Wenn irgendwer irgendjemandem irgendeine Zwangsjacke auszieht, dann befindet man sich entweder in Mr. Pilks Irrenhaus oder im Borchert Theater am Hafen. Gestern Abend war Premiere von Ken Campbells Komödie in einer Inszenierung von Sven Heiß.
Schon beim Betreten des Saales deutet ein sichtlich gelöstes Publikum auf den Charakter der Veranstaltung hin. Scherzchen hier, Begrüßung da, Umarmung, Lachen, viel lauter als sonst im Theater. Komödie eben. Und schon zerren die „drei Irren“ sich gegenseitig mit den Zähnen die auf dem Rücken verbundenen Zwangsjacken vom Körper. Damit lässt sich auch schlecht schauspielen. Mehr als einen Tisch oder ein Sofa, vielleicht mal einen Stuhl brauchen sie nicht. Was sonst an Requisiten fehlt, wird einfach auf die rückwärtige Projektionsfläche gemalt. Ein 60er-Jahre Transistorradio, eine Stehlampe mit Lilienkelchen, eine Bücherwand, Justitia, ein Herdfeuer – je nachdem, welche Szene gespielt wird.
Am Anfang sind die Enden noch vorhersehbar, als sich Florian Bender in der Rolle von „irgendwer“ vom Hochhaus stürzen will, weil seine Verliebte sich von ihm getrennt hat. Nach und nach gibt er Alexander Gier als „irgendjemand“ seine Kleidungsstücke, Schuhe, Brieftasche – das alles braucht er ja eh nicht mehr. Was kommen muss, kann man sich denken. Auch als Hannah Sieh als „irgendeine“ die sich echauffierende Mutter spielt und ihren Sohn Robert ständig ermahnt, ja, ihn sogar einliefern lassen will, weil er als Huhn ein Ei gelegt hat, ahnt man, was passiert. Doch zum Glück werden die Geschichten immer schräger und enthalten Wahrheiten und Sehnsüchte.
Die Ehefrau, die sich so furchtbar langweilt, weil ihr Gatte keinen anderen Wunsch hat, als nach einem ach so anstrengenden Arbeitstag die Zeitung zu studieren. Da wünscht man sich doch einen echten Cowboy. Wenn der dann noch verkündet, in Argentinien Eisbären gezüchtet zu haben, die später wegen Ausfall der Kühlanlage aggressiv geworden sind – umso besser. Manchmal braucht auch ein Verlassener einen kleinen Denkanstoß. Ob der Zenit tatsächlich erreicht ist, wenn der Mann in seinem eigenen Arschloch verschwindet, muss jeder selbst entscheiden. Die 140 Minuten im Irrenhaus vergehen jedenfalls wie im Flug.
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