„Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“, „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ oder „Wir wollen niemals auseinander gehn“ – auch wenn diese Lieder schon vor langer Zeit entstanden sind, haben viele von uns sie noch im Ohr. Geschrieben wurden sie von dem Komponisten Michael Jary und dem Textdichter Bruno Balz. Über die beiden hat der Schweizer Martin Witz einen Dokumentarfilm unter dem Titel „Im Schatten der Träume“ gedreht, zu dem der Münsteraner Götz Alsmann eine Menge beigetragen hat. Zusammen präsentierten sie diesen Film heute im Schloßtheater. Mit dem Deutschland-Start wird er dort auch ab kommenden Donnerstag im regulären Programm zu sehen sein.
„Das sind alles Lieder, die ins Allgemeingut eingegangen. Und sehr viele Menschen reagieren erfreut, diese alten Lieder noch einmal zu hören“, erzählte uns der Regisseur im Interview. Anhand dieser Lieder und der Hintergründe darüber, unter welchen Umständen sie entstanden sind, zeichnet Martin Witz aber auch ein Bild über das Leben in Deutschland von der Zeit im „Dritten Reich“ bis weit in die Wirtschaftswunderjahre hinein. Und das nicht nur im Kulturellen, sondern auch und gerade im Alltäglichen. Einen Film über Unterhaltungsmusik, über Schlager wollte er schon lange einmal machen. Konkret wurde es aber erst, als jemand ihn auf die Lebensgeschichte von Bruno Balz aufmerksam machte. Der musste als homosexueller Mann gerade in der NS-Zeit immer mit Verhaftungen rechnen. So konnte er 1942 nur knapp einer Internierung im KZ entgehen, weil Michael Jary sich mit dem Argument für ihn eingesetzt hatte, dass er ohne Balz die Lieder nicht würde liefern können, die für den für den Propagandafilm „Die große Liebe“ gebraucht würden.
Mit den von der Hauptdarstellerin Zarah Leander gesungenen Liedern „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ wurde dieser Film einer der erfolgreichsten der NS-Zeit. In dem Dokumentarfilm „Im Schatten der Träume“ zeigt Götz Alsmann nun, dass im Hintergrund der dort gezeigten Show Männer als Frauen verkleidet wurden – und das in einer Zeit, als queere Menschen wie Bruno Balz damit rechnen mussten, ins KZ gesteckt zu werden. Filmemacher Martin Witz hat mit Geschichten wie dieser erfolgreich einen Weg gefunden, wie er „dem Schlager-Thema eine historische Tiefe und eine biografische Tiefe geben könnte“ – genau das war seine Absicht.
Es war ihm aber auch wichtig, dass der Film einen runden Erzählrhythmus und sogar einen Swing hat. Dazu tragen nicht zuletzt die vielen Ausschnitte aus den über 250 Spielfilmen bei, für die Michael Jary und Bruno Balz die Lieder geliefert haben. „Das gibt einen Swing in den Dokumentarfilm rein, das gibt aber auch eine fiktionale Stimmung, die die dokumentarische Story vorantreibt und das ist eine ziemlich seltene Gelegenheit, von der ich natürlich Gebrauch gemacht habe“, gab Martin Witz freimütig zu. Wesentlich sind aber auch die Gespräche mit Michael Jarys Tochter Micaela, mit Claudio Maniscalco vom Bruno Balz-Archiv, Manfred Herzer von der „Homosexuellen Aktion Westberlin“ und mit der bei den Dreharbeiten 94-Jährigen, unglaublich jugendlich wirkenden Bibi Johns.
Wie ein roter Faden ziehen sich aber die Kommentare und Erläuterungen von Götz Alsmann durch den Film, der immer wieder für heitere und hintersinnige Momente sorgt. Dabei ordnet er die Dinge, die in den mitunter hanebüchenen Handlungen der vielen Revue-Filme, in den jeweiligen historischen und kulturellen Hintergrund ein. „Er ist ein wandelndes Lexikon für Musikgeschichte, für Jazzgeschichte, für Schlagergeschichte“, stellt Martin Witz anerkennend fest. Und mit seiner Band hat Alsmann auf ausdrücklichen Wunsch des Regisseurs während eines Konzerts in Berlin drei Stücke mit Carol Schuler, einer jungen Sängerin aus der Schweiz aufgenommen, die sich wunderbar in die Geschichte des Dreiecks von Jary, Balz und Zarah Leander einfügen. „Das belegt die Zeitlosigkeit der Lieder“, ist Martin Witz überzeugt, „man spürt die Kraft und man weiß, sie sind 1935 oder 1952 geschrieben, also das ist schon eindrücklich, wie diese Lieder heute funktionieren, wenn man sie so stark spielt und arrangiert wie Götz Alsmann mit seiner Band“.
Kinostart am 6. Februar
Auch mit der Auswahl der Filmausschnitte hat der Regisseur aus der Schweiz sich selbst überrascht: „Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich mal einen Film mache mit Heintje. Aber das Verrückte ist, dass der am Schluss des Films in einer Art und Weise funktioniert, dass sogar eingefleischte Heintje-Verächter ihr größtes Vergnügen haben“. Das Publikum im Schloßtheater nahm den Film jedenfalls wohlwollend an, vor allem wegen der hintergründigen Geschichten über die Ambivalenz der Schlagertexte vor dem Hintergrund der Zwänge im Nationalsozialismus. Aber es wurde hin und wieder auch gelacht. Wer keine Angst vor ansteckenden Ohrwürmern hat, sollte sich diesen Film ansehen, er läuft ab kommenden Donnerstag im regulären Programm des Schloßtheaters.
Und was Götz Alsmann dazu zu erzählen hat, lest ihr morgen bei uns.
- „Im Schatten der Träume“ Regisseur Martin Witz stellte heute mit Götz Alsmann im Schloßtheater seinen Dokumentarfilm über Michael Jary und Bruno Balz vor / Kinostart am 6. Februar - 2. Februar 2025
- 2.800 demonstrierten vor Münsters CDU-Büro Weil die Union sich im Bundestag von der AfD unterstützen lässt, hatten die Busters und das „Keinen Meter“-Bündnis zur Mahnwache aufgerufen - 30. Januar 2025
- Querdenker marschieren – Stadt hält dagegen Schwach besuchte Demo legte den Verkehr rund um den Bahnhof mehrere Stunden lahm / Mehr als 1000 Münsteraner beteiligten sich an Gegendemonstrationen - 25. Januar 2025