Wie ein breites Tortenstück mit dem Schloss in der Spitze sieht er aus, der Teil des münsterschen Stadtplans, in dem sich die meisten Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen der Stadt befinden. Über Jahrzehnte gewachsen, finden sich dort Institute, Labors, Hörsäle und eine komplette Uniklinik. Aber Restaurants, Kneipen, Einkaufsgelegenheiten oder einfach nur Wohnraum? Fehlanzeige. Außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder am Wochenende haben manche Ecken wie zum Beispiel die Corrensstraße mit ihren modernen Instituten Ähnlichkeit mit Geisterstädten aus Endzeit-Filmen.
Wenn Mitarbeiter innovativer Hightech-Firmen im Technologiepark mittags Butterbrot und Thermoskanne auspacken oder bei Nachbarfirmen nachfragen müssen, ob sie die Kantine mitnutzen dürfen, ist das wenig attraktiv, weder für Fachkräfte noch für Neuansiedlungen. „Es kann doch nicht sein, dass unsere Mitarbeiter, wenn sie um 20 Uhr Feierabend machen, keine Möglichkeit haben, noch mal eben schnell in der Nähe einzukaufen“, schildert der kaufmännische Direktor der Uniklinik, Dr. Christoph Hoppenheit, die alltäglichen Probleme vieler Mitarbeiter. Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität, berichtet, dass es nach Tagungen oft zum fast unlösbaren Problem wird, abends noch irgendwo hinzugehen, ohne größere Strecken in Kauf nehmen zu müssen. Zu arealbezogen habe man früher gedacht und geplant, ohne Blick fürs Ganze, bedauert der Oberbürgermeister.
Spitzenvertreter der Stadt, der Hochschulen, des Studierendenwerks, der Uniklinik und des Landes NRW haben am 07.09. mit einer gemeinsam unterzeichneten Absichtserklärung den Grundstein dafür gelegt, dass die Wissenschaftswüsten mit Leben erfüllt werden. „Wir wollen in die Wissensquartiere Wohnen und Gastronomie integrieren, um urbane Qualität zu erzeugen“, erläutert Oberbürgermeister Markus Lewe und verweist auf den globalen Wettbewerb, dem sich auch Münster stellen muss. Dass es nicht nur darum geht, ein paar Frittenbuden und einen Edeka zu bauen, wird spätestens dann deutlich, wenn Münsters Stadtbaurat Robin Denstorff davon spricht, den Botanischen Garten von der „schönsten Sackgasse der Stadt“ zum attraktiven Bestandteil eines neu zu schaffenden Wegenetzes umzugestalten. Wissenschaft und Lebensart sollen nicht mehr nebeneinander existieren, sondern sich durchdringen, aus Wissenschaftsinseln sollen spannende Räume werden, in denen gelebt und gewohnt wird. „Wir planen im Grunde genommen ein neues Viertel“, so Lewe.
Zum Schnäppchenpreis gibt es diese Aufwertung des Quartiers und damit der gesamten Stadt nicht, auf rund 1,6 Milliarden Euro schätzen die Partner die Gesamtkosten, verteilt über, so die Hoffnung der Unterzeichner, einen Zeitraum von zehn Jahren. Neue Wegekonzepte und attraktive Freizeitangebote im Wissensquartier sollen nicht nur denen zugutekommen, die dort leben und arbeiten sondern auch andere Münsteraner in das aktuell noch blutleere Tortenstück locken, damit aus der heutigen Geisterstadt auch nach Feierabend ein belebter und beliebter Teil der Stadt wird.
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