„Das ist gelebte Demokratie“, meinte Initiator Fritz Schmücker gestern sichtbar stolz, als wir ihn am Rande der Kopfhörerparty vor dem Rathaus trafen. „Gesungene Demokratie“, möchten wir nach unserem Besuch hinzufügen. Denn je weiter der Abend fortschritt, desto inbrünstiger haben die vielen Menschen auf dem Prinzipalmarkt die Hits mitgesungen, die von den DJ-Pulten direkt auf die Funkkopfhörer gesendet wurden.
Zwischen drei Kanälen konnten sie wählen und diese Wahlmöglichkeit wurde fleißig genutzt, denn die DJs der Clubs „Heaven“ und „Cuba Nova“ lieferten sich auf der Bühne vor Ort einen Battle mit dem Moderatorenteam Malena Stöhler und Jonas Menke aus dem Studio von Antenne Münster, wer denn wohl den größten Party-Hit spielt. 6000 Funkkopfhörer standen zur Verfügung und limitierten damit auch den Zugang. Den ganzen Abend über standen aber Interessierte an den drei Eingängen Schlange, um einen davon zu ergattern und mitfeiern zu können. Schließlich blieb nicht jeder von 20 bis 2 Uhr dort.
Die Atmosphäre dabei war ausgesprochen friedlich und fröhlich. Für manche auch ein wenig überraschend, wie ein Gerät, das sonst eigentlich für den individuellen Konsum von Musik gedacht ist, so viel Gemeinschaft stiften kann. Und wer mit Freunden unterwegs war oder zufällig Bekannte traf, nahm die Kopfhörer schon mal ab, um gemeinsam ein Bier zu trinken oder in Ruhe zu quatschen. Schließlich störte dabei keine laute Musik aus Lautsprechern, sondern höchsten der Gesang der Umstehenden.
Munter wechselten die vielen Besucher und vor allem Besucherinnen der Kopfhörerparty schnell vom blauen Kanal auf den grünen oder roten, wenn da ein noch besseres Lied zum Mitsingen einlud. Denn es war ja für jeden an den leuchtenden Kopfhörermuscheln erkennbar, welchem DJ-Programm man gerade folgte. So war durch ein Wechsel der Farbe für den gehörten Kanal rundherum zu sehen, welches DJ-Team gerade für die größte Stimmung sorgt.
Vor 15 Jahren: „Laut Schnarchen und leise feiern“
Mögen es zu Beginn die aktuellen Hits von Taylor Swift oder moderne Partyschlager wie das Lied vom Delfin in der Bauchtasche gewesen sein, die besonders viele zum Mitsingen bewegten, waren es später die oft schon jahrzehntealten Klassiker von Abba, Nena oder Queen. An den lauten Gesängen ließ sich auch für Außenstehende gut erkennen, welches Lied gerade besonders gut ankam und zum Feiern und zum lautstarken Mitsingen unter freiem Himmel einlud. Dass man seine eigene Stimme unter dem Kopfhörer kaum hören konnte, machte das für viele einfacher. Natürlich gab es auch echte Club-Musik, die eher zum Tanzen als zum Mitsingen geeignet ist, aber die trat dagegen zeitweilig in den Hintergrund.
Eigentlich war es mal als eine leise Tanzparty geplant, als Fritz Schmücker in seiner Funktion als stellvertretender Leiter von Münster Marketing vor 15 Jahren seine Schreibtischidee erstmals unter dem Motto „Laut Schnarchen und leise feiern“ in Münster umsetzte, damals noch im Rathausinnenhof. Tatsächlich war dann über Lautsprecher hin und wieder ein lautes Schnarchen zu hören, um die ruhebedürftigen Nachbarn in der Innenstadt darzustellen, erzählte Schmücker uns schmunzelnd. Die Musik aber kam wie auch gestern von Funkkopfhörern, die 2009 noch eigens in England ausgeliehen werden mussten, weil es dafür in Deutschland noch keinen Anbieter gab.
In den folgenden Jahren veranstaltete die Stadt solche Partys dann an unterschiedlichen Orten, zuletzt am Vorabend der Europawahl 2019. Die soll laut Schmücker auch zukünftig den Termin und das Motto für eine solche große Kopfhörerparty vorgeben. Dazu passend waren wie auch schon beim letzten Mal das Rathaus und die Giebelhäuser am Prinzipalmarkt in blaues Licht getaucht, auf dem der der Sternenkreis, das Symbol der Europaflagge, tanzte. Wer es gestern verpasst hat und nun auch Lust auf eine Kopfhörerparty mit tausenden, gut gelaunten Menschen auf dem Prinzipalmarkt verspürt, muss leider bis zur nächsten Europawahl in fünf Jahren warten.
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