Im Gespräch mit den 90ern: Alex Christensen Oder: Wie dem Eurodance eine Abendgarderobe geschneidert wird / „Classical 90s Dance“ mit The Berlin Orchestra am 29. April in der Halle Münsterland

Pop-Visionär Alex Christensen und das Berlin Orchestra machen bei ihrer Tour zum Musik-Projekt „Classical 90s Dance“ auch Station in Münster. (Foto: Marcel Brell)
Pop-Visionär Alex Christensen und das Berlin Orchestra machen bei ihrer Tour zum Musik-Projekt „Classical 90s Dance“ auch Station in Münster. (Foto: Marcel Brell)

Wilde 90er-Jahre-Party oder gediegener Konzertabend? Warum nicht beides? Das hat sich wohl auch Alex Christensen gedacht, als er beschloss, das „Classical 90s Dance“-Konzept vom Studio auf die Bühne zu holen. Im Interview verrät uns der sympathische Tausendsassa mit dem unfehlbaren Riecher für große Hits, was die Neunziger zu einer ganz besonderen Zeit macht und was Hamburg noch von Münster lernen kann.

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Alex, inzwischen sind 3 Alben in der Reihe „Classical 90s Dance“ erschienen. Wie passt der Eurodance der Neunzigerjahre mit einem klassischen Orchester zusammen und wie kam es überhaupt zu der Idee?

Schon 1991, als ich „Das Boot“ produziert habe, hatte ich die Idee, dass Orchestersound dem Song gut tun würde. Allerdings fehlte damals das Budget für so eine Produktion. Das Ganze wurde dann zum Glück ein großer Hit, und zum 25jährigen Jubiläum kam die Idee dann wieder auf. Mittlerweile war auch das nötige Kleingeld vorhanden, um die Jubiläumsversion so zu produzieren, wie ich sie mir schon in den Neunzigern vorgestellt habe. Ich habe dann ein bisschen rumgefragt und bekam als Antwort, dass sich ein Orchester nur für einen Song eigentlich nicht lohnt. Da hieß es: „Alex, dir fallen doch bestimmt noch ein paar mehr Stücke ein, die gut ins Konzept passen würden.“ Wir haben dann einiges produziert, das ich dann an meinen Anwalt geschickt habe. Und dann habe ich erstmal wochenlang nichts gehört und dachte schon, dass die Idee nicht gut angekommen wäre. Als ich dann nachgefragt habe, hieß es nur: Von wegen nichts geworden, ich habe das Album sofort an ein Label verkauft. Damit ging das ganze Projekt los. Das sind für mich alles faszinierende Titel, jeder mit seiner eigenen Geschichte.

Was macht für dich persönlich die Faszination für das Lebensgefühl und die elektronische Tanzmusik der 90er aus?

Das besondere sind die Songs selber, die Essenz, wenn man den ganzen Trash drumherum weglässt. Da gibt es viel Substanz, das sind Evergreens und einfach wirklich gut geschriebene Songs. Die Neunziger waren nicht umsonst das erfolgreichste Jahrzehnt überhaupt für Musik aus Deutschland, das meiste aus der Zeit kam ja von hier.

Wie hast du die bisherigen Live-Shows mit Orchester erlebt?

Das ist einfach jedes Mal live etwas ganz besonderes. Wenn wir „Children“ live spielen, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut. Da kommt dann diese unglaubliche Wand aus Streichern, das wird auch vom Publikum entsprechend euphorisch aufgenommen.

Auch bei dieser Tour sind neben dir und dem Berlin Orchestra wieder „besondere Gäste“ angekündigt. Darfst du schon verraten, wer dich auf der Bühne unterstützt?

Das werden auf jeden Fall ganz viele Künstler von den Alben sein. Wir versuchen möglichst viele von den Sängern, die bei den Aufnahmen dabei waren, auch mit auf die Bühne zu nehmen. Es gibt also definitiv ein Wiedersehen mit einigen alten Bekannten.

Ist eine Veröffentlichung von Live-Mitschnitten der Tour als Live-Album oder DVD bzw. BluRay geplant?

Fest geplant ist bisher noch nichts. Es wird jedoch sicherlich einiges mitgefilmt werden, das ist heutzutage ja sowieso üblich. Was dann genau daraus wird, werden wir sehen.

Bei „Classical 90s Dance“ steht Alex Christensen nicht mehr allein hinter seiner DJ-Kanzel, sondern wird von einem Orchester unterstützt. (Foto: Marcel Brell)
Bei „Classical 90s Dance“ steht Alex Christensen nicht mehr allein hinter seiner DJ-Kanzel, sondern wird von einem Orchester unterstützt. (Foto: Marcel Brell)

Auch wenn du für einen überdurchschnittlich großen Teil der Hits der Neunziger verantwortlich bist, haben auch einige deiner Kollegen den Dancefloor-Sound geprägt. Wie waren die Reaktionen anderer Künstler aus den 90ern auf deine klassischen Umsetzungen ihrer Werke?

Bis jetzt waren alle begeistert und mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und ein bisschen Stolz war sicherlich auch dabei. Es ist ja auch eine gewisse Auszeichnung, wenn deine Werke in einem völlig anderen Sound neu aufgelegt werden.

Gibt es nach drei Alben immer noch Stücke auf deiner Wunschliste, die du noch mit Orchester umsetzen möchtest?

Bei mittlerweile 45 Stücken auf den drei Alben glaube ich, dass wir die Essenz der Songs aus den Neunzigern schon ganz gut erfasst haben. Einen konkreten Plan, noch einmal in dieser Richtung was zu machen, gibt es also nicht.

Hast du denn abseits der klassischen Umsetzung bekannter Dance-Hits weitere musikalische Projekte in Planung?

Ja, da sind schon einige neue Dinge in Planung, das wird dann aber in eine andere Richtung gehen. Wie genau das aussehen wird, ist allerdings noch eine Überraschung. Erstmal steht jetzt die Tour mit dem Berlin Orchestra an.

Wenn du heute noch mal in den Neunzigern von vorne anfangen könntest: Würdest du von vornherein etwas anders machen?

Es gibt sicherlich Einiges, das noch ein bisschen perfekter hätte sein könnte (lacht). Aber wirklich anders machen würde ich trotzdem nichts, das war schon gut so. Die Zeit ist damals einfach so vorbei geflogen, vielleicht würde ich das heute etwas mehr und bewusster genießen. Ich war zum Beispiel auf Tournee in Asien, da waren wir zwei Monate am Stück unterwegs, ohne einen einzigen Day off, das war schon Wahnsinn. Ein paar mehr freie Tage dazwischen, etwas mehr entschleunigen, das wäre klug gewesen. Es ist auch einfach so viel passiert, das einem erst später bewusst wurde. Ich habe mit James Marshall und Christina Applegate zusammen in einem Film gespielt, das erlebt man auch nicht jeden Tag.

Am 29.04. lassen Alex Christensen & The Berlin Orchestra den Sound der Neunziger auf ihre eigene Art wieder aufleben. (Foto: Marcel Brell)
Am 29.04. lassen Alex Christensen & The Berlin Orchestra den Sound der Neunziger auf ihre eigene Art wieder aufleben. (Foto: Marcel Brell)

Für die Produktion der „Classical 90s Dance“-Reihe hast du dich sicherlich intensiv noch einmal mit der Zeit und der Musik auseinandergesetzt. Was sind für dich die wichtigsten Meilensteine für den Sound der Neunziger?

Definitiv „Das Boot“ für die ganz frühe Phase von Techno und Dancefloor, damit ging es los. Dann natürlich Snap mit „Rhythm is a Dancer“ und „The Power“, das war vor allem für den späteren Eurodance prägend. „What is Love“ gehört auch auf jeden Fall dazu. „United“ ist mit den Chören auch etwas Neues gewesen, das hat nachher auch Leute wie DJ Bobo beeinflusst, der hat dann sowas sehr viel benutzt.

Du hattest schon immer ein sicheres Gefühl für Trends und die Entwicklung des musikalischen Geschmacks – auf welchen Sound können wir uns für 2020 einstellen?

Ich denke, da wird sich erstmal nicht allzuviel ändern. Deutscher HipHop wird sicherlich noch länger angesagt bleiben, aber das wird sich auch noch weiter entwickeln, eher so in die Singer/Songwriter-Richtung: Weniger Gangster, dafür mehr mit Song. (lacht)

Man hat dich neben deiner Tätigkeit als DJ und Produzent auch schon in Film und Fernsehen gesehen – bekannteste Beispiele sind neben dem schon erwähnten „Cyberstorm“ wohl deine Mitwirkung bei Popstars in den frühen 2000ern und deine Rolle im Film „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“. Gibt es TV-Formate oder Filmideen, die dich noch reizen würden?

Wenn es sich mal ergibt, dann macht mir das einen riesigen Spaß. Aber um das wirklich ernsthaft zu betreiben, bräuchte man einen Agenten und viel Zeit. Das lasse ich also lieber auf mich zukommen. Wenn sich etwas Passendes anbietet, bin ich aber immer gerne dabei.

Kommen wir zur letzten Frage: Was verbindest du mit Münster und dem Münsterland?

Auf jeden Fall das Dorf Münsterland! Da waren wir ganz am Anfang mit 2Unlimited unterwegs, da war immer richtig was los. Das werde ich so schnell nicht vergessen. Dann sind da natürlich die Fahrräder, Münster ist ja eine richtige Fahrradstadt. Das würde ich mir für Hamburg auch wünschen, hier ist das immer echt nervig mit den ganzen Autos. Ein paar mehr Fahrräder stattdessen würden der Stadt sicherlich gut tun. Und musikalisch hat Münster auch einiges zu bieten, auch schon in der frühen Techno-Szene. WestBam kommt ja zum Beispiel aus Münster.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mittwoch, 29.4.2020, 20 Uhr, Halle Münsterland: Alex Christensen & The Berlin Orchestra: Classical 90s Dance: Ein Abend – Nur Hits! Tickets sind an den üblichen Vorverkaufsstellen erhältlich sowie bei eventim.

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