Jazzfestival: drei Premieren und ein Jubiläum Das Internationale Jazzfestival Münster 2025 feierte gestern einen gelungenen Auftakt

Die japanische Pianistin Makiko Hirabayashi stellte ihr neues Projekt „Gifts“ mit Kompositionen von Georg Friedrich Händel vor. (Foto: Ansgar Bolle)

Zehn Deutschlandpremieren hatte Festivalleiter Fritz Schmücker für das Internationale Jazzfestival Münster 2025 versprochen, gleich drei davon brachte er gestern schon zum Auftakt auf die Bühne. Die Besucher zeigten sich von der Auswahl der Bands und Formationen, die sie wahrscheinlich vorher gar nicht kannten, auch diesmal wieder begeistert. Den größten Applaus erntete ein alter Bekannter, der Italiener Gianluigi Trovesi, der in Kürze 81 Jahre alt wird und den ersten Abend abschloss. Zum Auftakt sorgte aber ein junges Orchester für viel frischen Wind, das Brainteaser Orchestra aus Amsterdam. 

Das Brainteaser Orchestra aus Amsterdam sorgte für frischen Wind beim Jazzfestival Münster.  (Foto: Ansgar Bolle)

Unter der Leitung von Tijn Wybenga zeigten die überwiegend jungen Musiker des Brainteaser Orchestras, welche unterschiedlichen Klänge im Jazz möglich sind. Nicht nur beim Jazz, auch bei Hip-Hop, Rock oder Klassik bedienten sie sich. So manches Stück wirkte dadurch eher wie ein Flickenteppich aus diversen Musikgenres – und das mit voller Absicht. „Nach meinem Abschluss am Amsterdamer Konservatorium wollte ich ein eigenes Orchester auf die Beine stellen, das die raue Atmosphäre der Underground-Jazzszene in Amsterdam einfängt“, wird der Bandleader im Programmheft zitiert. Zu den sehr unterschiedlichen, sich mitunter abrupt ändernden Klangfarben trägt bei, dass viele Bandmitglieder großartige Solisten mit eigenen Bandprojekten sind. Hervorragend fügte sich dabei der französische Gastsolist Théo Ceccaldi ein, der nicht nur seine Violine, sondern auch zwei Kompositionen mitgebracht hatte. Am Sonntag wird er im Trio mit seinem Bruder Valentin und dem Klarinettisten Yom noch einmal im Großen Haus zu hören sein.

Fritz Schmücker mit dem Modell vom roten Flügel. (Foto: Ansgar Bolle)

Auch wenn seit einigen Jahren betont wird, dass es das Jazzfestival Münster seit 1979 gibt, stand beim Auftakt zur diesjährigen Auflage am Freitagabend ein anderes Jubiläum im Vordergrund. Denn 1985, als zum zweiten und letzten Mal das Jazzfestival im Preußenstadion stattfand, war Fritz Schmücker erstmals im Team der künstlerischen Leitung, die er seit 2000 im Alleingang bestreitet. Zu diesem 40-jährigen überreichte Münsters Kulturdezernentin Cornelia Wilkens dem notorischen Abstinenzler statt einem Sekt eine Flasche Maracujasaft für seine geliebte Schorle. Als kleine Überraschung gab es zudem ein Modell des ferrariroten Steinway-Flügels, den die Jazzfans seit dem letzten langen Festival vor zwei Jahren vermissen.

Auf den roten Flügel musste also die Interpretin des zweiten Acts verzichten. Brillante Farben brachte Makiko Hirabayashi mit ihren „Weavers“ aber auch am schwarzen Flügen ins Theater Münster.

Makiko Hirabayashi und ihre Band „Weavers“. (Foto: Ansgar Bolle)

Die japanische Pianistin, die schon seit Jahrzehnten in Kopenhagen lebt, stellte mit ihren Begleitern aus Schweden und Dänemark ihr neues Programm vor, mit dem sie die barocke Musik von Georg Friedrich Händel in den Jazz entführt. Auch hier loteten die vier Musiker unterschiedliche Klangfarben aus, aber wesentlich dezenter als beim ersten Act aus den Niederlanden. Hier klang es mal klassisch, mal exotisch-asiatisch und mal nach dem typisch kühlen Jazz aus Skandinavien, aber oft auch nach einem verrauchten Jazzkeller, in dem keiner den Barockkomponisten mit der markanten Perücke erwarten würde. Dabei standen der Pianistin Hirabayashi mit Fredrik Lundin am Saxofon, Thommy Andersson am Bass und Bjørn Heebøll am Schlagzeug drei Musiker zu Seite, die immer wieder eigene Akzente setzen, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Das Album zu diesem Programm „Gifts“ soll in diesem Jahr erscheinen, wir warten darauf gespannt.

Jan Klare ist kein Unbekannter beim Jazzfestival Münster, sein Projekt „KIND“ ist aber noch recht neu. (Foto: Ansgar Bolle)

Etwas lauter und humoriger wurde es beim dritten Auftritt des Freitagabends, als der Münsteraner Jan Klare sein Projekt „KIND“ vorstellte. Da dieses „Kind“ seit einem Jahr auf der Welt ist, feierten wir hier nicht nur dessen ersten Geburtstag, sondern sahen auch ein wenig in die Zukunft. So stellten einige der Stücke laut den Ansagen des Saxofonisten dar, wie die künftige Entwicklung des Kindes aussehen wird. Etwas lauter, wilder und mitunter atonal wurde es zum Beispiel bei einer Party in der Kita. In einem anderen Stück versuchten sich die sechs Musiker vorzustellen, wie sie reagieren, wenn ihr „Kind“ mit schlechten Zeugnisnoten nach Hause kommt. Schließlich hatten sie zuvor betont: „Dieses Kind ist nicht hochbegabt – auch wenn einige ihrer Eltern es sind“. Als erziehungsberichtigt bezeichnen sie sich aber alle, was sie einerseits mit Augenzwinkern betonen, andererseits mit ihrer Spielfreude auch zeigen. Jan Klare mag das Sprachrohr des Sextetts sein, aber er lässt seinen Mitstreitern, von denen vier Frauen sind, genügend Raum für eigene Kreativität.

Gianluigi Trovesi (Foto: Ansgar Bolle)

Während Jan Klare für seine Ansagen die meisten Lacher aus dem Publikum erntete, gab es für den 80-jährigen Gianluigi Trovesi und sein neues Programm „Old and new Dances“ den wärmsten Applaus. Dieses Programm ist ebenfalls ein 40-jähriges Jubiläum wie das von Festivalleiter Fritz Schmücker, denn Trovesi knüpft damit an sein Projekt „Dances“ aus dem Jahr 1985 an. Er hatte das Publikum schon auf seiner Seite, als er sich nach wenigen Takten an der Klarinette unterbrach und alle auf Deutsch mit „Guten Abend“ begrüßte. Seinem Alter entsprechend spielte er im Sitzen, und so tat es meist auch Bassist Paolo Damiani, Ettore Fioravanti als Schlagzeuger ja ohnehin. Aber die drei und ganz besonders Trovesi selbst spielten die oft sehr lebhaften Stücke so jugendlich heiter, als würden sie kein Alter kennen. Dabei beließen sie es nicht beim Nachspielen der zuweilen etwas burlesken Tanzlieder, sondern loteten aus, wie weit sie sich in den Jazz hineintragen lassen.

Auf dem Punkt eine Minute vor Mitternacht war der letzte Klang des italienischen Trios verhallt und alle Zuschauer wohlgelaunt und vielleicht etwas müde. Heute ging es schon um 12 Uhr weiter mit einem kostenfreien, halbstündigen Konzert von Louis Sclavis in der Dominikanerkirche. Wer dort morgen Mittag vor dem Gerhard Richter-Kunstwerk auftreten wird, will Fritz Schmücker erst heute Abend verraten.

 

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