Das Programm, das den Festivalbesuchern am zweiten Abend im Großen Haus geboten wurde, erschien vielen deutlich runder, als noch am Freitag. Das lag nicht an den kleinen Themenschwerpunkten, die Fritz Schmücker in den von ihm geplanten Ablauf entdeckt hat. Sondern eher an der familiären Atmosphäre, die recht bald auf der Bühne und auch zwischen Künstlern und Publikum entstand. Und an der gefälligeren Auswahl des Programms.
Ein ganz besonderer und wirklich neuer Schwerpunkt waren Frauen an einem Instrument, an dem man sie sehr selten sieht und hört: das Schlagzeug. Ihre Band „Boom Tic Boom“ hat die Schlagzeugerin Allison Miller zwar schon vor acht Jahren gegründet, aber in Europa trat die Formation aus New York bisher nur erst ein einziges Mal auf. Auf sehr sympathische Weise hielt Allison Miller ihr Sextett von ausgesprochen guten Einzelmusikern in den Griff. Die zeigten sich besonders in dem Lied „The Kitchen“, das zunächst wie die Musik zu einem expressionistischen Zeichentrickfilm begann und auch immer wieder kurz dahin zurückkehrte. Zwischendurch bot die Komposition der Pianistin Myra Melford aber immer wieder Raum für Duette zwischen zwei Musikern: zuerst zwischen der großartigen Violinistin Jenny Scheinman und dem Klarinettisten Jeff Lederer, dann zwischen dem Trompeter Kirk Knuffke und dem Bassisten Todd Sickafoose und schließlich zwischen der Komponistin und der Bandleaderin, also zwischen Flügel und Schlagzeug. Herrlich! Ich erwarte, dass diese Formation aus den USA zukünftig häufiger auf europäischen Bühnen zu erleben ist.
Vor diesem Vorbild aus Übersee brauchen sich unsere heimischen Musikerinnen aber nicht zu verstecken. Das bewies die Preisträgerin des „Westfalen-Jazz-Preises 2017“, Eva Klesse. Sie ist ebenfalls eine Bandleaderin am Schlagzeug, und sie zeigte noch mehr Finesse und Präzision an ihrem Instrument, als ihr amerikanisches Pendant. Dass sie ihre Band und ihre Kompositionen so souverän und so sympathisch präsentieren kann, ist ein Glücksfall für das gesamte Genre. Auch von ihr werden wir sicher bald noch mehr hören.
Alte Bekannte waren auch am Samstag Abend wieder auf der Bühne des Theaters zu erleben. Allerdings ist es schon ziemlich lange her, dass sich der Pianist Jackie Terrason in Münster hat blicken lassen. In der Zwischenzeit ist er längst von New York zurück nach Frankreich gezogen, wo er vor einem halben Jahr mit Stéphane Belmondo an Trompete und Flügelhorn das sehr intime und ruhige Album „Mother“ aufgenommen hat. Vor allem aus diesem spielten sie im ersten Teil ihres Auftritts, bis dann endlich der ebenfalls angekündigte Marrokaner Majid Bekkas auf der Bühne erschien, um mit seiner Oud und vor allem mit der Gimbri und mit seinem Gesang deutlich mehr Schwung in die Sache zu bringen.
Zum Abschluss brachte die bisher größte Formation dieses Festivals den Saal endgültig zum Kochen: die zehnköpfige „Brotherhood Heritage“ aus Frankreich. Unter der Leitung von zwei häufigeren Gästen beim Jazzfestival Münster, nämlich dem Bassisten Didier Levallet und dem Pianisten François Raulin, widmeten sie sich ganz der Musik des 1990 verstorbenen Chris McGregor. Didier Levallet war einst Mitglied in der 1969 gegründeten Band des südafrikanischen Pianisten. Nun wurde im letzten Jahr diese Formation gegründet, die wie ihr Vorbild südafrikanische Rhythmen und Melodiefolgen so lebendig mit Jazz und Swing verknüpft, dass viele bedauerten, dass im Theater Münster nicht getanzt werden kann. Einige der französischen Musiker nahmen ihre Spielfreude dann sogar noch in den Theatertreff mit, wo die Session mit den jungen Musikern des Jugendjazzorchsters Nordrhein-Westfalen bis zwei Uhr ging.
www.allisonmiller.com | www.evaklesse.de
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