Diesen Abend kann man wohl getrost als „Win-Win“-Situation bezeichnen, einen Weltstar sehen, dazu noch in intimer Atmosphäre, und gleichzeitig mit dem Eintritt wirklich gutes tun. Der Eintritt dieses Benefiz-Konzertes kam nämlich komplett dem Familienhaus am Universitätsklinikum Münster zugute. Für Ute Lemper als vierfache Mutter eine Herzensangelegenheit, sie wurde gerufen und zögerte nicht bei ihrer Zusage. Von New York, ihrer Wahlheimat, reiste sie also für zwei Auftritte an den Ort ihrer Geburt.
Glanz und Glamour im gediegen-zurückhaltenden Ambiente der Cloud, dem Veranstaltungssaal des Factory-Hotels am Germania Campus. Begleitet von Pianist Vana Gierig und Victor Vilenna am Bandoneon, war Ute Lemper „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Es ist die Musik, ihre große Liebe, welche man ihr zu jeder Sekunde des Auftrittes anmerkt. So begab sie sich zusammen mit dem Publikum auf eine Reise durch ihre Musik und die Zeit. Ob Piaf, die Dietrich, Brecht oder Brel, Chansons, Balladen oder Tango – der Alltag durfte getrost ausgeblendet werden und man konnte sich ganz und gar dem Zauber hingeben, der dort auf der Bühne passierte.
Die 30er mit Hollaender und Dietrich hatte man nun passiert und die Reise ging weiter, ab in die späten 50er mit Edith Piaf. Das fröhliche „Milord“ brachte spätestens ein Lächeln in alle Gesichter. Anschließend durfte getanzt werden, denn das darf man nicht vergessen, Gesang ist nicht Lempers einziges Talent, auf grazile Bewegungen versteht sich die Grande Dame mindestens genauso gut. Wie kann man dies besser unter Beweis stellen, als mit einem anmutigen Tango zu den Klängen, bzw. Texten von Weil / Brecht oder Piazolla.
Ihre musikalische Wandlungsfähigkeit stellte Ute Lemper spätestens unter Beweis, als sie mit „Avec le temps“ für einen atemberaubenden und melancholischen Gänsehautmoment sorgte, bei so viel Gefühl würde selbst der Schöpfer dieses Chansons, Léo Ferré tosenden Applaus spenden, und dies völlig zu Recht. Ein absolutes Highlight des Abends. Mit der „feschen Lola“ wurde das Publikum dann etwas heiterer in die Pause verabschiedet.
Nach der Pause ließ es sich das Stadtoberhaupt Münsters, Oberbürgermeister Markus Lewe nicht nehmen, eines der berühmtesten Kinder der Stadt persönlich Willkommen zu heißen. Was ihm später noch bevorstand, ahnte er da sicher nicht.
Mit einer Komposition von Nerudas Liebesgedichten gab es zunächst einmal wieder viel Gefühl auf der Bühne, danach ging es dann etwas in die „gesellschaftlichen Niederungen“. Bevor Lemper allerdings mit Jacques Brels „Amsterdam“ die rauhen Gepflogenheiten des Hafen- und Rotlichtviertels der niederländischen Hauptstadt der 60er Jahre besang, musste der Oberbürgermeister sein Wissen über die Spelunken der Stadt Münster preisgeben. „Wer sonst, wenn nicht er, müsste sich doch bestens damit auskennen. Womöglich im Rathauskeller?“, scherzte Lemper mit Lewe, der sich aber augenzwinkernd nichtwissend gab.
Einen schönen Chanson und Tango später, wurde dann zum großen Finale gebeten, der Evergreen von Brecht / Weil stand auf dem Programm. Das Moritat von Mackie Messer, der in diesem Fall wohl auch Oberbürgermeister ist, zumindest wenn man Ute Lemper glaubt, die den Text kurzerhand auf ihn „umschrieb“. Doch damit nicht genug, wenn der OB schon einmal da ist, dann hat dieser gegen ein Tänzchen mit Frau Lemper auf der Bühne sicher nichts einzuwenden. Unter dem Gejohle des Publikums lässt sich Lewe nicht lange bitten, steht auf der Bühne und macht neben Lemper gar nicht mal so eine schlechte Figur. Humorvoll, ein wenig frivol, aber niemals anzüglich scherzt diese mit Lewe und tanzt zum guten Schluss Po an Po mit ihm, Entertainment wie es wohl nur ein Weltstar hinbekommt, fantastisch.
Getragen von dieser Stimmung, gibt es zum Ende stehende Ovationen und eine schöne Zugabe, „Non, je ne regrette rien“ – Keine Frage, an diesem Abend gibt es auch nichts zu bereuen.
Ist es einfach jahrelange Erfahrung und Routine, die Lempers Auftritte so glanzvoll erscheinen lässt? Mitnichten, sie liebt was sie tut und lässt dies alle Anwesenden zu jeder Zeit spüren. Sie unterhält, versinkt in ihren Songs, träumt, flechtet hier und da eigene Monologe in die Lieder ein und kommuniziert so auf liebevolle und verschmitzte Art mit den Zuschauern. Ihre herrliche, teils anrüchig-rauchige Stimme rundet das Gesamterlebnis ab, auf den großen Bühnen der Welt und eben auch in Münster. Frau Lemper, es war Münster eine große Ehre, bitte kommen Sie bald wieder!
Hier gibt es noch einige Bilder des Abends.
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