Nur zu gut werden sich vermutlich so einige Münsteranerinnen und Münsteraner an die nächtliche Kolonne erinnern, die ziemlich genau vor einem Jahr mit schweren Trucks gemächlich durch Münster zog und den Boden durchgerüttelt hat. Es ging darum, das Potenzial des Untergrunds für die Nutzung von Erdwärme zu erkunden. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor und die Stadtwerke planen die nächsten Schritte.
Die Stadtwerke Münster arbeiten an der Wärmewende im Fernwärmenetz und setzen dafür auf verschiedene grüne Erzeugungstechnologien. Eine wichtige Rolle soll dabei Erdwärme aus tiefen Gesteinsschichten spielen: „Erdwärme steht rund um die Uhr ganzjährig verlässlich zur Verfügung und ist völlig klimaneutral“, betont Markus Bieder, Leiter Erneuerbare Wärme und Stromerzeugung bei den Stadtwerken Münster. „Geothermie wird direkt vor Ort gewonnen, ist unabhängig von importierten Brennstoffen und macht die Wärme zum echten Heimatprodukt.“
Den ökologischen Vorteilen der tiefen Geothermie stehen jedoch hohe Investitionskosten und lange, intensive Voruntersuchungen gegenüber. Ziel ist es, geologische und wirtschaftliche Risiken zu minimieren bevor mit Probebohrungen ein Blick in die Tiefe gewagt werden kann. „Verläuft eine Probebohrung ohne positives Ergebnis, entstehen trotzdem Kosten in Millionenhöhe. Deswegen brauchen wir eine hohe Sicherheit, bevor wir diesen Schritt gehen“, so Bieder.
Bisher wird tiefe Geothermie in Münster nicht eingesetzt. Die Stadtwerke Münster haben jedoch schon erste Schritte unternommen, um sich dem warmen Bodenschatz anzunähern. Der Energieversorger hat sich die exklusiven Rechte an der Gewinnung von tiefer Geothermie bergrechtlich gesichert und bereits 2020 eine Forschungspartnerschaft mit der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG geschlossen. Ausgehend von den ersten Ergebnissen der 2D-Seismik-Untersuchungen des Landes NRW und des Geologischen Dienstes, die im vergangenen Herbst durchgeführt wurde, stellen die Partner nun die nächsten Schritte auf dem Weg zur Geothermie in Münster vor.
Vielversprechende Ergebnisse, aber ein langer Weg
„Die ersten Ergebnisse zeigen, dass in einer Tiefe von bis zu 6.000 Metern gleich drei vielversprechende Schichten von Kalkgestein übereinanderliegen. Das ist aus geologischer Sicht eine sehr gute Ausgangslage für die Gewinnung von Geothermie“, sagt Professor Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG. Im ersten Quartal 2023 erwarten die Partner die detaillierten Auswertungen des Geologischen Diensts. Diese werden genauere Hinweise auf die Lage der Gesteinsschichten enthalten. Die Wissenschaftler der Fraunhofer IEG unterstützen das Team der Stadtwerke Münster intensiv bei den nun anstehenden Analysen der Geologie in Münsters Untergrund. Um geologische und wirtschaftliche Risiken für unsere Geothermie-Planungen auszuschließen, planen die Stadtwerke eine weitere seismische Untersuchung, um das noch grobe Bild vom Untergrund weiter zu verfeinern. Aus Naturschutzgründen wäre ein frühestmöglicher Zeitpunkt dafür Ende kommenden Jahres. Erst auf Basis der verfeinerten Seismik-Daten können die Stadtwerke Münster über den nächsten Schritt entscheiden: Eine erste Probebohrung.
Positive Ergebnisse vorausgesetzt, folgen darauf weitere Planungen, Genehmigungsverfahren und Bohrungen. Läuft alles nach Plan, könnte frühestens 2030 ein Geothermie-Heizwerk grüne Wärme ins münstersche Netz speisen. „Tiefe Geothermie bietet große Chancen für die klimaneutrale Wärme, aber sie ist nichts für Ungeduldige“, sind sich Wärmeexperte Bieder und Professor Bracke einig.
Bei der tiefen Geothermie wird heißes Thermalwasser aus bis zu 5.000 Metern Tiefe für die Fernwärmegewinnung genutzt. Über Tiefenbohrungen wird das bis zu 200 °C heiße Wasser an die Oberfläche gefördert. Dort wird dem Wasser die Wärme entnommen und ins Fernwärmenetz eingespeist. Das abgekühlte Thermalwasser wird über eine zweite Bohrung wieder in das Tiefengestein abgegeben.
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