Um den bedrohlichen Verlust der Artenvielfalt zu überwachen, ist es von entscheidender Bedeutung, den Bedrohungsstatus verschiedener Tiergruppen regelmäßig zu analysieren und zu bewerten. In diese Analyse fließen auch neue Daten und Forschungsergebnisse ein. Kürzlich wurde in der Fachzeitschrift Nature nach etwa 20 Jahren die zweite globale Bewertung der Bedrohungssituation der Amphibien veröffentlicht – und das Ergebnis ist alarmierend.
Die Lage der Amphibien sei besorgniserregend: „Von den 8.011 bewerteten Arten sind 40,7 % bedroht“, betont Dr. Philipp Wagner vom Allwetterzoo in Münster, einer der Ko-Autoren der Studie. Damit sind die Amphibien nach den Schildkröten (60 %) und den Krokodilen (50 %) die am stärksten von der globalen Biodiversitätskrise betroffene Gruppe von Wirbeltieren, obwohl sie deutlich artenreicher sind als die beiden vorgenannten Gruppen. Zusätzlich zu den Arten, die bereits in der ersten Analyse erfasst wurden, konnten in der im Juni 2022 abgeschlossenen Untersuchung weitere 2.286 Arten aufgenommen werden. Damit wurden insgesamt 92,9 % aller 8.615 beschriebenen Amphibienarten erfasst. Auch die Datenlage über die einzelnen Arten hat sich verbessert. Während bei der ersten Analyse noch 22,5 % der Arten von der Weltnaturschutzorganisation IUCN als „Daten unzureichend“ bewertet wurden, waren es bei der neuen Studie nur noch 11,3 %.
Salamander am meisten bedroht
Die neue Studie zeigt jedoch, dass die Bedrohung der Amphibien stetig zunimmt. Im Jahr 1980 waren es noch 2.681 (37,9 %) bedrohte Arten, diese Zahl stieg 2004 auf 2.788 (39,4 %) und aktuell weiter auf 2.873 (40,7 %) Arten. Alle diese Arten werden in den Kategorien „Kritisch gefährdet“, „Stark gefährdet“ und „Gefährdet“ von der IUCN geführt. Im Vergleich dazu werden lediglich 33,4 % der Säugetierarten und sogar nur 16 % der Vogelarten in diesen Kategorien geführt, wie Wagner ergänzt. Die höchsten Dichten bedrohter Arten finden sich auf den karibischen Inseln, in Mesoamerika, den tropischen Anden, den Bergen und Wäldern Kameruns und Ost-Nigerias, auf Madagaskar, in den Western Ghats und auf Sri Lanka. Weitere Konzentrationen bedrohter Arten finden sich im Atlantischen Waldbiom Süd-Brasiliens, den Eastern Arc Mountains in Tansania, Zentral- und Südchina und den südlichen Annamiten in Vietnam. Die am stärksten bedrohte Gruppe innerhalb der Amphibien sind die Salamander, zu denen auch die heimischen Feuer- sowie Alpensalamander gehören.
Drastische Maßnahmen in Südamerika notwendig
Früher wurden Lebensraumverlust (50 %) und die erst später erkannte Amphibienseuche Bd (48 %) als Hauptursachen für den Rückgang betrachtet. Mittlerweile sind jedoch der fortschreitende Klimawandel (39 %) und der Lebensraumverlust (37 %) die Hauptursachen für den Rückgang. Amphibienseuchen sind jedoch der Hauptgrund (76 %), warum Arten in die höchste Bedrohungskategorie „Kritisch gefährdet“ hochgestuft werden. Umgekehrt sind Verbesserungen der Lebensräume der Hauptgrund dafür, dass Arten wieder herabgestuft werden können. Besonders besorgniserregend ist die Situation der Salamander und der Amphibienarten in der Neotropis. Um diesen Trend umzukehren, sind drastischere Maßnahmen in Südamerika erforderlich. „Unsere Studie macht deutlich, dass wir die Amphibien weltweit immer stärker ausrotten“, betont Dr. Philipp Wagner vom Allwetterzoo in Münster, einer der Ko-Autoren der Studie. „Vor allem aber zeigt sie uns, wo wir handeln müssen, um diesen Trend aufzuhalten, der mittlerweile auch Europa erfasst hat.“
Lebensraumverlust durch landwirtschaftliche Expansion
Bis 1980 waren weltweit nachweislich 23 Arten ausgestorben, weitere zehn bis 2004 und zusätzliche vier bis 2022. Die jüngsten Opfer waren die Froscharten Atelopus chiriquiensis und Taudactylus acutirostris, deren Bestände aufgrund der Amphibienseuchen zusammengebrochen sind. Die Froschart Craugastor myllomyllon und der Salamander Pseudoeurycea exspectata wurden ebenfalls seit den 1970er Jahren nicht mehr gesichtet und fielen dem Lebensraumverlust durch landwirtschaftliche Expansion zum Opfer. „Gerade Zoos müssen hier viel aktiver werden. Wir müssen uns auf Arten konzentrieren, bei denen absehbar ist, dass sie demnächst in der Natur verschwinden werden“, fügt Wagner hinzu. Ein solcher Kandidat befindet sich sogar in Deutschland: der Feuersalamander. Hier ist absehbar, dass seine Populationen aufgrund der Amphibienseuche Bsal weiter zurückgehen werden. Auch Lebensraumverbesserungen werden daher vorerst keine großen Auswirkungen haben. In diesem Zusammenhang arbeiten der Allwetterzoo Münster und andere Zoos eng mit Natur- und Artenschutzorganisationen wie dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz oder Citizen Conservation zusammen.
Der Allwetterzoo Münster engagiert sich auch aktiv für den Artenschutz in Südostasien. „In Kambodscha, wo wir mit dem ACCB ein eigenes Artenschutzzentrum aufgebaut haben, beobachten wir die Arten genau, um eingreifen zu können.“ Denn in Asien sind es nicht nur Klimawandel und Lebensraumverlust, die die Arten bedrohen. Dort gelten Amphibien wie Glyphoglossus molossus auch als Nahrungsgrundlage, weswegen sie oft nicht nachhaltig gesammelt und auf lokalen Märkten angeboten werden.