In Deutschland ist jedes fünfte verkaufte Rad ein E-Bike. Längst haben sie das Image des Rentnerrads hinter sich gelassen, vom Hollandrad über das Mountainbike bis zum Rennrad gibt es keine Kategorie, in der sich nicht auch Varianten mit Elektromotor finden lassen und somit sind auch zunehmend jüngere Menschen auf E-Bikes zu sehen.
Der Motor des üblichen E-Bikes unterstützt den Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h, darüber hinaus kommt nur noch die Muskelkraft zum Einsatz. „Manchen Menschen reicht das irgendwann nicht mehr. Vor allem dann, wenn sie häufig lange Strecken über Land fahren“, berichtet Christian Tomkötter, Geschäftsführer von e-motion E-Bike Welt. An diesem Punkt gibt es zwei Möglichkeiten, eine legale und eine illegale. Verboten ist das Tunen von E-Bikes durch mechanische oder elektronische Manipulationen am Rad. „Wenn Sie an Ihrem E-Bike Veränderungen vornehmen, um die Geschwindigkeit zu erhöhen, begehen Sie gleich mehrere Verstöße“, erklärt Klaus Laackman von der Polizei Münster. Betroffen sind gleichzeitig das Zulassungs-, Straf-, Versicherungs-, Steuer- und Fahrerlaubnisrecht. Von einem Kavaliersdelikt ist das weit entfernt. E-Bikes gelten rechtlich als Fahrräder, wird jedoch durch technische Manipulationen die Geschwindigkeit erhöht, verlieren sie diesen Status, werden zum Kleinkraftrad und dürfen zum Beispiel nicht mehr auf dem Radweg fahren. Auch die Promenade ist dann tabu. „Sie müssen dann unter anderem einen Helm tragen, brauchen einen Rückspiegel und vor allem ein Versicherungskennzeichen“, zählt Laackman die Kernpunkte auf.
„Die schnelle Alternative ist das S-Pedelec“, sagt Tomkötter und holt ein Rad hervor, das deutlich stabiler verarbeitet ist, einen Rückspiegel, eine Hupe, ein Dauerlicht, bessere Bremsen und vor allem ein Versicherungskennzeichen hat. Er könne gut verstehen, dass sich gerade erfahrene E-Bikefahrer vor allem auf längeren Strecken mehr Unterstützung wünschen, dann aber bitte auf einem Fahrzeug, das dafür konstruiert wurde. „Das S-Pedelec unterstützt den Fahrer bis 45 km/h. Der Marktanteil liegt allerdings im niedrigen einstelligen Prozentbereich“, bedauert der E-Bike-Experte und vermutet dahinter die zahlreichen rechtlichen „Unbequemlichkeiten“. „Anders als früher beim Mofa ist das Frisieren von E-Bikes nicht immer sofort erkennbar“, erklärt Laackman. Kleine USB-Sticks, Zusatzgeräte, Software-Updates, Veränderung des Raddurchmessers, die Möglichkeiten sind vielfältig. „Besonders beliebt ist das Manipulieren des Sensors, der die Geschwindigkeit misst. Da wird einfach nur eine spezielle Kappe drübergestülpt“, berichtet Tomkötter. Sendet der Sensor nur den halben Wert zur Steuerelektronik, beschleunigt das Rad nicht bis 25 sondern bis 50 km/h. Klaus Laackman kennt solche Dinge aus der Praxis: „Wir haben schon Geschwindigkeiten bis 60 km/h gemessen“, ein kurzer Blick bei Youtube macht allerdings schnell klar, dass für manche Bastler hier noch lange nicht Schluss ist. Klickzahlen im Millionenbereich sind bei solchen Tutorials keine Seltenheit.
Auch für das Bestellen der entsprechenden Bauteile muss man nicht das Darknet bemühen, ganz legal bieten selbst große, seriöse Onlinehändler die Geräte an. Der Verkauf ist nicht verboten, das Montieren und vor allem das Fahren schon. Das Fahren ohne Betriebserlaubnis ist schon ein schwerwiegender Verstoß gegen die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, der Versicherungsschutz geht außerdem verloren und sollte das Rad zur Reparatur müssen, kann der Händler die Annahme verweigern, wenn er die Manipulation erkennt. „Ich würde auf jeden Fall die Finger davon lassen und ein getuntes E-Bike nicht entgegen nehmen“, erklärt Christian Tomkötter und fügt hinzu, dass bei einer Manipulation sofort die Gewährleistung erlischt. Wenn der Motor eingeschickt werden muss, können Hersteller wie Bosch die Elektronik auslesen und erkennen, ob das Rad manipuliert wurde, auch dann ist sofort Schluss mit Garantie.
„Augen auf“ heißt es auch beim Kauf eines Gebrauchtrads. Die ungewohnte Beschleunigung eines getunten E-Bikes erhöht das Unfallrisiko und strafbar macht sich der Fahrer auch dann, wenn er die Manipulation nicht bemerkt. Durch die wesentlich höhere mechanische Belastung kommt es bei getunten Rädern eher zu Gabel- oder Lenkerbrüchen, was bei den hohen Geschwindigkeiten oft zu schwerwiegenden Verletzungen führt. Bei der Polizei Münster wurde ein Beamter bereits speziell fortgebildet, um Tuningmaßnahmen zu erkennen, ein zweiter wird demnächst folgen.
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