Wer sich fragt, ob die Pandemie auch ihre guten Seiten hat, sollte die Kriminalstatistik 2020 lesen. „Die Zahlen in den Bereichen Raub- und Körperverletzung sind deutlich zurückgegangen, die Wohnungseinbrüche sind auf dem niedrigsten Stand zumindest der letzten 20 Jahre, weiter reicht unsere Online-Statistik nicht zurück“, berichtet Münsters Polizeipräsident Falk Schnabel während der Vorstellung der statistischen Auswertung der Kriminalfälle des vergangenen Jahres.
Die Entwicklung bei den Wohnungseinbrüchen empfindet Schnabel als besonders erfreulich, weil gerade der Wohnungseinbruch einen gravierenden Eingriff in die Privatsphäre darstellt und Betroffene oft noch lange nach der Tat psychisch belastet, wie der Experte erklärt. Auch die Aufklärungsrate ist hier von 18 auf 19 Prozent leicht gestiegen. Bei den Raubdelikten ist die Aufklärungsrate ebenfalls moderat auf 58,38 Prozent gestiegen, bei Körperverletzungen stieg die Quote auf 85,39 Prozent. Deutlich abgenommen haben die Ladeneinbrüche, auch dies wohl ein Nebeneffekt der Pandemie. Zugenommen hingegen haben Einbrüche in Autos, hier meinen die Kriminalisten eine Verlagerung zu erkennen.
Insgesamt ist allerdings auch die Gesamtzahl der Straftaten von 26.310 auf 26.750 Fälle gestiegen. Besonders augenfällig ist der Anstieg bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, hier waren es 189 Fälle mehr als im Jahr 2019. Einen großen Anteil an dem Anstieg hat die Arbeit der Ermittlungskommission Rose, die seit Mai 2020 im Zusammenhang mit dem Missbrauchskomplex im Einsatz ist. Die intensiven Ermittlungen gegen Beschuldigte aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland führten dazu, dass die Straftaten im Bereich des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Tatbestand der Verbreitung, des Erwerbs, Besitzes und der Herstellung von Kinderpornographie deutlich zunahm. „Das Wichtigste ist, dass wir in den sichergestellten Datenmengen Hinweise auf noch laufende Missbrauchstaten erkennen und keine Kinder in den Fängen dieser Täter zurücklassen“, betont der Polizeipräsident. 44 erwachsene Täter und etwa 30 Opfer unter 14 Jahren konnten die Kriminalisten bislang ermitteln, wie der Leiter der Direktion Kriminalität, Frank Kaiser, während des heutigen Pressetermins berichtet. Durch die personalintensive Arbeit der Ermittlungskommission Rose fehlen Mitarbeiter an anderer Stelle, was im Berufsalltag immer wieder deutlich wird, berichtet Schnabel.
Einen besonderen Fokus legt die Polizei Münster seit mehreren Jahren auf die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Dieses konsequente Vorgehen führte dazu, dass die Fallzahlen in diesem Bereich weiter stiegen. Die Kriminalisten deckten im vergangenen Jahr 1.372 Delikte auf, das ist ein Anstieg von rund fünf Prozent, wobei weniger die Konsumenten als die Dealer Ziel der Fahnder waren, „wir haben also den Fokus auf die richtige Klientel gelenkt“, wie Kaiser meint.
Die Corona-Pandemie sorgt für neue Kriminalitätsphänomene, wie Schnabel berichtet. So registrierte die münsterische Polizei im vergangenen Jahr 56 Fälle von Subventionsbetrug, die in Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen stehen. Auch im vergangenen Jahr versuchten Betrüger durch unterschiedliche Maschen, wie zum Beispiel „Falscher Polizeibeamter“ oder „Enkeltrick“, insbesondere Bargeld von älteren Menschen zu erlangen. In mehr als 480 Fällen blieb es beim Versuch, in 20 Fällen kam es zu Zahlungen und einem finanziellen Schaden von insgesamt 184.500 Euro.
„Der Fahrraddiebstahl verhagelt uns wie in jedem Jahr die Aufklärungsstatistik“, wie Frank Kaiser bedauernd feststellt. Die Zahl der mehr als 500.000 Fahrräder in der Stadt nimmt mit der Zahl der Einwohner weiter zu. Nach einem Rückgang im letzten Jahr stieg auch die Anzahl der gestohlenen Räder leicht von 4.320 auf 4.463 an. Die Aufklärungsquote stagniert unterhalb von sieben Prozent. Jede sechste Straftat in Münster ist ein Fahrraddiebstahl. Das entspricht einem Anteil von 16,68 Prozent.
Im vergangenen Jahr führten Beamte des Polizeipräsidiums Münster 37 Mordkommissionen, davon sechs im Stadtgebiet Münster. Im Januar wurde eine 23-jährige Frau in ihrem WG-Zimmer im Grünen Grund tot aufgefunden. Neben ihr lag ihr ebenfalls toter 41-jähriger Exfreund. Ermittlungen ergaben, dass der 41-Jährige zunächst die junge Frau getötet und sich anschließend selbst das Leben genommen hatte. Anfang Mai lockte eine 34-jährige Frau ihren ehemaligen Arbeitskollegen unter einem Vorwand in ihre Wohnung in der Teichstraße und bat ihn, nach ihrer defekten Spüle zu schauen. Als sich der 37-Jährige bückte, schlug die 34-Jährige mit einem Handbeil auf den Kopf des Mannes ein. Anschließen griff sie ihn noch mit einem Messer an. Erst die hinzugerufenen Polizisten konnten die Beschuldigte entwaffnen. Der 37-Jährige erlitt schwere Verletzungen, gegen die 34-Jährige wurde Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen.
Ebenfalls im Mai kam es in Roxel zu einem Streit zwischen einem 61-jährigen Hausbesitzer und einem 34-jährigen Mann, der am späten Abend auf der Straße vor der Haustür des Beschuldigten telefoniert hatte. Der 61-Jährige forderte den jungen Mann auf, das Gespräch zu beenden oder die Örtlichkeit zu verlassen. Als der 34-Jährige dieser Forderung nicht nachkam, holte der Beschuldigte ein Messer und stach auf sein Opfer ein. Der 34-Jährige erlitt tödliche Verletzungen. Gegen den Beschuldigten wurde Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. Anfang März wurde der 61-Jährige zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes verurteilt.
Seit 2019 wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst, wie oft ein Messer bei einer Straftat zum Einsatz kam. Im Jahr 2020 geschah dies in 55 Fällen (2019: 106 Fälle), insbesondere bei Raubdelikten, bei gefährlichen Körperverletzungen und Bedrohungen. 13 Opfer wurden leicht verletzt, zwei schwer und ebenfalls zwei Opfer starben durch den Einsatz eines Messers.
Die gesamte Bilanz ist auf der Homepage der Polizei Münster abrufbar: Kriminalstatistik 2020
- Solidarität mit Mehmet Staatsschutz involviert: Rassistische Anfeindungen münden in Bereichsbetretungsverbot - 22. Dezember 2024
- Fotostrecke: skate-aid Night (23.11.2024) - 25. November 2024
- Im Maschinenraum der Diktatur Ausstellung „Alles wissen wollen“ informiert über die Stasi - 25. November 2024