Investigativ in einer Studentenverbindung Der Journalist Leon Enrique Montero hat auf Einladung der "Busters" von seinen Erfahrungen mit Studentenverbindungen und Burschenschaften berichtet

Das Verbindungshaus der Burschenschaft Franconia in der Himmelreichallee. (Foto: Michael Bührke)

Im Oktober diesen Jahres versammelten sich fast 400 Menschen in der Aula am Aasee, um sich einen Vortrag über Studentenverbindungen anzuhören. Das antifaschistische Recherche- und Protest-Kollektiv Busters hatte den freien Journalisten Leon Enrique Montero eingeladen. Er berichtete von seinen Erfahrungen mit Studentenverbindungen und Burschenschaften.

* Triggerwarnung: Dieser Gastbeitrag enthält Alkoholismus, Sexismus, sexualisierte Gewalt und Rassismus *

Damit Studierende auf der Suche nach einer neuen Wohnung nicht ähnliche Erlebnisse wie er machen, klärte Montero sie auf. Er erzählte dem Publikum von übermäßigen Alkoholkonsum mit Zwangscharakter, sexualisierter Gewalt und rechter Ideologie.

Die harmlose Anzeige auf „WG-Gesucht“

Studierende wissen, wie anstrengend die Wohnungssuche in Münster sein kann. Viele kennen auch die Anzeigen, in denen ein WG-Zimmer für ungefähr 200€ in bester Lage angeboten wird. Schaut man sich die Anzeigen genauer an, merkt man, dass in der Regel nur Männer gesucht werden. Anfangs verstecken die Studentenverbindungen in den Anzeigen oft, dass sie überhaupt eine sind. Monteros Vortrag gibt möglicherweise Aufschluss darüber, warum das so ist. Er trat aus Interesse an den Strukturen einer Studentenverbindung aus Hannover bei.

Saufen bis zur stabilen Seitenlage

Montero stieg bei seinem Vortrag mit dem Thema Alkoholismus ein. Mit seiner Studentenverbindung aus Hannover war er öfter „bummeln“. Bummeln bezeichnet die gemeinsamen Sauftouren von Verbindung zu Verbindung. Dabei gibt es verschiedene Bräuche. Einer davon ist es, dass auf den Ausruf „Bierjunge“ mit „Hängt“ geantwortet werden muss und damit ein Wetttrinken unter den beiden Menschen beginnt. Ein anderer ist es, dass man aus verschiedensten Gegenständen Bier trinkt, weil es als Strafe verordnet wird. Die Gemeinschaft der Studentenverbindungen baut laut Montero auf dem Alkoholkonsum auf. Er erfuhr, dass man angebotenes Bier oder Trinkwettbewerbe schwer oder gar nicht ablehnen kann. Verweigerte man das Bier, stößt man auf Ablehnung bis hin zu Erniedrigungen.

„Normale Geschichten“, wie Montero sie einordnete, sind Abende, an denen sich Studenten in ihr Bett übergaben, oder andere ihre Mitmenschen in die stabile Seitenlage legen mussten, damit sie im Schlaf nicht an ihren Erbrochenen erstickten.

Sexistische Beleidigungen bis zu sexualisierter Gewalt

Im Bezug auf Sexismus erzählte Montero von Vorfällen, die bei beleidigenden Ausdrücken anfangen und bei Versuchen, Frauen K.O.-Tropfen zu verabreichen, weitergingen. Eine sonderbare Situation tat sich auf, als Montero eine Gruppe von tatsächlich bei seinem Vortrag anwesenden Verbindungsstudenten danach fragte, wie sie nicht exklusiv männliche Verbindungen nennen. Sie antworteten mit „Gemischtwarenladen“ – einer von vielen abwertenden Ausdrücken. Montero entgegnete ihnen, dass er wüsste, dass hierfür die sexualisierende Beschreibung „Gangbang“ ebenso ein Ausdruck bei manchen Verbindungen sei. Daraufhin brach die Gruppe in Gelächter aus, während die Mehrheit der Aula beschämt zur Gruppe schaute.

Bei verbalen Entgleisungen blieb es in Monteros Beobachtungen nicht. Durch Erfahrungsberichte erfuhr Montero, dass manche Verbindungsstudenten Frauen in deren Villa einluden, ihnen eine Führung durch die Räumlichkeiten gaben, um sie im eigenen Zimmer zu beenden. Dort erwarteten sie Sex. In anderen Fällen ging es um Stalking oder um das Einladen minderjähriger Mädchen auf Partys. Der schlimmste Fall handele von Versuchen, Frauen K.O.-Tropfen zu verabreichen.

Rassismus, Kolonialismus und Hitlergruß

Laut Montero versuchen sich viele Verbindungen als unpolitisch darzustellen. In den meisten Fällen sind sie entweder christlich-konservativ oder rechts bis rechtsextrem. Vernetzt sind die Verbindungen verbandsübergreifend. Die rechte Ideologie blieb auch nicht von den katholischen Studentenverbindungen fern. In einer Ehemaligengruppe war auch ein Sticker mit einer SS-Rune zu finden.

Montero bewarb sich nach seiner Mitgliedschaft bei der Studentenverbindung bei mehreren Burschenschaften. Bei einer der Besichtigungen fiel ihm ein älterer Herr auf, der die deutsche Kultur in Namibia schützen wollte. Zur Erinnerung: Namibia wurde im 19. Jahrhundert von deutschen Missionaren kolonisiert. Folge davon war der Völkermord an den Herero und Nama. Es kam zu bis zu 100.000 Toten. Das entsprach circa 75 % der Bevölkerung. Auch ein „Afrikazimmer“ gab es, das mit Kolonialkarten bestückt war.

Bei einem anderen Besuch sichtete Montero eine Reichskriegsflagge. Einen Hitlergruß „aus Spaß“ erblickte er ebenso. Dort belehrte man ihn, dass er aufgrund des sogenannten „Abstammungsprinzips“ nicht Teil der Burschenschaft werden kann. Das Abstammungsprinzip entstammt dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ und grenzt das Deutschsein völkisch ein. Wer deutsch ist, wird über Abstammung, historische Schicksalsgemeinschaft, Sprache und Kultur entschieden. Manche Burschenschaften gehen weiter über die Vorgabe hinaus.

Von Kai Diekmann bis Friedrich Merz: Bekannte Verbindungsmitglieder

Studentenverbindungen sind weit in die Politik vernetzt. Teilweise sitzen ehemalige Verbindungsstudenten in wichtigen Positionen der Politik. In der Geschichte der CDU-Kanzlerkandidaten finden sich mindestens zwei bekannte Gesichter.

Friedrich Merz war zu seiner Zeit als Student Mitglied in der katholischen Studentenverbindung Bavaria. Sie stehen, laut ihrer eigenen Webseite „für christliche Werte aus katholischer Überzeugung“. Armin Laschet war ebenso Mitglied einer katholischen Studentenverbindung. Aus dieser berief er in seiner Zeit als Ministerpräsident den Fundamentalisten Nathanael Liminski zum Staatskanzleichef. Ebenso traf sich Laschet, zur Zeit als Ministerpräsident, mit der katholischen Studentenverbindung Breslau aus Münster im Landtag.

Neben den beiden, war auch Markus Söder in einer Studentenverbindung. Der ehemalige Chefredakteur der Bild, Kai Diekmann, war Mitglied der als rechtsextremen geltenden Burschenschaft Franconia aus der Himmelreichallee hier in Münster. Für Franconia hielt er 2006 einen Vortrag über den Erfolg der Marke BILD.

Abschließend lässt sich feststellen: Wenn sexistische, rassistische, sowie rechte, faschistische und fundamentalistische Ideologie in organisierter Form so tief in Politik und Medien vernetzt sind, dann sollte man alarmiert sein.

Ein Gastbeitrag von Kerim Kocakoç

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert