Ob während der Rosetta-Mission mit der spektakulären Landung der Sonde Philae auf dem Kometen „Tschuri“, bei der Erkundung der fernen Asteroiden Vesta und Ceres oder bei der Erforschung von Mars und Mond, immer ist auch ein Stückchen Münster in den Tiefen des Alls mit unterwegs. Prof. Harald Hiesinger vom münsterischen Institut für Planetologie hat viele Weltraummissionen mit vorbereitet und wertet mit dem Team des Instituts an der Wilhelm-Klemm-Straße einen großen Teil der Daten aus, die von den unbemannten Sonden zur Erde gefunkt werden.
„Ein super spannendes Thema, das viel Spaß macht. Es ist toll, wenn man da seine Finger mit drin hat“, berichtet der gebürtige Bayer in einem Büro, in dem praktisch jede Stelle auf die Weltraumbegeisterung seines Bewohners hinweist. Anfang des Jahres hat die Europäische Weltraumorganisation ESA Hiesinger zum Berater für zukünftige Weltraummissionen berufen. „Das umfasst eine ganze Reihe beratender Aufgaben. Was will die wissenschaftliche Gemeinde in Europa, wie passt das mit dem langfristigen ESA-Zielen zusammen? Es geht um das Sammeln von Ideen, die strukturiert an den zuständigen Direktor weitergeleitet werden. Es geht auch um die Frage, welche Möglichkeiten für wissenschaftliche Instrumente sich während einer Mission ergeben“, erläutert der Wissenschaftler.
Hiesinger ist ein Quereinsteiger in die Weltraumforschung. Der 54-Jährige hat zunächst in München Geologie studiert und danach in Oberpfaffenhofen, Berlin und den USA an unterschiedlichen Hochschulen und beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gearbeitet. 2006 kam er dann nach Münster. Als Anerkennung seiner bisherigen Forschungsarbeiten wurde vor knapp vier Jahren ein Asteroid nach ihm benannt, „ich bin ganz froh, dass es ein Asteroid war und kein Krater, weil die Regelung für die Benennung von Kratern ist, dass man mindestens drei Jahre tot sein muss“, sagt der Wissenschaftler lachend.
Jede Mission hat ihre spannenden Seiten, so Hiesinger, aber seine größte Leidenschaft gehört ganz klar unserem nächsten Nachbarn im Weltall, dem Mond. Die Kameras an Bord der NASA Mondsonde Lunar Reconnaissance Orbiter liefern seit 2009 Fotos von der Mondoberfläche in nie dagewesener Qualität und mit faszinierendem Detailreichtum. Auf ihnen war es zum Beispiel erstmals möglich, die Spuren der bemannten Mondlandungen zu erkennen. „Wer jetzt noch behauptet, dass wir nie dort waren, redet groben Unfug!“ sagt der Wissenschaftler mit tiefer Überzeugung. „Wir haben auf den Fotos sogar das verloren gegangene, unbemannte russische Mondfahrzeug Lunochod 1 aus dem Jahr 1970 wiedergefunden“, berichtet der Geologe begeistert.
Harald Hiesinger war bislang der einzige europäische Wissenschaftler, der unbeschränkten Zugriff auf die Kameradaten dieser Sonde hatte, vor wenigen Wochen kam Dr. Carolyn van der Bogert hinzu, die ebenfalls am Institut für Planetologie in Münster arbeitet. Die meisten Daten, die im Institut für Planetologie ausgewertet werden, kommen von unbemannten Sonden. Macht die sehr viel teurere und aufwendigere bemannte Raumfahrt mit Blick auf die großen Erfolge der unbemannten Sonden überhaupt noch einen Sinn? „Ja, unbedingt!“, Hiesinger, der zukünftigen Astronauten Kurse in Geologie gibt, muss über diese Frage nicht lange nachdenken. „Es kommt immer auf die Fragestellung an. Der Mensch ist eine unwahrscheinlich gute Maschine, die große Datenmengen in kurzer Zeit verarbeiten und selbstständig Entscheidungen treffen kann. Außerdem ist es das Natürlichste was man macht: Da ist ein unbekanntes Gebiet, da geht man hin und erforscht es.“
Auf der jährlich stattfindenden „Lunar and Planetary Science Conference“ in den USA hat Hiesinger schon viele der Astronauten persönlich getroffen, die vor rund 45 Jahren den Erdtrabanten besucht haben. „Es ist toll, mit diesen Leuten zu sprechen. Zum Mond würde ich unwahrscheinlich gerne fliegen. Zum Mars aktuell noch nicht, der Flug dauert zu lange und die Reise ist zu gefährlich“, sagt der Planetologe und man merkt, dass er es durchaus ernst meint.
Weltraummissionen sind derart komplex und teuer, dass sie meist nur durch internationale Zusammenarbeiten realisiert werden können. „Indien, Russland, USA, China, Japan, viele Nationen arbeiten bei der Erforschung des Weltalls sehr gut zusammen, man muss nur miteinander reden und Möglichkeiten ausschöpfen“, berichtet Hiesinger und ist davon überzeugt, dass die Raumfahrt Impulse dafür liefern kann, wie es auch bei der Lösung irdischer Probleme friedlicher zugehen könnte. Die Weltraumforschung ist nach Meinung des Geologen auch ein wichtiger Arbeitgeber, alleine am münsterischen Institut für Planetologie arbeiten ca. 50 Mitarbeiter, darunter viele Studierende, die unmittelbar in Raumfahrtprojekte eingebunden sind. Prof. Thorsten Kleine und seine Mitarbeiter befassen sich mit der Analyse extraterrestrischer Gesteine, um zum Beispiel den Ursprung des Sonnensystems verstehen zu können. Die Studenten werden in Münster unter anderem dank einer der größten Meteoriten-Sammlungen der Welt umfassend ausgebildet, besonders wertvolle Exponate wie einige Gesteine von der Mondoberfläche werden in Tresoren gelagert.
Aufgebaut wurde die Sammlung seit Anfang der 1980er von Hiesingers Kollegen Prof. Addi Bischoff. Besonders viel Spaß machen Harald Hiesinger die Vorträge bei den Kinder-Unis: „Das ist so klasse, wenn Sie die Kinder mit ihren großen Augen vor sich sitzen sehen, die sind so begeisterungsfähig! Wenn ich dann allerdings sage, dass man sehr viel lernen muss, um Astronaut zu werden, legt sich die Begeisterung meist wieder ein wenig. Außer bei den Lehrern!“ Auch auf den vierjährigen Sohn Hiesingers scheint die Begeisterung für die Weltraumfahrt bereits übergesprungen zu sein. Als er im Fernsehen eine Dokumentation über den ersten bemannten Mondflug und die Astronauten in ihren Raumanzügen sah, sagte er spontan: „Das möchte ich auch werden!“
Als nächstes Projekt steht im Oktober der Start der Sonde BepiColombo an, sie soll den innersten Planeten unseres Sonnensystems untersuchen, den Merkur. „Das wird sehr spannend, es ist überaus kompliziert, zum Merkur zu fliegen“, erläutert der Planetologe. Ob Prof. Harald Hiesinger beim Start dabei sein wird, ist noch unklar. „Während des Starts des Lunar Reconnaissance Orbiters war ich nur wenige Kilometer von der Startrampe entfernt. Wenn dann nach ein paar Sekunden der Donner der Triebwerke bei einem ankommt, ist das ungeheuer beeindruckend!“
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