Auch wenn es sich manche anders gewünscht haben: Die Wahlen zum Stadtrat Münster finden wie geplant am 13. September 2020 statt. Denn gestern teilte der in Münster sitzende Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen mit, dass er die Verfassungsbeschwerde gegen die Durchführung der diesjährigen Kommunalwahlen zurückgewiesen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Damit fühlen sich neu gegründete Listen und kleine Parteien, die noch nicht im Rat vertreten sind, benachteiligt. Denn nach den Einschränkungen durch Corona haben sie jetzt nur noch wenig Zeit, um die notwenigen Unterstützungsunterschriften für ihre Wahlvorschläge zu sammeln – und für den Wahlkampf natürlich auch.
„Neue kommunale Wählervereinigungen in NRW, wie unsere Aktive Liste Münster, haben so keine realistische Chance gute Ergebnisse zu erzielen“, ärgerte sich Rüdiger Sagel über das Urteil. Noch bis vor einigen Monaten saß der nun parteilose Ratsherr für die Linken im Stadtrat, im Januar hob er mit einigen Mitstreitern wie dem ehmaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Reiter die kommunalpolitische Vereinigung „Aktive Liste Münster (AKTIVE)“ aus der Taufe. Doch dann kam ihnen die Corona-Krise in die Quere: „Die 11 Tage mehr Zeit um den Wahlvorschlag einzureichen können die 2 Monate Zeitverlust durch den Corona-Shutdown nicht aufholen“, so Sagel. „Und das Weiterbestehen der ohnehin problematischen und als zusätzliche Hürde aufgebauten Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge kostet bei Einhaltung von Hygiene-Regeln und Abstandsvorschriften noch zusätzlich viel Zeit und ist sehr schwierig.“ Für ihn bedroht ein Wahlkampf ohne direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern durch Wahlveranstaltungen, Diskussionsabende oder Hausbesuche sogar die Demokratie: „Vor allem freie und besonders neue Wähler-Listen werden so gegenüber den etablierten Parteien durchaus benachteiligt. Denn um ihre Wähler*innen zu mobilisieren sind kommunale Listen auf den direkten Kontakt besonders angewiesen. Was aber offensichtlich für das OVG als Änderungsgrund nicht ausreichte.“
Ähnlich argumentierte bereits im März der Spitzenkandidat der ebenfalls neuen Wählergruppe „Münster Liste – bunt und international“, Georgios Tsakalidis, als er an die Landesregierung in Düsseldorf appellierte, über die akute Bekämpfung der Corona-Pandemie hinaus zu denken: „Es wird einige Zeit brauchen, bis das öffentliche Leben wieder so läuft, wie es für ein demokratisches Miteinander notwendig ist. Aus der Krise direkt in den Wahlkampf zu stürzen, wäre für die Menschen sicherlich nicht die beste aller Lösungen.“ Deshalb forderte zur gleichen Zeit auch Werner Szybalski, der die Liste Münster – bunt und international mitbegründet hat, den Wahltermin zu verschieben: „Durch eine Verschiebung der Kommunalwahl würde den engagierten Menschen der Druck genommen. So könnten auch sie der Krise mit der notwendigen Gelassenheit begegnen und den Schutz – gerade der besonders gefährdeten – Menschen in den Mittelpunkt stellen.“
Solidarisch zeigte sich im März die ÖDP, die zwar auch eine kleine Partei ist, aber bereits im Rat vertreten ist und daher keine Unterstützungsunterschriften benötigt: „Wir beobachten mit großer Sorge, dass in Münster einige neue Mitbewerber für die Kommunalwahl derzeit keine Aufstellungsversammlungen und wohl auch keine Unterschriftensammlungen durchführen können. Der Wahlantritt wird dadurch sehr deutlich erschwert“, stellte der OB-Kandidat der ÖDP, Michael Krapp, vor drei Monaten fest. „Rein taktisch hätte das Beibehalten des Wahltermins für uns sicher Vorteile. Wir sehen aber das demokratische Recht neuer Parteien und Gruppierungen zur Teilnahme an der Wahl derzeit massiv eingeschränkt.“ ÖDP-Spitzenkandidat und Ratsherr Franz Pohlmann forderte im März daher vom Landeswahlleiter eine Verschiebung der Wahlen um exakt den Zeitraum, wie lange die Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufrecht erhalten werden müssen, damit die Chancengleichheit gewahrt bleibe.
Ein wenig ist die Landespolitik den Forderungen entgegen gekommen. Und das hat den Verfassungsrichtern in Münster nun gereicht: Das Gericht begründete sein Urteil nämlich damit, das Landesinnenministerium habe am 3. Juni mit dem „Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020“ auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die anstehenden Kommunalwahlen reagiert. Dadurch wurde die Frist für das Einreichen der Wahlvorschläge um 11 Tage verlängert, sie müssen nun bis zum 27. Juli statt wie bisher geplant bis zum 16. Juli beim Wahlleiter eingereicht werden. Außerdem wurde „die Anzahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften für Wahlbezirksvorschläge und Reservelisten auf 60 % des sonst erforderlichen Quorums gesenkt.“
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