Das dreitägige „Jazz-Festival Münster“ findet bekanntlich nur alle zwei Jahre statt. Um die Wartezeit auf die nächste Biennale zu verkürzen, hat Festival-Leiter Fritz Schmücker für die Jahre dazwischen eine kleine Schwester zum Festival erfunden, das am Sonntag zum 7. Mal stattfand. Und dieser Konzertabend „Jazz Inbetween“ hat das Publikum im ausverkauften Theater Münster wieder mit hochkarätigen Neuentdeckungen aus dem europäischen Jazz begeistert.
Ganz ungewöhnlich für diese Veranstaltung: gleich zwei der drei Acts präsentierten Gesang. Und dazwischen war ein Duo zu hören, dessen Besetzung in der Jazzwelt einmalig ist: Remy van Kesteren an der Harfe und Eric Vloeimans an der Trompete.
Als Abschluss und Höhepunkt des Abends war jedoch eine Hommage an die „amerikanische Rocklegende“ Janis Joplin vorgesehen. Und tatsächlich riss das neunköpfige Orchester um den französischen Vibraphonisten Franck Tortiller das Publikum mit dem Programm „Janis The Pearl“ zu wahren Begeisterungsstürmen hin. Das lag nicht nur daran, dass viele Zuschauer sich zur Generation Woodstock zählten. Und schon gar nicht an dem Sänger Jacques Mahieux, der mit Stimmumfang und Intonation der extrovertierten Sängerin nicht einmal annähernd in die Nähe gekommen wäre. Das hat er glücklicherweise auch gar nicht erst versucht; er reduzierte die bekannten Lieder meistens auf ihren wesentlichen Kern, den Blues. Das Ergebnis erinnerte nicht wenige an Tom Waits, und das war sicher so gewollt. Alles andere als belanglos war aber, was das großartige Orchestre Franck Tortiller aus Liedern wie „Move Over“, „Piece Of My Heart“ oder „Kozmic Blues“ machte. Mit funky Bläser-Riffs, rockiger E-Gitarre und Human Beat Boxing einerseits, den manchmal viel zu kurzen Soli an Vibraphon, Bass oder Trompete andererseits, sprengten die neun Franzosen immer wieder die Grenzen zwischen den Musikgenres. Einige Titel reizten mit ihren Grooves zum Tanzen – jedoch ist dies im Theater Münster leider nicht möglich.
Das von vielen erwartete „Mercedes Benz“ überzeugte mit einem lässigen Drumbeat, als Bassist Yves Torchinsky und Gitarrist Mathieu Vial-Collet von ihren elektrischen auf akustische Instrumente wechselten. Anthony Caillet überraschte damit, dass ein Euphonium auch Teil einer Bläser-Section in Funk oder R’n’B sein kann, aber ebenso geeignet ist für ein jazziges Solo. Patrice Héral begeisterte das Publikum nicht nur als Schlagzeuger, sondern auch als zweiter Sänger, zweiter Conferencier und allen anderen Geräuschen, die er mit dem Mund machen konnte – bis hin zur Wellensuche auf dem Radio. Erstaunlich, mit welchen reduzierten Gesten der Orchesterleiter Franck Tortiller diese Bande im Griff hatte.
Drei Generationen Jazz
Fritz Schmücker hatte bei seiner Begrüßung „Drei Generationen Jazz“ angekündigt. Die jüngste davon übernahm den Auftakt: Die Sängerin Natalia Mateo mit ihrem Sextett. Aber kann man überhaupt von einem Auftakt reden, wenn es mit einer langen Generalpause beginnt? Die löste Natalia Mateo zunächst in einen einzelnen Ton auf, der schließlich im ersten von vielen melancholischen Liedern mündete, die sie auf polnisch sang. Dass kaum jemand im Saal die Sprache unserer Nachbarn verstand, stellte die Sängerin im Laufe des Konzerts fest. Dies war aber kein Manko. Denn die Stimmungen der osteuropäischen Volks- und Kinderlieder wurden von ihren musikalischen Begleitern wie dem Gitarristen Dany Ahmad aufgenommen und in melodisch und rhythmisch vertrackte Kunstwerke verwandelt. Nur gelegentlich und sehr kurz wurden musikalische Ausflüge in Richtung Pop dargeboten, wie dem 80er-Jahre-Hit „Sombody’s Watching Me“ von Rockwell. Auch andere Genres blitzten nur kurz auf, wie Latin Rock in einem Piano Solo von Simon Grote. Zumeist blieben die Titel, von denen einige auf ihrem Debut-Album „Heart Of Darkness“ im März 2015 erschienen sind, verträumt, traurig oder trotzig.
Musikalische Mauern gesprengt
Dagegen setzte das zweite Konzert des Abends einen humoristischen Akzent. Die Niederländer Remy van Kesteren und Eric Vloeimans begeisterten das Publikum nicht nur mit ihren Instrumenten, sondern auch mit ihren launigen Zwischenmoderationen auf holprigem, aber äußerst liebenswürdigen Deutsch. Musikalisch sprengten sie die wahrscheinlich höchsten Mauern, nämlich die zwischen Klassik und Jazz. Remy van Kesteren behauptete, diesen Schritt gegangen zu sein, weil er nach zwanzig Jahren alle Kompositionen gespielt hätte, die in der Klassik für die Harfe geschrieben worden sind. Dass sein sperriges Instrument gut mit der Trompete harmonierte, lag daran, dass er es nicht zart romantisch, sondern oft rhythmisch hart spielte. Und Eric Vloeimans ihn an der Trompete oft mit sanften Ton begleitete. Das Ergebnis klang bei komischen Stücken wie „Bradshaw“ wie aus einem Film von Jacques Tati, bei dem Smetanas „Moldau“ einen kurzen Auftritt als musikalischer Witz bekam. Da persiflierte Remy van Kesteren sein eigenes Instrument als Lieferant für Kitsch. Ein Komponist, dem sie sich ernsthaft widmeten, war der Spanier Frederic Mompou (1893-1987), den sie ganz selbstverständlich erwähnten, der für die meisten Zuhörer aber wohl noch zu entdecken gilt.
Mit der 7. Auflage bewies Fritz Schmücker aufs Neue, dass „Jazz Inbetween“ mehr ist als nur eine Zwischenmahlzeit zwischen den zweijährlich stattfindenden Jazzfestivals. Diesmal musste er sich nicht einmal mit „Bis zum nächsten Jahr“ verabschieden, denn schon Ende Januar macht auch das „WDR 3 Jazzfest“ im Theater Münster Station, wo er allerdings nur im Publikum sitzen, aber sicher viele Besucher wieder treffen wird. Und wer den „Jazz Inbetween“ verpasst hat oder noch einmal akustisch wiederholen möchte, hat dazu am 25. Februar die Gelegenheit. Dann wird WDR 3 von 20:05 bis 22:00 Uhr einen Mittschnitt des Konzertabends ausstrahlen.
Noch mehr Bilder des Festivalabends findet ihr in unserer Fotostrecke.
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