In Münster ist am Freitag der zweitägige G7-Gipfel der Außenministerinnen und -minister zu Ende gegangen. Der Geist des Westfälischen Friedens sollte das Treffen begleiten, wie Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe am Donnerstagnachmittag erklärte, als er die Gruppe der Sieben und den Außenbeauftragten der Europäischen Union Josep Borrell in der Bürgerhalle des historischen Rathauses willkommen hieß.
„Es war eine sehr bewusste Entscheidung, hierherzukommen“, betonte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Vom Friedenssaal gehe auch heute noch ein wichtiges Signal aus. Das fand auch Baerbocks amerikanischer Kollege Antony Blinken, dem beim Betreten der historischen Räumlichkeiten ein „Wow“ über die Lippen kam. Oberbürgermeister Lewe bedankte sich für das Vertrauen, das die Gruppe der Sieben der Stadt Münster mit diesem Besuch ausgesprochen habe.
Baerbock und Blinken nahmen vor Beginn des eigentlichen Gipfels an der Auftaktveranstaltung, dem „Deutsch-Amerikanischen Zukunftsforum“ teil. Hier thematisieren Experten aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien aktuelle, insbesondere durch die Digitalisierung hervorgerufene Herausforderungen für Demokratie und Menschenrechte. Ins Leben gerufen wurde das Forum im vergangenen Jahr von US-Präsident Joe Biden und der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Putin sinkt tiefer in der Unmenschlichkeit
„Wir sehen seit dem 24. Februar, dass der russische Präsident nicht nur auf brutale Art und Weise die Ukraine – die Menschen in der Ukraine – alte, junge Männer und Frauen, angreift, sondern dass er seinen Krieg in den letzten Monaten auch massiv ausgeweitet hat auf einen Angriff auf das internationale Recht, auf die internationale globale Ordnung, indem er auch Hunger als Waffe einsetzt“, so die deutsche Außenministerin in einem ersten Statement. „Gerade in den Momenten, wo man immer denkt: ’schlimmer kann es nicht mehr gehen‘, setzt der russische Präsident seine Brutalität nicht nur weiter fort, sondern sinkt noch tiefer in der Unmenschlichkeit.“ Putin habe in den Orten, in den Städten, in den Regionen, in denen er nicht militärisch einmarschieren kann, eine neue Methode der Kriegsführung gewählt, indem er versucht, die Menschen verhungern, verdursten und erfrieren zu lassen, indem er gezielt zivile Infrastruktur angreift. Genau das werde man als G7 Partner mit allem was man habe zu verhindern versuchen. Mit der gleichen Geschlossenheit, mit der man auf die anderen perfiden Methoden der russischen Kriegsführung reagiert habe.
Winterhilfe auf den Weg gebracht
Mit einem gemeinsamen Vorgehen zur globalen Abfederung der Auswirkung des russischen Angriffskrieges wollen die G7-Partner die Winterhilfe auf den Weg bringen. „Wir werden nicht zulassen, dass die Brutalität dieses Krieges dazu führt, dass massenhaft Menschen, dass massenhaft ältere Menschen, Kinder, Jugendliche, Familien in den nächsten Wintermonaten, mit Blick auf die Methode, die der russische Präsident wählt, des Aushungerns, des Erfrierenlassens, ums Leben kommen“, versprach Baerbock. In der Ukraine sind mehr als 30 Prozent des Stromnetzes bereits zerstört. Das bedeutet auch, dass elektrisch betriebene Pumpwerke kein Wasser mehr pumpen können. Daher habe man bereits mehr als 100 Generatoren auf den Weg gebracht, Heizgeräte, Wohn- und Sanitärcontainer, Betten, Decken und Zelte als gemeinsame Winterhilfe sollen folgen. „Wir werden nicht hinnehmen, dass der russische Präsident mit seiner Strategie des Brechens der Ukraine erfolgreich ist. Wir werden nicht akzeptieren, dass er darauf hofft, dass der internationale Zusammenhalt gebrochen wird“, sagte Baerbock weiter.
Neben dem russischen Angriffskrieg standen auch die Klimakrise, die weltweite Ernährungssicherheit und auch die Frage von wirtschaftlicher Entwicklung anderer Regionen auf dem Programm. Thematisiert wurde auch die Entwicklung in China. Man wolle „Fehler der Vergangenheit, die in der Russlandpolitik gemacht wurden, nicht erneut wiederholen“. Im Rathaus angekommen, trugen sich neben den G7-Außenministerinnen und Außenministern auch Josep Borrell, Außenbeauftragter der Europäischen Union, in das Goldene Buch der Stadt ein. Wegen der knappen Zeit und strengen Hygienevorschriften wurde auf das Trinken aus dem „Goldenen Hahn“ verzichtet.
Demos weitgehend friedlich
Nach Schätzung der Polizei demonstrierten am Donnerstag mehr als 2000 Menschen überwiegend friedlich in der Stadt. Auf der Stubengasse kapselte sich eine kleine Gruppe ab, beschimpfte die Beamten und durchbrachen eine Polizeikette. Die Teilnehmer wurden kurzzeitig festgesetzt. Am Servatiiplatz sorgte am Donnerstagnachmittag ein herrenloser Koffer für eine Sperrung durch die Polizei. Ein Sprengstoffspürhund sowie ein Entschärferteam der Polizei kamen zum Einsatz, um den Inhalt des Koffers abzuklären. Anderthalb Stunden später gab es dann Entwarnung: Der fragliche Koffer enthielt nur Kleidungsstücke. Für die Fahrzeugkonvois der Delegationen wurden in der Innenstadt immer wieder Straßen gesperrt. Auch der zweite Gipfeltag verlief ruhig, wie ein Polizeisprecher am Abend bestätigte.
Historisches Ratskreuz abgehängt
Für den G7-Gipfel wurde auf Wunsch des Auswärtigen Amtes das 482 Jahre alte Ratskreuz aus dem Historischen Friedenssaal entfernt. Oberbürgermeister Markus Lewe: „Das Kreuz ist auf Bitten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für die Zeit des Außenministertreffens entfernt worden. Die Stadt hat alles unternommen, um einen reibungslosen Ablauf der Konferenz zu ermöglichen. Ich meine aber, diese Entscheidung hätte so nicht getroffen werden dürfen, und ich bedaure sie.“ Sein Eindruck sei, dass auch Außenministerin Baerbock hiervon überrascht wurde. Das Kreuz gehöre seit Jahrhunderten zum Friedenssaal und damit zur Geschichte und Kultur des Konferenzortes und sei ein Zeichen der Versöhnung. Baerbock betonte bei der Pressekonferenz zum Abschluss des Gipfels, dass sie nicht an dieser Entscheidung beteiligt gewesen sei. Das Kreuz sei im Rahmen der Umgestaltung an einen anderen Ort gestellt worden, es sei keine politische Entscheidung gewesen. Sie hätte es gutgefunden, wenn es nicht weggeräumt worden wäre.
Baerbock und Blinken loben Münster
Sie dankte der Stadt Münster, dem Oberbürgermeister Markus Lewe und den Bürgerinnen und Bürgern. Sie habe selbst festgestellt, als sie am Morgen joggen war, was eine solche Veranstaltung in einer Stadt für Einschränkungen bedeute. Friede durch Recht – dafür stehe die Stadt Münster. Ihr US-Kollege dankte Münster für die „warme Gastfreundlichkeit“.
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