Mit dem Minifestival „Jazz Inbetween“ wurde am vergangenen Sonntag wieder einmal die einjährige Pause zwischen den Terminen für die große Schwester Jazzfestival Münster unterbrochen. Ebenfalls schon traditionell, waren die Karten für das Theater Münster im November bereits nach wenigen Stunden ausverkauft. Erstaunlich, dass sich Veranstalter Fritz Schmücker darüber immer noch wundert. Das von ihm zusammengestellten Programm ergab eine kleine Weltreise, für die niemand den gemütlichen Sitz verlassen musste. Das Quartett um den Schlagzeuger Eric Schaefer löste für die Zuhörer ein „Ticket to Osaka”, mit dem Trio Mopo ging es mit dem Moped nach Finnland und das Vadim Neselovskyi Trio war aus New York gekommen, um die Grenzen zwischen Jazz und Klassik zu überschreiten und uns von Reisen in die Ukraine und durch Russland träumen zu lassen.
Das finnische Trio Mopo hatte Fritz Schmücker schon länger auf dem Zettel gehabt und seit 2012 immer wieder erfolglos eingeladen, was für ihn eher ungewohnt ist, wie er zugab. Das Warten hat sich aber gelohnt, die drei mit „um die dreißig“ Jahren für Jazz immer noch jungen Musiker wickelten das Publikum ihm Nu mit ihrem Charme ein, wozu die auf Deutsch mit starkem finnischen Akzent vorgetragenen Moderationen vom Bassisten Eero Tikkanen erheblich beitrugen. Und sie rüttelten alle mit manchmal ziemlich rockigen Rhythmen wach. Wohl weil sie das mit einer frechen, fast rotzigen Attitüde vorbrachten, wird ihnen immer wieder das Etikett „Punk Jazz“ aufgeklebt. So richtig passen tut das aber nicht, denn ihre Bandbreite ist viel größer, auch sehr ruhige, traditionelle Lieder der skandinavischen Folklore haben sie im Repertoire. Oder ein Lied mit dem irreführenden Titel „Hevi Metal“, bei dem Linda Fredriksson das eingängige Thema sogar gleichzeitig ins Bariton- und Altsaxofon blies, bevor sie mit einem energiegeladenen und nahezu atemlosen Altsax-Solo in Richtung Free Jazz abbog.
Das gut besuchte Festival im Theater Münster schien die Band zu beeindrucken. „It’s nice to see you all here. You are so … many,“ sagte Drummer Eeti Nieminen schleppend und mit unüberhörbarem Akzent. Nicht nur beim Film, auch in der Musik sind also die Finnen für das Kauzige und Verschrobene zuständig. Das zeigten sie besonders am Ende ihres kurzweiligen Auftritts mit Liedern, die lautmalerisch von „Opas Moped“ und „Opas Toilette“ handelten, wofür sie immer mehr Spielzeuginstrumente hervorholten oder das Schlagzeug mit einem gelben Gummihuhn traktierten, bis Eero Tikkanen dieses zum Finale in hohen Bogen ins Publikum warf. Als Zugabe gab es dann endlich ihre aktuelle Single „Tökkö“ vom demnächst erscheinenden Album „Mopocalypse“. Wer will, kann aus diesem nahezu tanzbaren Lied mit Trash-Hit-Potential heraushören, dass die Band sich nach dem Moped von Linda Fredriksson benannt hat. Es gibt sogar ein YouTube-Video, in dem die drei auf diesen irgendwie aus der Zeit gefallenen Fahrzeugen durch einen finnischen Steinbruch düsen. Und es gibt den Song auch auf Vinyl-Single, die neben den CDs und LPs aller bei „Jazz Inbetween“ auftretenden Musiker im Foyer des Theaters angeboten wurde.
Eine der gesuchten Tonträger an dem Abend stammte von Eric Schaefer, der vor ein paar Monaten das Album „Kyoto Mon Amour“ auf dem Label ACT herausgebracht hat, mit dem er eine Brücke zwischen westlicher und fernöstlicher Musik schlägt. Mit dem Klarinettisten Kazutoki Umezu hatte der Schlagzeuger einen seiner japanischen Mitstreiter dieses Projektes nach Münster mitgebracht. Trotzdem klang ihr Konzert, das den Abend eröffnete, weniger asiatisch als von vielen erwartet. Dennoch weckte es die Lust, die alte Kulturlandschaft Kansai einmal selbst zu erleben. Denn Eric Schaefer schilderte ausführlich seine Wanderungen am Berg Hiei-zan oder die Unterschiede zwischen der erhabenen Kaiserstadt Kyoto und der quirligen, lauten Hafenstadt Osaka. Andere Lieder drehten sich um Kalligrafie oder um schlichten Moos. Durch die Erläuterungen geriet der Auftritt des Quartetts fast zu einer Reisereportage, die nur gelegentlich von Musik unterbrochen wurde. Die war allerdings äußerst gefühlvoll, es fiel überhaupt nicht auf, dass der Bandleader ein Schlagzeuger ist. Als solcher spielte Schaefer sich auch gar nicht in den Vordergrund, sondern überließ die Führung mal seinem Gast Kazutoki Umezu, der hin und wieder auch zur Bassklarinette griff, und mal der Pianistin Ulrike Haage, die auch die Musik zu dem Spielfilm „Grüße aus Fukushima“ von Doris Dörrie geschrieben hat. Die vier Musiker zeigten sich sowohl als Einheit, wie als gleichwertige Solisten, das gilt auch für Schaefers langjährigen Partner, den Bassisten Oliver Potratz.
Ganz anders wirkte dagegen das Vadim Neselovskyi Trio, das den Abend abschloss. Hier stand der namengebende Pianist eindeutig im Mittelpunkt, über lange Passagen wirkte es wie ein Solo-Konzert. Seine hervorragend darauf eingespielten Begleiter beschränkten sich – bis auf ein paar obligatorische Soli – darauf, Vadim Neselovskyi oft erst nach der Hälfte eines Liedes groovend und swingend zu begleiten. Ihnen zuliebe sprach er aber seine Moderationen auf Englisch. Das behauptete Vadim Neselovskyi jedenfalls, nachdem er bewiesen hatte, dass er immer noch gut deutsch spricht. Schließlich hatte seine persönliche Reise in den Westen ihn 1995 zunächst zusammen mit seinen Eltern von der Ukraine nach Unna-Massen geführt, Münster und Dortmund sind ihm seitdem vertraut. Auf dem renommierten Berklee College of Music in Boston lernte er dann seine Mitstreiter kennen, den aus Israel stammenden Schlagzeuger Ronen Itzik und den Bassisten Dan Loomis aus Saint Louis. Die Inspirationen für seine Musik nahm Vadim Neselovskyi jedoch aus der Ukraine und aus Russland, wobei die Grenzen zwischen Jazz und Klassik und ein bisschen Folklore immer mehr verschwammen. Es wurde dabei nicht deutlich, ob er seine Stücke auskomponiert hat oder sie größtenteils wie einst Keith Jarrett improvisierte. Häufig setzte er lange Pausen, ließ dabei seine Hand in der Luft schweben, bis sie sich, einem Greifvogel gleich, plötzlich wieder in die Tasten stürzen durfte.
Wer diese musikalische Weltreise im Theater Münster verpasst hat oder sie noch einmal erleben möchte, sollte am 9. und 16. Februar das Radio einschalten und auf WDR 3 drehen. Dort werden an diesen beiden Freitagen jeweils von 20:04 bis 22:00 Uhr nahezu die gesamten Konzerte von „Jazz Inbetween 2018“ zu hören sein. Und für das nächste Jahr verhieß Veranstalter Fritz Schmücker etwas großes, als er auf das vierzigjährige Jubiläum des Jazzfestivals Münster hinwies, das vom 4. bis zum 6. Januar 2019 stattfinden wird.
Auf der gut gepflegten Hompage des Jazz Festival Münster ist zu erfahren, wie es mit dem Jubiläum im nächsten Jahr weiter geht, außerdem findet ihr hier Links zu weiteren Fotos und Artikeln zu Jazz Inbetween 2018: www.jazzfestival-muenster.de
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