Leeze, Trampeljöner und Tresine Der 3. Teil der Masematte-Kolumne unser Gastautorin Marion Lohoff-Börger

(Foto: Michael Bührke)
(Foto: Michael Bührke)

Masematte gehört zu Münster wie der Aasee, die Promenade und die Fahrräder. Doch nur wenige Menschen kennen diese alte Geheimsprache so gut wie die Autorin Marion Lohoff-Börger. Bei ALLES MÜNSTER schreibt die Masematte-Expertin regelmäßig in ihrer Kolumne „…alles jovelino?“ Dieses Mal dreht es sich um des Münsteraners liebstes Fortbewegungsmittel.

Wenn ich so jovel mit mein liebsten Seegers samstagsmorgens aufn Schock gewesen bin, wir tofte Grünachile gebiggt und dann noch nen Schoklamai gepichelt haben, dann bin ich eigentlich immer jovel zufrieden.

Aber wenn wir dann mit de Leeze nach Hause jucheln, hege ich wegen die lahmschen und nerbelo Leezenfreiers so einen Rochus, dat der Jontev tacko plete böscht von mich.

Letzte Woche habe ich mir (trotz die Malessen, die wir wegen den Klimawandel hegen), ömmes gewünscht, dat Eltern ihre Kotens vielleicht doch besser wieder in ihren SUV packen, anstatt den Leezenpatt anne Ostmark-Strehle zu verstopfen. Is ja jovel gemeint, wenn die ihr schummes Wuddi inne Garage in Mauritz lassen …. Aber wenn da kimmel Kotens mit ihre Leezen wie die Nerbelos vor dir herumpeseln und die Eltern jeder noch nen Anhänger an ihre Leezen haben und die ganze Zeit am Rumkrajöhlen sind: „Neeeein! Reeechts Alina!“ – „Lukas, kannst du nicht hören? Pesel nicht so tacko!“, dann wird man ja selbst kolone. Die ganze Family hatte ömmes tofte Helme aufn Schero, da drunter noch jeder nen Stari, klar dat da niemand wat hört.

(Foto: Michael Bührke)
(Foto: Michael Bührke)

„Aaaaaliiiinnnnaaaaa! Mach die Lauscher auf!“

Dat macht einen doch meschugge, oder?

Maschemau.

Wat hatte ich nen Rochus. Da brauchte ich bei Beis erst Mal nen Schabau, obwohl der Osnitz erst ein Uhr schmuste.

Nich dat ich wat gegen die Helmpflicht in Münster hätte. Dat wäre kochum für alle Leezenfreier. Vielleicht brauchen wir nur son jovles Masemattewort wie „Leeze“ dafür, dann is dat hip und alle machen mit. Mein Vorschlag: „Obi“ für die Seegers-Helme und „Bibi“ für die Kalinen-Helme. Dat sind Wörter aus der Masematte für „Hut“.

Ich bösch von mein Thema plete…

In Münster gibt dat noch andere Leezenfreier, wo ich mir wünsche, dat die Husche die mal ausn Verkehr ziehen täte.

Einmal sind dat die toflen Rentner, die Zitterfehmen, die oft mit ihre neuen E-Bikes eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Hamel tacko sind die unterwegs. Lobbe aufgesperrt und Döppen weitaufgerissen und dann mit 25 Klamotten über die Promenade! Und wenn se die Klingel nich tacko finden krajöhlen die:

„Weeeg! Weg daaaaaa!“.

Modewehl!

Und dann die Leezen-Pattjacken im Sommer. Jovel, dat wir die wenigstens an ihre Leezen erkennen können. Wenn dir auf de Promenade so ne hamle Gruppe Pattjacken auf blau-gelben Leih-Rädern entgegenkommt, allesamt an Labern und inne Bendine an Rumkneistern (nur nicht nach vorne!!!!!), dann machste da am besten nen gaaanz großen Bogen drum. Die kennen nix und die kannste auch nicht erziehen, die sind ja am nächsten Tag wieder plete geböscht von Münster. Dem Obermacker im Himmel sei Dank!

(Foto: Michael Bührke)
(Foto: Michael Bührke)

Und wenn dat meimelt, dann meinen ja die kuranten Kalinen, dat se mit nen Schirm aufe Leeze peseln müssten. Damit ihr angemaltes Ponum und die toften Ballen nicht machulle gehen.

Nee, aber auch, ihr Kalinen, muckert ihr dat nich, dat dat gefährlich is? Oder wenn ihr mit den Laberknochen an Schmusen seid mit de Freundin?

„Ja, ich bösch zu dir. Inne Bratzelohna? Jovel. Bin tacko ambach.“ Oder so, oder so ähnlich, wat weiß ich denn!?

Und wat ich von diese neue Mode mit die Lasten-Leezen halten soll, dat weiß ich auch noch nicht.

Is ja ömmes jovel, wenn die Kotens da vorne in den Karnickel-Kabuff aus Holz sitzen und an Schallern und Ömmeln sind. Die Alsche trampelt hamel rein und mit nen bisken Strom untern Leezentritt scheint dat ne hamel jovle Sache zu sein. Ömmes!

Aber, ach diese hamel schummen Lasten-Leezen mit diesen hamel schummen Kolanis hinten dran (ömmes groß wie ein Handballtor!!!!), wo se jetzt alles mit an Transportieren sind …, also nein, da kriegt man ja hamel More, wenn die einen schofel von den Leezenpatt runterschieben.

Und dat alles wegen den Klimawandel?

Vielleicht sollten die doch besser Wuddis mit Strom ausse Windräder oder von den Lorenz makeimern und mir mein Leezen-Leben in Münster nich so schofel machen.

Dat neueste sind ja jetzt diese toften Leih-Leezen mit diesen holländischen Namen. Schwupps-Leeze, oder so …

Also, ich schimpf ja nich oft auf die jungen Seegers und Kalinen aus Münster, aber haben die denn ömmes vergessen, dat dat sowat wie ne „Leezen-Ehre“ gibt?????? Und diese Leezen-Ehre der Münsteraner besagt, dat Kalinen und Seegers ihre Leezen bitteschön selbst reparieren können müssen, sonst sind die doch irgendwie noch nicht erwachsen. Oder? Da leihen die sich ne Leeze (für juthei Euros im Monat!), und wenn se die machulle gejuchelt haben, stellen die die anne nächste Ecke ab und können ne neue hegen.(Deswegen Schwupps-Leeze!)!

Neeee, also dat is meine Meinung nach eine Verrohung der Leezen-Sitten in Münster und sicher der Grund dafür, dat wir nich mehr die Nummer 1 als Fahrradhauptstadt sind.


Glossar:

Schock: Markt / Grünachile: Gemüse / biggen: kaufen / Schoklamai: Kaffee / jucheln: fahren / hegen: haben / lahmsch: langsam, träge / nerbelo: verrückt / Leezenfreier: Radfahrer / Rochus: Wut / Jontev plete böscht: Spaß ist vorbei / ömmes: tatsächlich / Kotens: Kinder / Leezenpatt: Fahrradweg / schumm: dick / Wuddi: Auto / kimmel: drei / peseln: fahren / krajöhlen: schreien / tacko: schnell / kolone: verrückt / Schero: Kopf / Stari: Mütze / meschugge: verrückt / Maschemau: Oh! / bei Beis: zu Hause / Schabau: Schnaps / Osnitz schmust: die Uhr/Zeit sagt / kochum: klug / obi: Hut / bibi: Hut / Husche: Polizei / tofel: alt / Zitterfehme: alter Mann / Lobbe: Mund / Döppen: Augen / Modewehl: Oh! / Pattjacken: Fremde / Leezen-Pattjacken: Radtouristen / Bendine: Gegend / kneistern: schauen / Obermacker im Himmel: Gott / meimeln: regnen / kurant: hübsch / Ponum: Gesicht / Ballen: Haare / machulle: kaputt / muckern: merken / schmusen: reden / böschen: kommen / ambach: da / Kabuff: Stall / schallern: singen / ömmeln: lachen / Alsche: Mutter, Frau / Leezentritt: Pedale / schumm: dick / Kolani: Sarg / hamel More: große Angst, Panik / Lorenz: Sonne / makeimern: machen, herstellen / juthei: fünfzehn /

Wortkunde:

Alle (wirklich alle!!!) Münsteraner kennen das Masematte-Wort Leeze für Fahrrad.

Neben jovel und schofel, Kaline und Seegers ist es das bekannteste Wort aus der Masematte. Es gibt aber auch noch anderen Wörter für das beliebte Fortbewegungsmittel:

Trampeljöner: von deutsch „trampeln“ und jöner aus dem Rotwelschen „spielen“.

Knetermann / Knete / kneten (Verb): Kneten aus dem Westfälischen heißt „fahren“.

Tresine: aus dem Romani (Sprache der Sinti und Roma) trěsiena steht für „Fahrrad“. Das wiederum kommt von „Draisine“, einer Bezeichnung eines Vorläufers des Fahrrades (Erfindung des Karl von Drais, eine Art Laufrad für Erwachsene).

Hassel: ist eigentlich ein „Ring“ oder ein „Reifen“, ein  bekanntes altes Spielzeug. Hassel ist westfälisch und bedeutet „Welle“ oder „runde Holzscheibe“.

Leeze: Hier ist die Herkunft relativ ungeklärt. Siewert (2003, Handwörterbuch der Masematte) sieht zwei Erklärungsansätze.

1. Abgeleitet von dem neulateinischen Kunstwort velociped …,

oder 2. Aus einem Rotwelsch-Dialekt (dem Hundeshagener-Kochum) entlehntes jiddisches Wort lezan für „Musikant“ mit der zusätzlichen Bedeutung „Orgel“. Interessanterweise waren Menschen, ein Dutzend Familien aus Eichsfeld, die als Wandermusikanten unterwegs waren und das Hundeshagener-Kochum sprachen, um die Jahrhundertwende nach Münster/Klein-Wolbeck gezogen. (Genaue Belege fehlen mir leider noch!)

Mehr Masematte gibt es in Marions Buch: Mehr Massel als Brassel. Endlich Masematte verstehen und einen toften Lenz hegen. agenda Verlag, 2018. 9,90 €

Übrigens: Die nächste Masematte-Musiklesung „Mehr Massel als Brassel“ mit Martje Saljé findet am 24.5.19 um 19 Uhr im Hiltruper Museum statt. Karten im Vorverkauf in der Hiltruper Buchhandlung. 

2 Kommentare

    1. Tach.
      Ich bin auf der Suche nach einem Masematte-Übersetzer auf diese herrliche Kolumne gestoßen und muss zugeben, ohne das Glossar war es für mich, mit meinen 42 Jahren, schon recht schwer, den gesamten Text zu verstehen. Dennoch finde ich so einige Begriffe auch in meinem alltäglichen Sprachgebrauch wieder und ich musste unumgänglich in Erinnerungen meiner Kindheit schwelgen, da meine Großeltern u. mein Vater glücklicherweise immer wieder (mein Vater auch heute noch) Teile dieser Sprache an meine ältere Schwester und mich weitergegeben haben :-)
      Deshalb ein großes Dankeschön für diesen kleinen Moment an Erinnerungen, die der Text in mir hervorgerufen hat. Die Kolumne ist toll zu lesen und macht Lust auf mehr Eigenrecherche und Geschichten in Masematte.
      Auch 4 1/2 Jahre nach dieser Veröffentlichung…herzlichen Dank für Ihren Beitrag und diese Kolumne und alles Gute für Sie. Ich freue mich, noch mehr von Ihnen und Ihren Texten zu hören bzw. zu lesen.
      Liebe Grüße aus Stemmert…

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