Zum 27. Mal präsentiert eine bunte Truppe aus Münsters Kleinkunstszene zur Karnevalszeit die beliebte Kabarett-Show „Kappe App“. Die wird, seitdem 2015 der Hauptbahnhof und damit der legendäre Spielort „Kultuschiene“ abgerissen wurde, bei „Lappe“ in der Nieberdingstraße dargeboten. Wir waren am Freitag bei der Premiere und verraten hier ein wenig, was euch dort erwartet.
„Kappe App“ ist nicht wirklich Karneval. Das wird so richtig deutlich, wenn nach gut zwei Stunden zum ersten Mal eine Narrenkappe auftaucht. Klein und etwas schief hängt sie am Kopf von Matthias Menne, der eine Art Büttenrede mit allerlei Bezug zur münsterschen Lokalpolitik hält. Seine Bütt ist eine der neuen Wertstofftonnen und seine Rede ein wenig lahm. Das muss wohl an seinem westfälischen Temperament liegen – das reizt einen echten kölschen Karnevalsjecken natürlich dazu, hier helfend einzugreifen. Den gibt Rolf Heutmann, der Neue im Team von „Kappe App“, mit so viel Verve, wie man es sich nur vorstellen kann. Er trägt natürlich eine wirklich imposante Narrenkappe, nötigt der kleinen Kapelle einen Tusch nach dem anderen ab und bringt das Publikum sogar zum Mitklatschen, als säße es tatsächlich in einer Karnevalssitzung. Ebenso sprachgewandt wie den Rheinländer gibt Heutmann einen Holländer, der sich über so manche Fahrrad-Marotten in Münster amüsiert.
Ja, der Neuzugang ist eine echte Belebung für die bewährte Truppe. Die ist zwar überwiegend männlich besetzt, wird aber von zwei Frauen dominiert. Gabriele Brüning ist auf der Bühne zwar nur hin und wieder in eher kleinen Rollen präsent, zieht aber als Regisseurin die Fäden im Hintergrund. Kornelia Kabbasch wickelt Mitspieler wie Zuschauer mit ihrer Bühnenpräsenz um den Finger und beweist so ganz nebenbei, dass frau dafür nicht besonders groß sein muss. Zusammen glänzen die beiden, als sie die Männer bei der Jägerprüfung in die Mangel nehmen. Die sind vom Nordic-Walking-Stock bis zum Kamerastativ mit allerlei Geräten bewaffnet, nur nicht mit echten Gewehren. Es geht dabei auch nicht auf die Jagd nach Wildbret, sondern auf die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Und gegrüßt wird „mit einem gendergerechten Waidmenschheil“.
Vom Jägergrün geht es bald zum Umweltgrün, denn „Grüner wird’s nicht!“ ist das Motto der aktuellen Show. Hintergrund ist die Gründung der Grünen als Bundespartei vor 40 Jahren, so steht es sogar ausdrücklich im ausliegenden Programmheft. Hinzu kommt der Höhenflug der Ökopartei bei der Europawahl im letzten Jahr und in den jüngsten Umfragen, aber auch so mancher Zwist in Münster. Daraus hätte sich allerdings noch mehr an kabarettistischen Funken schlagen lassen, als nur ein paar leicht zu überhörender Anspielungen zur Lokalpolitik und schaler Witze über den Namen des grünen OB-Kandidaten. Nicht nur mit ihren Bühnen-Klamotten in allen vorstellbaren Grüntönen, sondern auch in vielen Szenen gewinnen die Darsteller dieser Farbe vielfältige Aspekte ab. Eine der schönsten davon ist das Selbstbekenntnis von Michael Tumbrinck als Schrebergärtner, der sich lange über die piefigen Vorgaben seines Kleingartenvereins geärgert hat („Die Natur bleibt, oder der Garten ist weg! An dem Paradox schraub ich heute noch“), aber diese nun vehement gegenüber seinem buddhistischen Nachbarn mit dem Zen-Garten verteidigt.
In anderen Sketchen werden reichlich Sprüche zum Thema geklopft („Kann man das essen oder ist das vegan?“, „Inlandsflüge mach ich nur noch mit der Bahn“) oder Lieder gesungen (besonders schön: „Mein kleines, buntes Münster hält nichts von AfD“ zur Melodie von „Mein kleiner grüner Kaktus“). Eine Szene, in der sich nach und nach alle Männer treffen und Bier trinkend Formel 1 sehen, ist dagegen umweltschädlich und vor allem ohne echten Witz und viel zu lang – eben wie die echte Formel 1. Herrlich skurril sind die meist recht kurzen Zaubershows von Marcello Lang, wo man mitunter um die mehr oder weniger freiwillig mitspielenden Zuschauern bangt. Ebenso skurril sind auch die Lieder von Michael Holz, die er von seinem Platz am Piano aus singt. Mal geht es dabei um Datenmüll, mal um ausschließlich positive Aussagen, wofür der Sänger, der sonst unter dem Pseudonym Kaum Jemand auftritt, das Publikum erfolgreich einspannt.
Noch öfter als Michel Holz wechselt Björn Schimpf von der Bühne zu den Instrumenten weiter links und wieder zurück. Denn Schimpf spielt nicht nur viele Rollen, sondern gehört auch zur festen Begleitband um den Schlagzeuger David Rebel und spielt dort vor allem die E-Gitarre, gelegentlich auch Trompete oder Flöte. Und wenigstens bei der Premiere am letzten Freitag kam Björn Schimpf nicht darum herum, den ewigen Hit der inzwischen 27jährigen Historie von „Kappe App“ zu singen: das Lied vom Fischstäbchen, das immer weiter krabbelt, das vom Publikum lautstark gefordert wurde. Ausdauerndes Rufen nach Zugaben ist auch den Besuchern der noch bis zum 29. Februar folgenden Auftritte anzuraten. Denn nur so kommen sie in den Genuss eines der Höhepunkte der diesjährigen Show, nämlich den Abgesang auf den so lieb gewonnenen Gelben Sack.
Weitere Auftritte sind am 21.02., 22.02., 23.02., 28.02. und 29.02.2020, Beginn jeweils ab 20 Uhr (außer am Sonntag, 23.02.2019 um 18 Uhr), Einlass eine Stunde davor. In Münsters Deele bei Lappe, Nieberdingstraße 12. Infos und Karten unter kappe-app.de.
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