Dass es oft die kleinen, feinen Konzerte sind, die das Publikum begeistern, mitreißen und flashen, ist bekannt. Aber wenn es noch eines Beweises für diese Theorie bedurft hätte, Little Annie hätte ihn im Pumpenhaus geliefert. Die US-amerikanische Soul-Legende wird dabei am Sonntag Abend von grandiosen Musikern begleitet, Paul Wallfisch am Klavier, der Australier Ned Collette an der Gitarre, Budgie am Schlagzeug.
Kenner der Örtlichkeit hätten das Theater kaum wiedererkannt: Alle Klappstühle sind weggeräumt, dafür liegen Kissen auf der breiten Treppe und davor stehen kleinere Bistrotische. Das Terrain für eine Jam-Session ist geebnet. Paul Wallfisch schlendert unaufgeregt zum Mischpult und begrüßt die etwa 60 Gäste: „So listen, well, macht mal so viel Lärm wie möglich“. Geschrei, Getöse, Wallfisch geht zum Flügel und murmelt: „Viel mehr Pegel als Hamburg.“ Und schon spielt der Amerikaner, melancholisch, langsam, ruhig: „Sometimes I feel so sad“. Dann wird die Musik schneller, aber das Emotionale, Ruhige bleibt. Wallfisch spielt auch nicht wirklich, er behandelt die Saiten wie eine Frau, streichelt, liebkost sie. Das wirkt fast erotisch, so innig ist er, und passend dazu lobt er sein Instrument: „Tolles Klavier, gestern waren wir in Düsseldorf, da musste ich so draufhauen. Das war anders, aber auch schön.“ Dann gibt er den Staffelstab weiter an Ned Collette.
Sieht man den Australier da so stehen, schlaksig, Gitarre um den Hals, kann man schon Zweifel haben, dass er damit umgehen kann. Doch es ist grandios, welche Töne er dem Zupfinstrument entlocken kann. Es passt einfach hervorragend zur emotionalen Spielweise von Wallfisch. Klare, schnörkellose Musik, egal ob er den Titel „Blaine“ von seinem ersten Album spielt und singt oder „Hedonist“ von seinem letzten. Das Publikum scheint ein bisschen wie im Rausch, dafür sorgen allerdings auch Mengen an Trockeneis. In der Pause wird erstmal etwas gelüftet. So ganz viel nutzt das jedoch nicht.
Als Little Annie die ersten Titel in Begleitung von Wallfisch, Collette und dem Schlagzeuger Budgie in ihrer unnachahmlich-tiefen, weiblichen Soulstimme gesungen hat, beklagt sie sich darüber, dass sie nicht mal die Menschen an den Tischen in der ersten Reihe sehen kann. „This ist the international language of bitchcraft“, ergibt sie sich in das Schicksal der vernebelten Bühne und schon klingen die Instrumente. Wenn alle zusammen spielen, ist das der Hammer. Kein Mensch im Pumpenhaus, dessen Beine oder Hände nicht zucken oder trommeln. Zwischendurch bedient noch ein Gastmusiker das Saxophon und die Klarinette. Little Annie, mit reichlich Schmuck behängt, singt: „You don`t know what love is“. Das Sax antwortet, die übrigen Instrumente sind auf ein Minimum reduziert, nur Begleitung. Auch „You better run“ singt Little Annie ohne großartige musikalische Begleitung. Da kommt ihre Stimmung richtig zur Geltung, eine Stimme, die stark an Amy Winehouse erinnert. Gleichzeitig wird der Flügel, dann die ganze Bühne in rotes Licht getaucht.
Ein grandioses Spektakel und allemal Konzerten auf den großen Bühnen vorzuziehen. Respekt für diese Leistung.
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