„Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ Der Schauspieler Eidinger kam zu Besuch ins Schloßtheater, um den Dokumentarfilm über ihn persönlich vorzustellen

Lars Eidinger (li.) mit Max Neumann vom Schloßtheater. (Foto: Bastian E.)
Lars Eidinger (li.) mit Max Neumann vom Schloßtheater. (Foto: Bastian E.)

Kaum einer der aktuellen deutschen Schauspieler polarisiert so sehr wie Lars Eidinger, ob auf der Bühne oder vor der Kamera, ob als Frauenmörder Kai Korthals im Kieler „Tatort“, als Bertolt Brecht in dem Film „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ oder als Stern-Reporter Gerd Heidemann in der Dramaserie „Faking Hitler“. Der Dokumentarfilm „Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ hat nun aber den Schauspieler selbst zum Thema. Gestern stellte Eidinger den Film, der seit letzter Woche in den Kinos läuft, im Schloßtheater Münster vor – und stellte sich den Fragen des Publikums.

Lars Eidinger begrüßt mich per Handschlag und fragt: „Wie ist denn die Stimmung im Saal?“. „Prima“, antworte ich und er geht sich direkt selbst davon überzeugen und setzt sich, fast unerkannt, einfach ins Publikum. Auch später lässt Eidinger sein Publikum nah an sich heran, vorzugsweise von links, denn das sei seine schönere Seite.

Regisseur Reiner Holzemer, der seit 1983 als Dokumentarfilmregisseur arbeitet, begleitete Lars Eidinger neun Monate mit der Kamera. Alles war erlaubt, nur das Eigenheim und die Familie tabu. „Vertraglich hätte ich das Schlimmste allerdings herausschneiden lassen können“, erzählt uns Lars Eidinger.

Schon die erste Szene im Film, ein Telefoninterview in der Limousine auf der Autobahn, lässt ein wenig die Komplexität des Künstlers erahnen. Stets missverstanden möchte man meinen. Er wirkt eher differenziert und intelligent, da Lars Eidinger in seiner Arbeit Visionen verwirklichen möchte. Dafür bedarf es Handwerk beim Einsatz von Emotionen, Gestik, Mimik und Stimme und einer enormen Körperlichkeit. Diese Präsenz auf der Bühne ist ziemlich einzigartig, manchmal bedrohlich und laut. Rampensau wäre zu kurz gegriffen, Genie und Visionär trifft es besser.

Lars Eidinger stellte sich ausdauernd den Fragen des Publikums. (Foto: Bastian E.)
Lars Eidinger stellte sich ausdauernd den Fragen des Publikums. (Foto: Bastian E.)

Dieses Können wird in einer Szene des Films besonders deutlich, als Lars Eidinger während einer Bühnenprobe unter der Regie von Michael Sturminger der Kragen platzt: „Ich versetze mich hier in existenzielle Todesangst für meine Rolle und ihr quatscht da einfach am Bühnenrand?“ Verkürzt im Film dargestellt, in der Realität fast 45 Minuten lang, folgt eine hitzige und lautstarke Diskussion über das Zusammenspiel von Darsteller und Theaterregisseur. „Mama und Papa streiten halt manchmal“, war schließlich die kurze Entschuldigung. „Und ich versichere euch, ich habe in meinem ganzen Leben höchstens zwei bis drei Mal überhaupt jemanden so angeschrien“, versicherte Lars Eidinger dem Publikum im Schloßtheater.

Eben diese Szene zeigt vor allem die Professionalität Eidingers, der auf der Bühne vor allem eins nicht macht: sich selbst schonen. Ob bis zur Unendlichkeit entstellt, das Gesicht komplett verheult oder von Matsch verdreckt – Gläser und Tische gehen zu Bruch, wenn Lars Eidinger performt. Wieviel ist Drehbuch und was improvisiert in solchen Szenen? Aus manchen geschockten Gesichtern seiner Schauspielkollegen spricht, dass oft letzteres der Fall zu sein scheint. Dafür feiert ihn sein Publikum und das zu Recht.

Der Abspann lief, der Applaus setzte ein und schnellen Schrittes bahnte sich Lars Eidinger im Schloßtheater den Weg zur Bühne. Moderiert von Theaterleiter Max Neumann stellte er sich den Fragen des begeisterten Publikums – über eine Stunde lang.

Eidinger suchte auch anschließend im Foyer den Kontakt zu den Fans, für Autogramme, Selfies oder ein kurzes Gespräch. (Foto: Bastian E.)
Eidinger suchte auch anschließend im Foyer den Kontakt zu den Fans, für Autogramme, Selfies oder ein kurzes Gespräch. (Foto: Bastian E.)

„Der Schuh ist für mich fundamental“, angesprochen auf das für ihn wichtigste Arbeitsmittel auf der Theaterbühne. „Es gibt einfach keine Kultur des Scheiterns mehr“, als Grund für unter anderem seine Tränen während der damaligen Pressekonferenz zum Film „Persischstunden“ (2020). „Die Leute warten irgendwie generell, glaube ich, bei mir so auf den Moment‚ wann macht er endlich wieder einen Fehler? Darum bin ich auch nicht mehr auf Instagram, das ist ein toxisches Medium.“ Ob er im Alltag auch so eine starke Persönlichkeit sei, oder ob er Rolle und Privatmensch trennt, wollte eine Zuschauerin wissen. „Auf der Bühne bin ich frei“, war die Antwort. „Da erreiche ich einen ganz anderen Grad an Emotionalität. Ich werde auf der Bühne ich selber.“

Nicht nur im Saal nahm sich Lars Eidinger viel Zeit für sein Publikum, sondern suchte auch anschließend im Foyer den Kontakt. Autogramme, Selfies, ein kurzes persönliches Gespräch. Schnell habe ich in unserer Unterhaltung festgestellt, dass wir beide ganz große Tim Burton Fans sind. Als ich Lars auf sein kürzliches Treffen mit Danny Elfman auf dem New York Film Festival ansprach, leuchteten seine Augen. „Ein ganz großer Komponist und im Zusammenspiel mit Regisseur Tim Burton unerreicht. Mit Tim Burton habe ich übrigens auch schon zusammengearbeitet, bei Dumbo“. Ein Elefant blieb also im Raum, ein interessanter und vor allem doch sehr nahbarer.

„Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ läuft seit dem 23. März in den Kinos.

 

 

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