(cs) Es wird böse enden! Gleich zu Anfang von Luisa Guarros Inszenierung von „Der Sandmann“ springt, tobt und tanzt die Hauptfigur Nathanael über die ganze Bühne. Aber der Unterton, die stampfende Musik, die Passivität der namenlosen Gestalt, die ihn wie ein Zwilling während der gesamten Aufführung begleitet und fast wortlos Nathanaels Innenleben spiegelt, die Kälte der Mutter und die übertriebene Überspreiztheit: Das alles deutet schon auf das tödliche Ende hin.
Das Ergebnis darf vorweggenommen werden: Bei der Theaterinszenierung von E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ ist der tragische Ausgang seit rund 210 Jahren bekannt und sie gehört zum Kanon der deutschsprachigen Literatur – vor kurzem noch schwitzten dazu Schüler während des Abiturs. Spannend ist aber während der rund neunzig Minuten zu sehen, wie sich Nathanael seinem Untergang nähert und er an seinem eigenen Wahnsinn scheitert und Opfer seiner nicht wohlmeinenden Umwelt wird.
Die erfolgreiche italienische Autorin und Gastregisseurin Luisa Guarro inszeniert zum zweiten Mal ein Stück für das Wolfgang Borchert Theater. Sie hat dazu ihre eigene Bühnenfassung geschrieben. In der Inszenierung beschränkt sie sich auf die subjektive Sichtweise der Hauptfigur. Dabei weicht sie von der literarischen Vorlage ab, die die Ereignisse zeitweilig betont nüchtern und sachlich darstellt.
So bringt sie phantastische bis surreale Szenen auf die Bühne, die uns Nathanaels Gefühlsleben zeigen. Schon das Bühnenbild spiegelt seine Wahrnehmung wieder. Eingetaucht in einem schwarzen Hintergrund befinden uns in einem panoptikumsartigen Gefängnis oder einer Psychiatrie. Mehrere Türen haben Öffnungen, durch die Wärter den gesamten Raum inspizieren könnten. Im Hintergrund ist ein Giggeln, hämisches Lachen oder andere Kommentierung zu hören. So, als ob von Zeit zu Zeit die Wirklichkeit erfolglos um Einlass in diese Echokammer bittet.
Spektakulär sind die Lichteffekte von Paco Summonte. Sie verstärken die Verfremdung und verführen die Zuschauer. Beeindruckend ist der Moment, wenn Nathanael den Bezug zur Realität verliert und fast vollständig in seinem überdimensionalen Schatten aufgeht. Man muss nicht alle Bilder rational verstehen. Das Publikum sollte in die eigenen Gefühle hineinhorchen und sich von diesem rauschhaften Sog hineinziehen lassen. Lediglich zu effekthascherisch sind die zahlreichen Momente, in denen Augen ausgestochen oder herausgerissen werden und teilweise wie Murmeln weiterbehandelt werden. Zwar verweist schon der Titel auf die herausgehobene Stellung des Sinnesorgans für das Verständnis des Stückes, aber weniger drastische Darstellungen hätten auch genügt.
Es ist das Fenster zur Seele und die zentrale Möglichkeit, die Außenwelt wahrzunehmen. Sigmund Freud hat sich in einer umfangreichen Abhandlung mit der Erblindungsangst auseinandergesetzt. Einen Seitenhieb darauf konnte die Regisseurin sich nicht verkneifen, als sie Nathanael in einem seiner wenigen klaren Momenten zum Psychiater in die Sprechstunde schickt. Unglaublich naiv lässt sich dieser davon überzeugen, dass der Protagonist keine Gefährdung mehr für sich darstellt.
In der Rolle des Nathanael glänzt Markus Hennes. Aber das gesamte Ensemble spielt hier hervorragend auf. Eine mehr als gelungene Premiere zum Beginn der neuen Spielzeit. Sehenswert!
Weitere Termine: täglich bis zum 29.8. und vom 15.10. bis 17.10. (Beginn um 20 Uhr, Sonntags bereits um 18 Uhr). Mehr Infos, Bilder und Kostproben und einen Link zu den Tickets findet ihr unter www.wolfgang-borchert-theater.de
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