bildet sogenannte Mobilitätsmanager aus, die unter anderem Konzepte zur Mobilität inklusive des Fuhrparks entwickeln. Welche Wege die Westfalen AG gegangen ist, berichtet Kirsten Kuns, die dort für die Bereiche Qualität, Arbeitssicherheit und Umwelt zuständig ist. „Jeder Mitarbeiter soll die Möglichkeit haben, den für sich besten Weg zu wählen“, sagt Kuns. 140 Mitarbeiter nutzen das Angebot „Jobrad“, eine Art Leasingmodell für Fahrräder. Es gibt Ladestationen für E-Bikes sowie Möglichkeiten sich umzuziehen. Die fortschreitende Digitalisierung führt außerdem dazu, dass viele Mitarbeiter dank Videokonferenzen und anderer Tools gar nicht mehr zum Betrieb fahren müssen.

Der Fuhrpark vor der Tür machte deutlich, wie unterschiedlich Fahrradmobilität aussehen kann. (Foto: Michael Bührke)
Der Fuhrpark vor der Tür machte deutlich, wie unterschiedlich Fahrradmobilität aussehen kann. (Foto: Michael Bührke)

In der abschließenden Diskussionsrunde war die Fahrradparksituation beim Hauptbahnhof ein großes Thema. Das Umwidmen von Flächen in den umliegenden Parkhäusern soll die Situation verbessern. Die doppelstöckigen Abstellmöglichkeiten, wie es sie zum Beispiel im Hamburger Tunnel gibt, könnten dafür sorgen, dass aus 50 Stellplätzen für Autos etwa 1.000 Stellplätze für Fahrräder werden, berichtet Michael Milde. „Mit der Kombination aus Fahrrad, öffentlichem Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr werden wir erfolgreich sein“, ist sich Milde sicher.

3 Kommentare

  1. Verdi richtet sich bis heute gegen das Jobrad, allen Tarifbeschäftigten ist der Weg zum Jobrad damit versperrt! Auf Nachfrage reagiert Verdi nicht. Es geht hier um Tausende Beschäftigte, bitte hakt da mal nach.

    1. Hallo,

      ich habe bei unserer Landeschefin angefragt und bekam Antwort.
      Verdi hat nichts gegen Jobrad, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten damit etwas zugute kommen lässt ohne Eingriffe in Lohn oder Gehalt.

      Wird die Leasingrate durch Entgeltumwandlung bezahlt, entgeht dieses Geld den Sozialsystemen. Der AN zahlt während der Laufzeit auch weniger in die Rentenkasse, die Arbeitslosenversicherung ein.
      Bei den derzeit angebotenen Modellen gewinnen nur die Arbeitgeber und die Fahrradhändler wirklich, für die Beschäftigten geht es Richtung Nullsummenspiel, Hauptverlierer sind die Sozialkassen.

      Jobrad – es gibt bessere Alternativen
      https://bawue.verdi.de/++co++0716cbfa-309e-11e7-8ff2-525400423e78

      Nach dieser Positionierung gab es viel Unmut darüber, dass ver.di nicht alle Ideen von Firmen und Arbeitgebern (z.B. der Landesregierung) mit Begeisterung begrüßt. Darum wurden diese Angebote durchgerechnet und das Ergebnis war meist, dass es sich kaum lohnt, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.
      Jobrad – wer spart wirklich?
      https://bund-laender-nrw.verdi.de/++file++594b6cab56c12f78f10aafba/download/Jobrad_verdi_rechenbeispiele.pdf

      Es ist also wichtig, bei der Beurteilung alle Facetten zu betrachten. Zu einem nicht geringen Anteil landet das Geld auch bei den Leasingfirmen, die solche Modelle anbieten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert