* Triggerwarnung: Eventuell können einige Passagen und Bilder in diesem Artikel verstörend wirken. Wir haben uns große Mühe gegeben, die Worte achtsam zu wählen. *
Wenn man Abschied von einer geliebten Person nimmt, bleiben Erinnerungen, an die man zurückdenken kann. Anders ist das bei einem Leben, das keine Chance hatte, diese Erinnerungen zu schaffen, weil es bereits nach einem Augenblick endet. Um diese kurze Zeit in eine handfeste Erinnerung zu wandeln, bemühen sich die ehrenamtlichen Fotografinnen und Fotografen von „Sternenkinder Münster“ um tröstende Bilder. Unsere Autorin Sonja Rohe traf die Fotografen Anne Knoke und Daniel Kluger zum Interview.
Es wird werdenden Mütter geraten, bis zur 12. Schwangerschaftswoche zu warten, bevor man allen von den freudigen Nachrichten berichtet. In dieser ersten Zeit ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt sehr hoch. Jede sechste Frau in Deutschland hat bereits diese Erfahrung hinter sich. Umso größer sind die Bedenken bei der nächsten Schwangerschaft und die glücklichen Gesichter nach der Geburt, wenn der Arzt zum gesunden Kind gratuliert. Es gibt aber auch die Art von Nachrichten, die werdende Eltern wie in ein tiefes Loch stürzen lässt. Wenn es zu einer Diagnose kommt, bei der dem ungeborenen Kind eine geringe oder sogar keine Lebenschance eingeräumt wird. Diese Kinder, welche im Mutterleib oder kurz nach der Geburt versterben, nennt man „Sternenkinder“.
Die Organisation „Sternenkinder Münster“ besteht derzeit aus fünf Personen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses kurze Leben für die Ewigkeit festzuhalten. Die Fotografinnen und Fotografen arbeiten dabei ehrenamtlich und für die Eltern dieser Sternenkinder ohne jegliche Bezahlung. „Sobald der Wunsch da ist, fahren wir hin“ gibt Anne Knoke zu verstehen. Es gibt nur eine Chance, die Bilder zu machen. Viele fragen sich, ob es ethisch in Ordnung ist, von verstorbenen Kindern Fotos machen zu lassen. Ob diese dann im nächsten Monat, in einem Jahr oder gar nicht betrachtet werden, sei in dem Moment nicht wichtig, sagt Knoke. Es gebe oft genug Eltern, die es im Nachhinein bereuen, keine Erinnerungsstücke von diesem Familienmitglied gemacht lassen zu haben.
Knoke und Kluger haben sich mit zwei weiteren Fotografinnen im Jahr 2021 von einer größeren Organisation getrennt, um gezielter in Münster agieren zu können. Solche Einsätze müssen zumeist sehr spontan und schnell erfolgen. Dafür gibt es ein System, welches ankommende Anrufe von Eltern oder auch Hebammen direkt an die Fotografen sendet. Nach kurzer Rücksprache, wer den Einsatz übernehmen kann, erfolgt eine Rückmeldung. Hier erfolgen dann neben den Ort- und Zeitangaben, lediglich die wichtigsten Informationen; in welcher Schwangerschaftswoche sich das Sternenkind befindet und ob es zu Fehlbildungen gekommen ist. Informationen, mit denen sich die ehrenamtlichen Fotografen dann ein wenig auf die kommende Situation einstellen können. Sie fahren nicht nur zu Kliniken, sondern auch zu den Betroffenen nach Hause, zum Bestatter oder auch zu Trauerfeiern. Und das auch an Feiertagen.
Ob Familienporträts gewünscht werden oder ein bestimmtes Stofftier mit abgelichtet werden soll, erfolgt auch nach Wünschen der Eltern. Passende Kleidungsstücke werden von dem Nähverein für Sternenkinder zur Verfügung gestellt. Darunter Mützen, Bodys bis hin zu Socken. Es gibt aber auch Einsätze, bei denen selbst die kleinste Kleidung noch zu groß ist, hier wird auf eine Art Schlafsack zurückgegriffen, um das Sternenkind schützend betten zu können.
Nach einer kurzen Bearbeitungszeit erhalten die Eltern ein Päckchen mit einer kleinen Auswahl an ausgedruckten Bildern, einem USB-Stick, auf dem sämtliche Fotos gespeichert worden sind, sowie einer persönlichen Nachricht der Fotografin, oder des Fotografen. „Die Erinnerungsstücke werden so versendet, dass die Eltern entscheiden können, ob und wann sie sich die Bilder ansehen möchten“ so Daniel Kluger. Alle Fotos werden gespeichert, um bei Verlust neue Abzüge anfertigen zu können. „Es wäre schön, wenn wir zu jedem Sternenkind gerufen würden. Es gibt nur diese eine Chance und viele Eltern, die sie nicht genutzt haben, bereuen es später. Auch wenn man die Bilder vielleicht nie anschaut – wichtig ist nur, dass es sie gibt.“ berichtet Knoke.
„Sternenkinder Münster“ sucht aktuell noch Fotografen, sowie eine/n Koordinator/in. Die Bewerberinnen und Bewerber sollten empathisch sein, psychisch belastbar und ein gutes Auge für Fotografie haben. Des Weiteren werden Spenden benötigt, um Materialien wie Flyer, USB-Sticks oder Abzüge finanzieren zu können.
Weitere Informationen und Kontakt unter sternenkinder-muenster.de oder telefonisch unter 0251-59065718.
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