Mit einem alten, bunten VW-Bus auf dem Prinzipalmarkt parken, direkt vor dem Friedenssaal und entgegen der Fahrtrichtung, das endet normalerweise sehr schnell mindestens mit einem Knöllchen. Grigorij Richters, der den vierzig Jahre alten Bulli so sportlich eingeparkt hat, bekommt hingegen aufmunternde Worte, Lob für sein Engagement, Unterschriften auf seinem betagten Vehikel und möglichst viele Unterzeichner seiner Petition.
„Eine Million Schritte“ hat er seine Aktion genannt, mit der er auf das Leid von KiIndern und Jugendlichen aufmerksam machen will, die in griechischen Flüchtlingscamps unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und „täglich sterben“, wie er sagt. Richters wandert von Paris nach Berlin und versucht auf seinem Weg, Menschen für das Problem zu sensibilisieren und Politiker davon zu überzeugen, die 1.000 Kinder und Jugendlichen aus den Flüchtlingscamps herauszuholen und in den Kommunen unterzubringen. Der Bulli dient dabei als Eyecatcher: „Wenn ich hier mit einem Rucksack stehen und die Leute ansprechen würde, bekäme ich vermutlich überwiegend Ablehnung zu spüren. Aber bei dem auffälligen Fahrzeug bleiben die Leute neugierig stehen, lesen sich die Infos in den Fenstern durch und kommen mit mir ins Gespräch“. Im Schritttempo fährt der VW-Bus Baujahr 1973 hinter dem Wanderer her, der im Schnitt pro Tag 30 Kilometer hinter sich bringt. Am Steuer sitzen Freiwillige, die Richters Aktion unterstützen.
Münster war am Montag die 19. Station auf dem Weg des Aktivisten, vor dem Friedenssaal traf er mit Oberbürgermeister Markus Lewe und Bürgermeisterin Karin Reismann gleich zwei hochrangige Vertreter der Stadt. „Überall treffe ich auf sehr viel positive Rückmeldung, es gibt so viele schöne Geschichten“, berichtet Grigorij Richters, maximal ein Prozent der Begegnungen seien negativ gewesen und dem solle man dann auch nicht zu viel Gewicht beimessen. Reismann informierte den Aktivisten über das sehr gute, dezentrale Unterbringungsmanagement der Stadt, das sich in den letzten Jahren sehr gut bewährt hätte. Lewe berichtete, dass er noch am Vortag mehrere Flüchtlingsheime besucht hätte und ließ sich von Richters eingehend über die Zustände in den griechischen Camps berichten. Nahezu täglich erfährt Richters von Freunden, die für die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR in den Camps arbeiten, von neuen Gräueltaten an Kindern.
Mehrere Prominente unterstützen Grigorij Richters bei seiner Aktion, die Band Queen ebenso wie die Schauspieler Stephen Fry und Judi Dench oder der Astronaut Chris Hadfield. In Mülheim hat Richters kurzerhand Helge Schneider aus dem Bett geklingelt, der in Puschen zum Bulli schlurfte und ebenfalls seine Unterschrift auf dem Lack verewigte.
Am 1. Dezember will Richters in Berlin eintreffen, der Bundesregierung seine Petition überreichen und den Bulli versteigern. Dann haben vielleicht genügend Menschen seine Petition unterschrieben, um die Politiker davon zu überzeugen, möglichst schnell das schreckliche Leid der Kinder in den Flüchtlingslagern zu beenden. „An den Kommunen liegt es nicht, die Entscheidung wird im Bund und in den Ländern getroffen“, wie Karin Reismann erklärt.
Wer mehr über Grigorij Richters erfahren möchte, kann sich am einfachsten auf seiner Seite www.imarchforyou.org informieren. Da kann auch die Petition unterzeichnet werden.
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