„Ich wollte keinen Beliebtheitswettbewerb gewinnen“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach war gestern der Gastredner beim Neujahrsempfang der SPD Münster

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach war gestern der Gastredner beim Neujahrsempfang der SPD Münster. (Foto: Michael Bührke)

So voll war es beim Neujahrsempfang der SPD Münster selten, da waren sich viele der Genossinnen und Genossen im Saal sicher. Grund für den Andrang war der Auftritt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dem der Ruf vorauseilt, durchaus unterhaltsam zu sein. Zu sehen und zu hören gab es einen Spitzenpolitiker, der durchaus fähig zur Selbstkritik ist.

Eigentlich sollte der Neujahrsempfang im Festsaal des historischen Rathauses stattfinden, diese Pläne hat allerdings die vorgezogene Neuwahl durchkreuzt, in dessen Dunstkreis keine politischen Veranstaltungen in den städtischen Räumen stattfinden dürfen. Also ging es nach Coerde in die Speicherstadt, was der Stimmung im Raum keinen Abbruch tat. „Ich habe mir sagen lassen, dass sie in Münster Erfahrung haben mit belehrenden, besserwisserischen Professoren, darauf habe ich mich eingestellt“, stieg Lauterbach, der seinerseits Professor ist, launig in den Abend ein. Was dann kam, war allerdings zunächst wenig fröhlich.

Geringe Lebenserwartung trotz teurem Gesundheitssystem
Lauterbach sprach frei und engagiert, vor allem über Gesundheitspolitik. (Foto: Michael Bührke)

„Kein westeuropäisches Land hat eine geringere durchschnittliche Lebenserwartung als Deutschland – und das, obwohl wir eines der teuersten Gesundheitssysteme haben“, wie der Gesundheitsexperte hervorhebt. Besonders eklatant sei die Schere bezüglich der Lebenserwartung zwischen arm und reich: „Mehr als achteinhalb Jahre beträgt hier der Unterschied. Obdachlose werden in Deutschland im Schnitt sogar nur 47 Jahre alt“, skizziert Lauterbach eines der großen sozialen Probleme hierzulande, die es seiner Meinung nach anzupacken gelte.

Auf dem Gebiet der Digitalisierung sei Deutschland ein Entwicklungsland, die elektronische Patientenakte müsse aber dennoch unbedingt auf den Weg gebracht werden. Die aus den elektronischen Akten anonym ableitbaren Daten seien dringend notwendig, so Lauterbach, um zum Beispiel die Therapie von Krebserkrankungen zu optimieren. Wichtig sei dabei aber unbedingt, dass die Daten der elektronischen Patientenakte sicher seien. Dass die durchgreifenden Krankenhausreformen, die aktuell umgesetzt werden, auch zu Ärger und Frustration in den betroffenen Kliniken führt, müsse in Kauf genommen werden. „Als ich Gesundheitsminister geworden bin, wollte ich keinen Beliebtheitswettbewerb gewinnen!“ Zu lange habe man in ein nicht funktionierendes Gesundheitssystem zu viel Geld hineingepumpt, ist sich Lauterbach sicher.

So voll wie gestern im „Speicher 10“ war es beim Neujahrsempfang der SPD Münster selten. (Foto: Michael Bührke)

Zum Abschluss positionierte sich der Bundesgesundheitsminister klar gegen Vorstöße rechter Kräfte, Menschen mit Behinderung in Datenbanken zu erfassen: „Parteien, die Menschen mit Behinderung als Belastung sehen, brauchen wir nicht, die hatten wir schon“. Auch zum Thema Migration bezog Lauterbach klar Stellung: „Menschen mit Migrationshintergrund, die unser Gesundheitssystem am Laufen halten, dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden“. Stunden vor seinem Auftritt in Münster sorgte Lauterbach mit einem Tweet bei X mancherorts für Empörung, in dem er den Kanzlerkandidaten der CDU, Friedrich Merz, wegen seiner Aussagen bezüglich einer eventuellen Zusammenarbeit mit der AfD scharf kritisierte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert