Um das eigene Karma zu verbessern, Tiere in die Freiheit entlassen? Eine schöne Idee, die aber auch den illegalen Wildtierhandel florieren lässt. Denn bevor ein Tier in die Freiheit entlassen werden kann, muss es zunächst einmal gefangen oder auf einer Wildtierfarm gezüchtet worden sein. Umso wichtiger ist, dass Menschen verstehen, dass das der falsche Ansatz ist – auch wenn die Motivation des Freilassens eine löbliche ist.
Es heißt, die Wege des Herren seien unergründlich. Doch egal ob Frau oder Herr, um ein „guter“ Gläubiger zu sein, kann es schon einmal zu kuriosen Konstellationen kommen. So zum Beispiel auch im Buddhismus. Eine gute gemeinte Geste trägt hier zu einem florierenden, illegalen Wildtierhandel bei.
In der Hoffnung auf positive Auswirkungen auf das eigene Karma, werden zum Beispiel in Kambodscha Tiere in die Freiheit entlassen. Hierbei handelt es sich aber nicht um verletzte und wieder genesen oder gerettete Tiere, sondern um gekaufte Exemplare, die eigens für diesen Zweck gefangen worden sind. „Es ist ein regelrechter Wildtiermarkt, der nur darauf ausgerichtet ist, Tiere an Gläubige zu verkaufen – nur um sie später wieder einzufangen und erneut verkaufen zu können“, beschreibt der Artenschutzkurator vom Allwetterzoo Münster, Dr. Philipp Wagner, das Prozedere.
Die Tatsache, dass illegal gehandelte Wildtiere gekauft und an buddhistische Klöster gespendet werden, fördert die Wilderei in dem asiatischen Land. Aber das sei nicht die einzige Herausforderung, so Wagner. „Hinzu kommt, dass eine wachsende Anzahl an Klöstern diese Tiere aus Unwissenheit dauerhaft unter nicht tiergerechten Bedingungen hält.“ Diese Tatsache sei auch die Initialzündung gewesen, weshalb es zu der Zusammenarbeit einer internationalen NGO und einem Artenschutzzentrum eines deutschen Zoos gekommen sei. „Zusammen mit unserem Artenschutzzentrum, dem Angkor Center for Conservation of Biodiversity (ACCB), einer 100-prozentigen Einrichtung des Allwettzoos in Münster, und der Welttierschutzgesellschaft (WTG) haben wir ein Lehrbuch für buddhistische Mönche entwickelt. Damit wollen wir sie in einem weiteren Schritt als Tierschutzbotschafter ausbilden. Als Multiplikatoren unterstützen sie uns dann dabei den Wildtierschutz in Kambodscha zu stärken.“
Fehlendes Wissen
Dass das ACCB und die WTG den Weg über die Geistlichen gehen, um die Bevölkerung zu erreichen, hat einen guten Grund. „Buddhistische Mönche genießen in Kambodscha hohes Ansehen, wodurch sie einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und dieser Tradition, die zu viel Tierleid führt, ein Ende setzen können“, sagt Daniela Schrudde, Leiterin Tierschutzarbeit der Welttierschutzgesellschaft.
Das Wissen der Mönche über die verschiedenen in Kambodscha heimischen Wildtiere ist allerdings sehr begrenzt. So ist es unter anderem nicht Teil ihrer Ausbildung. Dadurch wissen die Geistlichen in vielen Fällen auch nicht, was für ein Tier sie gerade vor sich habe. „Dies führt auch dazu, dass sie die geschenkten Tiere zunächst oftmals gar nicht identifizieren, Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht durchführen und sie ebenso wenig tiergerecht halten können“, sagt Schrudde. Auch mangele es ihnen an Wissen über bestehende Gesetze und Vorschriften im Wildtierbereich sowie über den Schutz von Wildtieren.
Ein Tierschutzlehrbuch für Mönche
Recherchen der Organisationen hatten ergeben, dass es schon an einfachsten Dingen mangelt. „Das Fehlen geeigneter Unterrichtsmaterialien verhinderte bislang den Einbezug der Tierschutzthematik in die Mönchsausbildung. Wir als WTG haben daher zusammen mit dem ACCB sowie einigen Mönchen ein Lehrbuch für buddhistische Klöster in Khmer-Sprache, der Amtssprache Kambodschas, entwickelt und in einem ersten Schritt 250 Exemplare drucken lassen“, erklärt Daniela Schrudde. Diese werden dann in Klöstern, an buddhistischen Universitäten sowie bei lokalen Regierungsvertretern vorgestellt.
Die Zustimmung der lokalen Regierung war dabei die Voraussetzung für einen offiziellen Einsatz der Bildungsmaterialien in den Klöstern. Mit Mönchen der nahen Umgebung des Artenschutzzentrums wurde anschließend die Nutzung des Buches getestet. Im aktuellen Projektschritt gehen diese Bücher schrittweise an mehrere Klöster der Provinz Siem Reap sowie darüber hinaus. Klöster, die Wildtiere halten, werden in diesem Rahmen gesondert angesprochen, mit dem Ziel, dass sie die Tiere in professionelle Hände wie zum Beispiel an das ACCB übergeben.
Das völlig neu konzipierte Lehrbuch bildet somit die Grundlage zukünftiger Tierschutzbildungsprogramme für Mönche. Es verbleibt in den jeweiligen Klöstern zum Selbststudium und erreicht so über einen langen Zeitraum viele Mönche. Das Werk erklärt die Zusammenhänge zwischen der Praxis des Schenkens von Tieren und dem Leid dieser Wildtiere. Ferner gibt es den Mönchen Argumente an die Hand, um bei den Gläubigen ein Bewusstsein für mehr Tierwohl zu schaffen und diese buddhistische Tradition langfristig zu beenden. Eine entsprechende Pilotphase ist gerade gestartet. „Wir konzentrieren uns erstmal auf wenige, in der Nähe des ACCB liegende Tempel. Mit dortigen Mönchen wollen wir herausfinden, wie wir die Menschen am besten für Themen wie Arten- und Tierschutz sensibilisieren, ohne sie in ihrem Glauben einzuschränken“, so Philipp Wagner.
Verzögerungen durch Corona
Theoretisch wäre das Projekt mittlerweile im vollen Gange – wäre da nicht die Pandemie auf die Weltbühne getreten. „Das hat uns schon sehr ausgebremst“, erklärt Philipp Wagner, „die kambodschanische Regierung ist sehr streng und rigoros, um die Verbreitung von Covid-19 zu unterbinden. In den vergangenen Monaten waren Kontakte und Zusammenkünfte nahezu unmöglich gewesen. Aber genau das ist ja der Ansatz unseres Projektes: der direkte Dialog.“ WTG und ACCB sind daher sehr bemüht, die ersten Erfolge nicht im Sande verlaufen zu lassen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten halten sie die Kontakte zu Multiplikatoren und warten darauf, endlich loslegen zu können.
Dass die Mönche und alle anderen vor Ort dem Thema grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen und Interesse zeigen, wurde 2014 deutlich, als das ACCB eine Tierschutzweiterbildung für Mönche durchführte – die erste ihrer Art in Kambodscha. Die Teilnehmerzahlen überstiegen dabei weit die Erwartungen. Mehr als 700 Mönche aus mehr als 30 Klöstern nahmen teil. Das Feedback war durchweg positiv und es gab zahlreiche Anfragen nach zusätzlichen Weiterbildungen dieser Art.
Verbesserung der tiermedizinischen Ausstattung im Schutzzentrum
Das ACCB betreibt seit vielen Jahren ein Wildtierschutzzentrum in der Nähe der Tempelanlagen Angkor Wat, dessen Arbeit die Welttierschutzgesellschaft bereits seit 2013 unterstützte. „Hier werden Wildtiere jeglicher Art aufgepäppelt und auf die Wiederauswilderung vorbereitet. Wenn der Gesundheitszustand ein Leben in Freiheit nicht wieder zulässt, können sie hier aber auch auf Dauer untergebracht werden. Viele Tiere kommen dabei mit Verletzungen oder auch Krankheiten im Zentrum an“, sagt Wagner. Da es in Kambodscha nur sehr wenige veterinärmedizinische Einrichtungen gibt, muss das Schutzzentrum viele Untersuchungen selbst durchführen und benötigt dazu eine solide tiermedizinische Ausstattung. „Hier unterstützt uns unter anderem die Welttierschutzgesellschaft und ermöglicht die Anschaffung neuer medizinischer Instrumente, Krankheitsschnelltests oder auch Kühlmöglichkeiten von Medikamenten“, dankt der Kurator des Allwetterzoos der WTG.
Transparenzhinweis: In unserer Medienpartnerschaft mit dem Allwetterzoo Münster ermöglichen wir vertiefende Einblicke in die Arbeit und den Alltag des Zoos am Aasee. Die Reihe bietet Blicke hinter die Kulissen und Berichte über die Menschen, die sich jeden Tag um das Wohl der Tiere bemühen.
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