Kaum zwei Wochen vor dem Konzerttermin angekündigt und in wenigen Minuten ausverkauft – wenn Die Ärzte rufen, dann kommt Münster. Und neben einer Ahnung von Gewitterluft liegt auch jede Menge Vorfreude in der Luft. Bei drückend spätsommerlicher Witterung füllt sich der Platz vor der Halle Münsterland schon lange vorm Einlass mit schwitzenden Menschen, die nach und nach in die Halle geschleust werden.
Das verspricht in jeglicher Hinsicht ein feuchtfröhlicher Abend zu werden, denn auch in der Halle selber sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit eigentlich jenseits des Erträglichen. Wer seinen Durst mit den reichlich feilgebotenen Getränken löschen und sich so ein wenig Abkühlung verschaffen möchte, wird auf dem Rückweg zumindest nicht mehr von einem schweren Portemonnaie belastet (sind sechs Euro plus Pfand für einen Becher Bier eigentlich noch Punkrock?). Oder man wird Bassist bei „Die Ärzte“, dann kann man sich auch einen praktischen Kühlschrank in das Gehäuse der Bassbox einbauen lassen – sicherlich das Neidobjekt des Abends.
Pünktlich um 20:00 Uhr betreten Die Ärzte die Bühne und machen mit „Wir-haben-eure-Stadt-verwechselt-oder-einer-falschen-Region-zugeordnet“-Witzen klar, wo das Humorlevel des Abends liegt. Musikalisch geht die Reise jedoch erfreulich breit gefächert durch alle Schaffensphasen der Berliner, mit „Paul“ und „Popstar“ geht es sogar in die Frühphase vor der zeitweisen Auflösung der Band zurück. Eröffnet wird jedoch mit dem vergleichsweise neuen „Wer verliert, hat schon verloren“ vom 2020er Album „Hell“, aus dem es später auch noch die nachdenklich stimmende Single „Ich, am Strand“ zu hören gibt. In eine ähnliche Richtung geht das etwas optimistischere „Lied vom Scheitern“, bevor mit „Ein Lied für dich“ einer der großen Fanfavoriten ausgepackt wird.
Bei „Die Banane“ zeigt Multiinstrumentalrod sein Können an gleich mehreren Instrumenten gleichzeitig, bevor es „Kopfüber in die Hölle“ geht. Ohnehin wird nicht mit Hits gegeizt, aber das müssen Die Ärzte nach über 40 Jahren Bandgeschichte auch nicht. Es werden jedoch auch einige Raritäten älteren („Trick 17 m.S.“), mittleren („Anti-Zombie“) und neueren („Leben vor dem Tod“) Datums heraus gekramt. Der „Sommer nur für mich“ weckt dann Sehnsüchte nach Eis und einer Welt mit etwas weniger besorgniserregenden faschistischen Tendenzen, scheint doch im Moment die politische Sonne erschreckend hell für rechte Umtriebe. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, etwas genauer auf den Text von „Deine Schuld“ zu hören. Eventuell kann dann irgendwann wieder unironisch „Hurra!“ gerufen werden.
Etwas Gymnastik gibt es bei „Unrockbar“, wobei sich an einigen Stellen („Knie, Rücken, Bauch“) zeigt, dass die Fans mit der Band gealtert sind und nicht mehr jedes Körperteil so will, wie in den Neunzigern. Erst nach über zwei Stunden geht es in den Zugabenteil, in dessen Verlauf sich Die Ärzte mehrfach auf die Bühne zurückbitten lassen. Nach den obligatorischen Gassenhauern „Wie es geht“, „Junge“ und „Schrei nach Liebe“ endet der Abend dann erfreulich krawallig mit „Dauerwelle vs. Minipli“. Der „Herbst des Lebens“ der Ärzte ist also ein recht heißer, vielleicht trifft „Altweibersommer“ es noch ein wenig besser. Und nach Rentenalter fühlt sich der Abend weder bei Band noch beim Publikum an, schließlich halten alle Beteiligten fast drei Stunden in tropischem Klima aus.
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