Im Allwetterzoo Münster scheint die Welt noch in Ordnung. Die beiden Springtamarine, eine Primatenart aus der Familie der Krallenaffen, die von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als „gefährdet“ gelistet ist, haben erneut Zuwachs bekommen.
„Wir sind sehr stolz, dass das alles so gut geklappt hat und der kleine Affe wohlauf ist“, erklärt Miriam Göbel. Sie ist Kuratorin im Allwetterzoo und unter anderem für die Primaten zuständig. „Es hat eine Weile gedauert, bis wir einen Zuchterfolg hatten. Luna und Noctus wurden bereits Ende 2020 zusammengeführt. Doch das Warten hat sich gelohnt; ihr erstes Jungtier Pichico ist nun schon groß genug, um bei der Aufzucht des Neugeborenen zu helfen. Die vier zusammen sind schon goldig.“ Springtamarine leben im westlichen Amazonasbecken in Südamerika. „Ihr Lebensraum sind Wälder, wobei siePrimärwälder und Bambuswälder bevorzugen und von
Menschen berührte Gebiete oft meiden“, so die Kuratorin. Die Tiere kommen nach derzeitigem Stand der Forschung nur fleckenhaft vor. Zudem ist es besonders schwer die flinken Tiere in dem dichten Grün ihres Lebensraumes zu finden und zu zählen. So ist es selbst in dem vergleichsweise gut zu überschauenden Gehege im Allwetterzoo Münster gar nicht so einfach, die Tiere zu beobachten. Mit ihrem glänzenden Fell und mit ihren Knopfaugen sind sie sympathische Botschafter für ihren natürlichen Lebensraum. Doch das allein reicht nicht aus.
Gefahr durch Goldmining
Wenn im Kontext mit diesen Tieren von einer goldenen Zukunft gesprochen wird, ist das nicht positiv gemeint. Neben der Rodung der Regenwälder setzt auch ein anderer Wirtschaftszweig den kleinen Primaten arg zu und bedroht sie sowie ganze Ökosysteme. Es geht um das sogenannte „Goldmining“. Hierbei sind aber weniger die großen internationalen Tagebauunternehmen gemeint, gleichwohl sie mit ihren offiziellen Schürfungslizenzen ebenfalls ganze Regionen bedrohen und zerstören. Es sind vor allem die vielen kleinen Minen, die Schürfer einzeln oder in Kleinstgruppen und meist illegal betreiben, die die Natur massiv schädigen. Auch die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) ist sich der Problematik des Goldmining bewusst und versucht den negativen Entwicklungen mit Aufklärung und Forschung entgegenzuwirken. Sie agiert dabei sowohl von ihrem Hauptsitz in Frankfurt am Main aus, hat aber auch Experten vor Ort. „Peru hat Großbergbau in den Anden, aber im Amazonasgebiet wird hauptsächlich Goldwaschen betrieben. Obwohl das eher nach geringer Aktivität klingt, wissen wir, dass die Auswirkungen gewaltig sind“, sagt Dr. Antje Müllner, ZGF-Referatsleiterin für Südamerika. „Der konstant hohe Goldpreis lockt immer mehr illegale Goldwäscher. Sie zerstören den
Regenwald und gefährden ihr eigenes Leben sowie die Leben dritter.“ Dabei ist der wirtschaftspolitische Schaden enorm. „Die illegalen Goldwäscher verkaufen ihr Gold an Zwischenhändler. Diese an den nächsten Zwischenhändler und so weiter. Irgendwo in diesem Geldwäsche-Prozess wird es „legal“, beschreibt die ZGF-Referatsleiterin den Weg vorbei an den offiziellen Schürfgenehmigungen. Damit Goldsucher auch in die abgelegensten Ecken gelangen, benötigen sie eine Infrastruktur. Und je besser diese ist, umso mehr „Glücksritter“ kommen. So gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie sich tropische Wälder innerhalb kürzester Zeit in kahle, tote und verseuchte Mondlandschaften verwandeln. Provisorische Siedlungen bringen zudem Zivilisationsprobleme wie Müll, Kriminalität oder Krankheiten, wie zuletzt Covid-19, direkt zu den indigenen Bewohnern und in die Ökosysteme. Zudem folgen den Forst- und Minenarbeitern Wilderer, die Tiere für den lokalen und regionalen Fleischkonsum und den illegalen Wildtierhandel jagen. Daher sind sich Experten einig, dass ohne vorbereitende und begleitende soziale sowie ökonomische Maßnahmen, Umwelterziehung und Naturschutzbemühungen mit dem Bau einer Straße eine fatale Abwärtsspirale für die Natur beginnt. Aktuell hat die ZGF die Sorge, dass eine solche Straße in direkter Nähe des größten peruanische Naturschutzgebietes, dem Manú Nationalpark, gebaut werden könnte. Schon dadurch gerät das Gebiet und damit die dort lebenden Springtamarine deutlich unter Druck. Manú liegt im südöstlichen Peru und spannt sich über drei Vegetationsstufen, was seine Biodiversität besonders spannend und vielfältig macht. Das Areal des UNESCO-Weltnaturerbes umfasst fast 19.000 Quadratkilometer. In diesem noch sehr schwer zugänglichen Gebiet forscht und arbeitet unter anderem die ZGF. „Eine infrastrukturelle Erschließung dieser Region hätte katastrophale Auswirkungen auf die Natur“, sind sich die Experten einig.
Illegale Goldwäsche
Neben dem Holzeinschlag, der sofort erkennbare Spuren in der Landschaft hinterlässt, hat dann auch die illegale Goldwäsche entlang der Flüsse einen großen negativen Einfluss auf die erschlossenen Gebiete. Das hat vor allem etwas mit der Art der Goldgewinnung zu tun. Der gefährliche Helfer der Goldwäscher heißt hierbei Quecksilber. Das giftige Schwermetall wird benötigt, um die Goldpartikel aus den Flusssedimenten herauszuholen. „Es handelt sich um das Amalgamierungsverfahren. Die Goldwäscher mischen das Quecksilber mit den goldhaltigen Flusssedimenten. Dabei verbindet sich das edlere Gold mit dem Quecksilber zu der Legierung Amalgam. Diese schwere Legierung sinkt in Waschrinnen zu Boden und kann abgefiltert werden. Dann wird sie erhitzt, so dass das Quecksilber verdampft. Zurück bleibt reines Gold. Dieser Prozess gefährdet aufgrund der giftigen Quecksilberdämpfe stark die Gesundheit der Goldwäscher und ihrer Familien, auch die von Menschen, die in der Nähe leben. Aber das Quecksilber gelangt auch in die Luft und ins Wasser und somit in Ökosysteme und Nahrungsketten“, erklärt Antje Müllner.
Neben Quecksilber gelangen zudem weitere giftige Abfallprodukte wie Arsen, Blei oder Kadmium in die Umwelt. Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass auf diese Weise jedes Jahr rund 100 Tonnen Quecksilber allein in den Amazonas und so auch in Seen, Meere und die Nahrungskette gelangen. Institutionen wie die ZGF wollen daher nicht nur in den Abnehmerländern des wertvollen Edelmetalls für einen besseren, fairen und sauberen Abbau werben. „Zwar existieren bereits Verfahren, die ohne Cyanid oder Quecksilber auskommen, diese sind jedoch relativ aufwändig und eignen sich nicht für alle Golderze“, sagt Müllner. In erster Linie sind aber solche Verfahren für die vielen tausend Goldsucher nicht umsetzbar. „Aus diesem Grund wollen wir den Menschen generelle Alternativen zum Goldabbau aufzeigen. Dafür benötigt es aber eine entsprechende Aufklärung in der Bevölkerung. Sie muss verstehen, dass die von uns aufgezeigten Einkommensalternativen ihnen ein Einkommen und damit ein Überleben sichern.“ Alternativen können im Land- und Forstwirtschaftsbereich liegen. „In Afrika haben wir zum Beispiel mit Mikrokrediten gute Erfahrungen bei der Wilderei-Bekämpfung gemacht. In selbst verwalteten Spar- und Mikrokreditgruppen, den COCOBAs, können die Menschen vor Ort einen kleinen Kredit bekommen. So können sie naturschutzkompatibler ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie eine Baumschule eröffnen oder eine Imkerei aufbauen“, nennt sie Beispiele und betont: „Wichtig ist, dass wir echte Alternativen zum Goldwaschen schaffen, um so Menschen und Natur vor der schleichenden Vergiftung zu schützen. Die Menschen brauchen legale, wirtschaftlich konkurrenzfähige Alternative, um für sich und ihre Familien zu sorgen.“
Fair gehandeltes Gold in Deutschand
Auch in Deutschland können Mechanismen in Gang gesetzt werden, die den Goldabbau drosseln oder den Handel nachhaltiger machen. Die Organisation TransFair bringt zum Beispiel in Deutschland vermehrt fair gehandeltes Gold auf den Markt. Profitieren sollen davon vor allem Kleinbergbauern, die in Konkurrenz zu den Großindustriellen Bergbaumultis Gold schürfen. Doch auch fair gehandeltes Gold wird mittels Quecksilbers oder Zyanid aus dem Gestein gelöst. Dabei müsste Gold eigentlich nicht abgebaut werden. Der Bedarf könnte zu sehr großen Teilen durch Recycling von Altgold gedeckt werden. Allerdings gibt es, laut Berichten der in Münster ansässigen NGO Christliche Initiative Romero, auch im Bereich des Recyclings Optimierungsbedarf. Durch nicht sachgemäße Entsorgung von Elektronikgeräten wie Handys landen allein in Deutschland jährlich rund 350 Kilo Gold mit einem Wert von 9 Millionen Euro im Restmüll. Würde die Wertschöpfungskette optimiert und somit Gold und andere Rohstoffe besser recycelt werden, würden nicht zuletzt Ökosysteme auf der ganzen Welt davon profitieren, und so auch die wilden Verwandten der Münsteraner Springtamarine in Peru. „Natürlich freuen wir uns, wenn wir unseren Beitrag zur Arterhaltung leisten können. Aber noch mehr würde es uns freuen, wenn Arten in ihrem natürlichen Lebensraum unsere Unterstützung gar nicht benötigen würden“, sagt Miriam Göbel. „Wir sollten daher alle mehr darauf achten, woher Rohstoffe für unsere Produkte kommen – und ob wir diese Produkte auch wirklich benötigen.“
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