
1914 besaß das deutsche Kaiserreich noch die Goldwährung. Als der erste Weltkrieg immer wahrscheinlicher wurde, zog die Bevölkerung aus Sorge um ihr Erspartes allein im Monat Juli 1914 Goldmünzen im Wert von 100 Millionen Mark von den Banken ab. Die Reichsbank reagierte unverzüglich und stellte am 31. Juli 1914 die Einlösung von Banknoten in Gold ein. Letztendlich führte diese Maßnahme zum erhöhten Geldscheindruck und zu einer beginnenden Inflation.
Münzen sind wertbeständiger als Scheine
Die Bevölkerung fürchtete schon zu diesem Zeitpunkt eine Währungsreform und hortete in der Hoffnung auf einen besseren Wechselkurs nun das alte, nicht außer Kraft gesetzte Kupfergeld anstatt “wertloses” Papiergeld. Genauso akkumulierten Behörden und Stadtverwaltungen Kleingeld in Millionenhöhe, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und gaben Notgeldscheine aus. Auch Münsters Stadtverwaltung erkannte, dass sie das Stadtsäckel mit wertbeständigerem Kleingeld bestmöglich auffüllen konnte, wenn sie den Bürgern Notgeldscheine anbot.
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So wurden ab dem 1. August 1921 zwei Notgeldserien im Umlauf gebracht. Die erste Serie mit 50-Pfennig Scheinen zeigt herausragende Gebäude und Stadtbilder: Rathaus, Dom, Kiepenkerl, etc… Die zweite Serie mit 2 Mark Scheinen widmet sich der Täufergeschichte. Beide Serien waren kleine, äußerst dekorativ gestaltete, jedoch preiswert hergestellte Kunstwerke. Die städtische Kasse hoffte hinter vorgehaltener Hand, dass Sammler diese schmucken Notgeldscheine sammelten und nicht wieder gegen gültige Zahlungsmittel einlösten. So sollte ein lukrativer Gewinn eingefahren werden. Weitere Notgeldscheine wurden durch die Freiwillige Feuerwehr Münster, die Kleinkunstbühne Roxel und durch das Hotel Kaiserhof ausgegeben.
Die fünf Notgeldscheine der Täuferserie…
…wurden mit einem Nennwert von 12,50 Mark plus 1,50 Mark Aufschlag und einer erklärenden Schutzhülle angeboten. Ein kurzer Auszug: „Im Gefolge der großen religiös-sozialen Umwälzungen am Ausgange des Mittelalters faßte in der alten Bischofsstadt Münster die schwärmerische Lehre der Melchioriten festen Fuß, nachdem Prediger Rottmann dort auf dem Rathause die Kindertaufe verworfen und die Wiedertaufe verteidigt hatte. Münster wurde bald Zufluchtsstätte der von Katholiken und Lutheranern überall verfolgten Wiedertäufer, deren besonders aus Holland verstärkte Glaubensgemeinde am 27. Februar 1534 in religiösem Fanatismus unter den Rufen: “Wehe, Wehe, tut Buße, tut Buße” die Allgläubigen aus der Stadt vertrieb und die Zeit des “Neuen Reiches Gottes auf Erden” für gekommen verkündeten…“
Die Währungsreform im November 1923
Was 1914 im ersten Weltkrieg als Inflation begann und zur Hyperinflation auswucherte, endete sukzessive mit der am 15. November 1923 startenden Währungsreform und Einführung der Rentenmark. Bis zu diesem Zeitpunkt waren etwa 30.000 Menschen mit der Herstellung der Inflationsscheine beschäftigt. 1783 Druckmaschinen verarbeiteten Tag und Nacht Banknotenpapier von 30 Papierfabriken für die Reichsdruckerei. Insgesamt sind 1224 Trillionen (= 18 Nullen) Mark verausgabt worden, 700 Trillionen Mark als Notgeld und 524 Trillionen Mark von der Reichsbank. Die Bevölkerung nahm alles, was irgendwie wertbeständig aussah. Kriminelle raubten nicht mehr Portemonnaies sondern Schmuck und Uhren. Kirchgängern standen für die Kollekten Waschkörbe an der Kirchentür bereit.
Ein klassisches Beispiel gab ein Urmünsterländer zum Besten: „Ick ha lange spart un bi’n Snäider mienen Hochtäitsanzug maken loaten. Äs ick’n vier Wiäken läter afhalen wull sin’k met ne Schuffkoare vull Geld lossfuhrt. Appat nou was min Geld bloß no ne Unnerbüx wäät.“ (Ich hatte lange gespart und mir vom Schneider meinen Hochzeitsanzug anfertigen lassen. Als ich ihn nach vier Wochen abholen wollte bin ich mit einer Schiebkarre voll Geld losgefahren. Aber nun hatte mein gespartes Geld nur noch den Wert einer Unterhose.)
Fotos: Michael Bührke