Er ist so lange im Geschäft, dass er noch in allen Spezialdisziplinen der Frauenheilkunde ausgebildet wurde. Fast ein Vierteljahrhundert hat Univ.-Prof. Ludwig Kiesel am UKM die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe als Direktor angeführt. Jetzt gibt er die Leitung zum 15. Juni an seinen Nachfolger Univ.-Prof. Lars Hanker ab. Professor Hanker wechselt vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein nach Münster. Was sich in seinem Fach verändert hat und warum es medizinisch wie gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist, Frauengesundheit stärker in den Blick zu nehmen, erklärt Kiesel im Interview.
Herr Prof. Kiesel, welche Ziele hatten Sie sich bei Amtsantritt gesetzt und haben sich diese auch erfüllt?
Als ich im Jahr 2000 hier angetreten bin, waren meine Ziele in Klink und Forschung vielfältig und es freut mich, dass ich das meiste davon für unsere Klinik erreicht habe. Ich hatte zuvor schon zwei andere Universitäts-Frauenkliniken über viele Jahre klinisch kennengelernt und war auch im Ausland wissenschaftlich tätig. In Münster sah ich die Chance, die Behandlung von Patientinnen in vielen Bereiche der Frauenklinik längerfristig zu fördern. In unserem Fach können wir Patientinnen ein ganzes Frauenleben lang begleiten.
Was waren die medizinischen Meilensteine?
Es gab zu viele wichtige Fortschritte um alle zu nennen. Mehrere wichtige Meilensteine gab es in der Krebsbehandlung, der operativen Therapien, in der Geburtshilfe und bei hormonabhängigen Störungen. Zum einen die zahlreichen Erkenntnisse in der Entstehung und Behandlung der Endometriose. Weiter war es der sehr erfolgreiche Einsatz der HPV-Impfung und überhaupt, erst einmal die Feststellung, dass ein Virus für Krebserkrankungen wie in diesem Fall Gebärmutterhalskrebs, verantwortlich sein kann. Oder auch beispielweise die Erkenntnis, dass, wenn man mit einer gewünschten Hormonersatztherapie (HET) bereits kurz nach der letzten Regelblutung in der Menopause beginnt, manche degenerative Prozesse verzögert oder verlangsamt werden. Die HET wurde lange Zeit einseitig negativ beurteilt, insbesondere wurde vermutet, dass sie Brustkrebs stark begünstigt. Das ist längst in der Form widerlegt. Belegt ist dagegen, dass sie, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose präventiv wirken kann. Es sterben weitaus weniger Frauen über 50 Jahren an Brustkrebs als an Herzinfarkt und Schlaganfall. Eine „Hormonangst“ ist also nicht unbedingt angebracht.
Die Krankenhausreform steht bevor: Kann sie Antworten auf die weitere Auffächerung des Fachs geben?
Die Reform wird viele medizinische Fachrichtungen in der Versorgung aber auch in der Weiterbildung beeinflussen. Viele Krankenhäuser werden sich für einzelne Bereiche entscheiden müssen. Durch die starke Spezialisierung in einzelne Unterdisziplinen ist die Frauenheilkunde für den Einzelnen fachlich kaum mehr zu beherrschen, dazu ist das Wissen zu sehr gewachsen. Die Unikliniken sind sicherlich diejenigen, die sich da weiterhin am meisten spezialisieren müssen. Daher ist es für eine Universitätsfrauenklinik wichtig, mit allen Disziplinen wie der gynäkologischen Onkologie, Senologie, aber auch in der Geburtshilfe und in der Reproduktionsmedizin spezialisiertes Wissen in Klinik und Forschung anzubieten.
Was sind die Themen der Zukunft?
National wie auch international kann man sehen, dass die Gesundheit von Frauen in ihren verschiedenen Lebensabschnitten viel mehr in den Vordergrund rückt. Themen wie die Menopause, die Endometriose und andere Hormonstörungen wie das Polyzystische Ovarialsyndrom gewinnen deutlich an Bedeutung. In diesem Jahr sind diese drei Gesundheitsthemen von großen Organisationen wie der WHO und sogar dem Weltwirtschaftsforum zu den vordringlichen globalen Zielen herausgehoben worden.
Sie bleiben uns als Seniorprofessor erhalten. Mit welchen Forschungsschwerpunkten?
Mein besonderes Interesse galt und gilt der Erforschung von hormonabhängigem gutartigen und bösartigen Erkrankungen der Frau, ein Thema, das im gesamten Frauenleben von Bedeutung ist. Die medizinische Fakultät und das Uniklinikum ermöglicht es mir dankenswerterweise, dass ich mehrere dieser Forschungsprojekte, wie beispielsweise zur Endometriose und zur experimentellen Brustkrebsforschung, weiter in nationaler wie auch internationaler Kooperation betreuen kann.
Transparenzhinweis: Dieser Inhalt wurde uns vom Universitätsklinikum Münster zur Verfügung gestellt.
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