Die Veränderungen durch die Pandemie sind für uns alle sehr herausfordernd. Dem Sozialamt der Stadt Münster geht es dabei nicht anders. Ganz besonders die Betreuung der 33 Unterkünfte für Geflüchtete hat dabei ein besonderes Maß an Sensibilität und Empathie verlangt. Warum das so ist und wie die Stadt sich diesen Herausforderungen stellt, haben uns Nicole Ketteler und Alica Singh von der Fachstelle für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten der Sozialamtes Münster berichtet.
Als die Pandemie Münster erreichte, mussten auch die etwa 1.300 Geflüchteten in den 33 Unterkünften erfahren, was es heißt, wenn ein Virus das bisher bekannte Leben verändert. Diese Erkenntnis mussten wir sicher alle in den letzten Monaten gewinnen. Allerdings wirkt eine Pandemie sicher noch bedrohlicher und einschränkender, wenn so eine Situation nicht zuhause erlebt werden kann.
„Wir haben so lange wie möglich versucht, unsere normalen Angebote aufrechtzuerhalten. Allerdings mussten auch wir sehr schnell zusammen mit dem Gesundheitsamt Maßnahmen erarbeiten, um die Bewohner:innen bestmöglich zu schützen“, berichtet Nicole Ketteler. So wurde ein Hygieneplan erarbeitet, Masken werden allen Bewohner:innen bereitgestellt und freizeitpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche finden nur noch draußen unter Einhaltung der Abstandregelungen statt. „Trotzdem ist auch der persönliche Kontakte weiterhin sehr wichtig, also auch echte Begegnungen. Deshalb haben wir in jeder Einrichtung eine wöchentliche offene Notfallsprechstunde eingerichtet. Terminsprechstunden können selbstverständlich die ganze Zeit auch weiterhin vereinbart werden. Und auch sonst waren und sind wir immer für die Bewohner:innen erreichbar“, erzählt Ketteler. Denn gerade in diesen unsicheren Zeiten ist es besonders wichtig, auch persönlich ein gutes Gefühl vermitteln zu können.
Auch Testangebote gibt es für die Bewohner:innen. Dabei spielen auch die Sozialarbeiter:innen eine entscheidende Rolle. „Wir machen Termine, klären über den Ablauf auf und leiten auch bei einem positiven Ergebnis weitere Schritte ein“, erzählt Alica Singh. „Unser Testangebot wird zufriedenstellend angenommen. Teilweise machen Bewohner:innen auch aus eigener Initiative einen Test, wenn zum Beispiel aufgrund eines kleinen Schnupfens ein Verdachtsmoment besteht.“
Doch was passiert, wenn in einer Unterkunft, in der bis zu 30 Personen leben können, tatsächlich ein Testergebnis positiv ist?
„Sobald wir wissen, dass eine Person positiv getestet ist, schauen wir, dass wir diese von den anderen isolieren können. Wie das geht, hängt von der jeweiligen Geflüchtetenunterkunft ab“, so Ketteler. „In einigen Einrichtungen ermöglichen die räumlichen Gegebenheiten, dass sich auch einzelne Personen isolieren können. Das ist dann der Fall, wenn die betreffende Person ein eigenes Badezimmer oder eine eigene Küche hat. Wenn das nicht der Fall ist, wenn es also zum Beispiel eine Gemeinschaftsküche gibt, werden die positiv getesteten Personen in eine Quarantäneeinrichtung gebracht“ Dazu dient momentan eine ehemalige Geflüchtetenunterkunft in Amelsbüren, die vor der Pandemie nicht mehr genutzt wurde.
Nicole Ketteler berichtet, dass die Bewohner:innen gerade während einer Quarantäne besonders auf Unterstützung angewiesen sind. „Teilweise haben unsere Sozialarbeiter:innen dann eine Komplettversorgung einiger Familien oder Personen übernehmen müssen. Wir haben dann geschaut, was die Leute brauchen und natürlich auch, was sie mögen. Und dann ging es einkaufen“ Drei Mal waren bisher ganze Einrichtungen in Quarantäne. Dann mussten die Sozialarbeiter:innen teilweise einen Großeinkauf für 30 Personen übernehmen.
Als das letzte Mal eine Einrichtung vollständig in Quarantäne war, hatte der Ramadan, der an diesem Donnerstag endete, gerade begonnen. Für die betroffenen Personen war das natürlich besonders schwierig, da sie diese Zeit sicher lieber mit ihren Familien und Freund:innen verbracht hätten. „Gerade während Ramadan war auch für uns die Versorgung nochmal herausfordernder. Um den Bedürfnissen möglichst aller Bewohner:innen gerecht zu werden, haben wir uns letztlich dazu entschieden, einen Caterer zu engagieren, der interkulturell kocht. Das Essen war zum Teil halal, wurde jeden Mittag geliefert und konnte dann abends wieder erwärmt werden“, berichtet Ketteler. Das Angebot ist größtenteils auf positive Resonanz gestoßen. Deshalb hofft das Sozialamt, trotz der schwierigen Umstände zu einem würdigen und respektvollen Fastenmonat beigetragen zu haben.
Während des Ramadan wurde auch begonnen, einen schon länger geplanten Schritt im Rahmen der Pandemiebekämpfung umzusetzen. Seit Ende April werden alle Bewohner:innen der Geflüchtetenunterkünfte auf freiwilliger Basis geimpft. Die Bewohner:innen von 23 Unterkünften sind bereits geimpft, voraussichtlich sollen die Impfungen bis Ende des Monats abgeschlossen sein. „Die Impfungen finden vor Ort in den Unterkünften statt. Die Bewohner:innen werden dafür zunächst von den Impfärzt:innen aufgeklärt, dabei sind auch immer Dolmetscher:innen anwesend. Wir ermutigen dabei alle Bewohner:innen, jederzeit auch Rückfragen zu stellen. Denn nur so können Ängste und Unsicherheiten abgebaut werden“, erklärt Singh. Denn zu Beginn war die Impfbereitschaft noch nicht so hoch wie erwünscht. „Deshalb haben wir alle Bewohner:innen einzeln zu einem Aufklärungsgespräch eingeladen“
Alica Singh machte auch deutlich, dass erst nach einer erfolgten Aufklärung eine Impfung stattfinden könne. Auch nach der Impfung stünden immer Sozialarbeiter:innen bereit, um weitere Fragen zu beantworten. „Und zum Händchenhalten sind wir selbstverständlich auch immer da! Denn manchmal ist das auch genau die Unterstützung, die benötigt wird“, so Singh. „Und es hilft auch, wenn wir als Sozialarbeiter:innen erzählen, dass auch wir alle schon geimpft wurden und wie wir den Prozess erlebt haben.“ Wird der Impfstoff nicht aufgebraucht, bringt die Feuerwehr ihn in das Impfzentrum, wo er dann genutzt wird. Etwas mehr als 50% der impfberechtigten Personen haben bisher das Impfangebot wahrgenommen.
Sowohl für die Impfungen, als auch für alle anderen Maßnahmen, war eine sorgfältige und auch niedrigschwellige Aufklärung unerlässlich. Denn gerade wenn es um die Impfungen geht, kursieren viele Gerüchte, welche die Impfbereitschaft zunächst gesenkt haben. So sagt Nicole Ketteler, dass viele Geflüchtete besonders große Angst vor den Nebenwirkungen haben. Auch erzählt sie, dass einige Bewohner:innen gehört hätten, dass eine Impfung ihr Asylverfahren negativ beeinflussen könnte. „Wir haben den Ärzt:innen und Dolmetscher:innen dann von diesen Ängsten berichtet, damit wir alle zusammen möglichst konkret darauf reagieren können“ erklärt sie. Alica Singh berichtet von einem weiteren Problem: „Wir haben zwar versucht, möglichst viele persönliche Gespräch anzubieten, haben aber dabei auch gemerkt, dass aufgrund einer teilweise vorhandenen Sprachbarriere und auch der Aufregung im Gespräch manche Dinge nicht so angekommen sind, wie wir es wollten. Deshalb haben wir Flyer entworfen und an alle Bewohner:innen verteilt. Denn in Ruhe zuhause und in der eigenen Muttersprache kann man die Dinge dann doch oft anders auf sich wirken lassen.“ Die Flyer wurden in verschiedenen Sprachen erstellt und geben Informationen über Quarantäneregelungen, Testangebote und das Impfangebot.
„Gerade zur Aufklärung für das Impfangebot haben wir uns entschieden, dreigleisig zu fahren“, erklärt Ketteler. Neben den mehrsprachigen Flyern werden auch mehrsprachige Telefonsprechstunden angeboten. Diese werden von Sozialarbeiter:innen und Kulturmittler:innen vom Haus der Familie durchgeführt, die wiederum durch das Gesundheitsamt geschult wurden. Auch kommen mobile Aufklärungsteams zum Einsatz. Dafür gehen die Kulturmittler:innen auch in Stadtteilzentren, Stadtteilbüros und Cafés. „Wir wollen es ermöglichen, dass die Leute niedrigschwellig und in einer positiven Weise mit dem Thema Impfen in Berührung kommen“, so Ketteler.
Das Sozialamt Münster hat also versucht, auf verschiedenen Wegen den besonderen Anforderungen in den Geflüchtetenunterkünften während der Pandemie gerecht zu werden. Besonders während des Ramadan war ein besonders sensibler Umgang gefragt. Durch die gestiegene Impfbereitschaft ist immerhin ein Erfolg messbar. Wie die Betroffenen es selbst beurteilen, konnten wir allerdings nicht in Erfahrung bringen.
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