Dass die Hormonersatztherapie mit Östrogenen und Gestagenen bei Frauen während der Menopause einen schlechten Ruf bekommen hat, ist schon einige Jahre her. Anfang der 2000er Jahre hatte die breit angelegte WHI-Studie aus den USA einen Zusammenhang zwischen der Gabe von Hormonen zur Linderung von Menopause-typischen Beschwerden und der Entstehung von Brustkrebs belegt. Inzwischen haben die Autoren der Studie ihre damaligen Ergebnisse vollkommen neu bewertet.
„Die Autoren bedauern, dass ihre Ergebnisse viele Frauen, die während der Wechseljahre unter starken Beschwerden gelitten haben, verängstigt und von der Einnahme von Hormonen abgehalten haben. Dies wurde vor allem durch die einseitige Darstellung von möglichen negativen Hormonwirkungen verursacht. Ein höheres Brustkrebsrisiko durch eine Hormonersatztherapie ist in der WHI-Studie für die alleinige Östrogen-Anwendung nicht belegt worden. Ein leicht erhöhtes Risiko für die Kombination Östrogen/Progesteron ist demnach erst nach mehreren Jahren der Einnahme aufgetreten“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kiesel, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am UKM. „Außerdem zeigt die Neubewertung der WHI-Studie bei anderen Krankheitsbildern wie beispielsweise Demenz oder Alzheimer, dass die Hormonersatztherapie hier eine durchaus günstigere Prognose bietet als bei Frauen, die mit Eintritt in die Menopause nicht mit Östrogenen und Gestagenen behandelt werden.“
Auch helfe eine gezielte frühe Gabe von Hormonen offenbar, die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen zu verzögern oder gar zu verhindern. „Dieses Ergebnis ist ganz wichtig: Fragt man gesunde Frauen, woran sie sterben werden, so antworten 39 Prozent, dass vermutlich Brustkrebs die Ursache sein werde. So sehr hat sich das Thema in die Köpfe der Frauen eingebrannt“, so Kiesel. „Nur 18 Prozent sagen voraus, sie würden einer Herzerkrankung erliegen. In Wahrheit sterben heute aber nur vier Prozent der Frauen an Brustkrebs und 45 Prozent an Herzerkrankungen.“ Insofern könnte man laut Kiesel zu der Auffassung kommen, dass eine Behandlung der Menopausen-Beschwerden mit Hormonen das Leben einer Frau sogar verlängern kann, und das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, in keinem Verhältnis steht zum Nutzen im Hinblick auf andere Erkrankungen. Denn auch bei Osteoporose und Diabetes scheint die Hormongabe einen deutlichen Nutzen zu haben.
Kiesel, der von 2005 bis 2010 auch Präsident der Deutschen Menopausen-Gesellschaft e.V. war, bedauert, dass sich viele jüngere Gynäkologen und Gynäkologinnen in ihrer Weiterbildung nicht mehr hinreichend mit der adäquaten Behandlung von Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen befassten. „Frauen wurde über Jahre beim von Ärzten gesagt, dass sie mit ihren Beschwerden leben müssen, weil es keine wirksame Behandlung dagegen gibt, deren Nutzen die Risiken überwiegt. Es wurde – gerade bei milderen Beschwerden – häufig auf den „Placebo-Effekt“ einiger pflanzlicher Medikamente gesetzt. In der Tat kann man in einem Drittel der Fälle auch günstige Effekte nachweisen – bei schweren Beschwerden jedoch helfen häufig pflanzliche Medikamente nicht.“ Kiesel setzt deshalb darauf, diese Informationen in Intensivkursen weiterzugeben. Am 10. Januar veranstaltet die Klinik für Frauenheilkunde daher ihr traditionelles Neujahrssymposium für Niedergelassene. „Dabei werden wir selbstverständlich nicht nur über die Neubewertung der Hormonersatztherapie, sondern auch über Fragestellungen der operativen Gynäkologie oder der Senologie (Lehre von der weiblichen Brust) und Onkologie sprechen“, so Kiesel.
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