Ein wenig überrascht wirkt das Publikum. Denn nicht der angekündigte Kabarettist Arnulf Rating betritt die Bühne des Kreativ-Hauses am Samstagabend, sondern Schwester Hedwig. Gerade habe sie den Künstler Herrn Rating und Herrn Huber vom THW eine Beruhigungsspritze verabreicht. Dem vorausgegangen war offenbar eine handfeste Meinungsverschiedenheit über die Nutzung des Gebäudes an der Diepenbrockstraße. Das THW will offenbar Feldbetten für Flüchtlinge aufstellen, Herr Rating mit seinem Programm „Rating akut“ auftreten.
Derart gefügig gespritzt konnte man sich aber offenbar einigen, die Feldbetten erst um 22.30 Uhr aufzustellen. Das gab Zeit und Raum für Politisches. Einen ganzen Stapel Zeitungen hat er dabei, einige Ausgaben der Frankfurter Allgemeinen, die ZEIT, den Spiegel, die taz aber auch den Alb-Boten oder die Westfälischen Nachrichten. Er liebe die Frankfurter Allgemeine, schon alleine wegen der Schrift, die heute kaum noch ein Jugendlicher entziffern können. Wenn die in der Bahn eine Zeitung fänden, würden sie immer drüber wischen und sich wundern, dass sie sich nicht umblättert. Aus den Westfälischen Nachrichten zitiert er die Headlines: „Keine feuchten Keller in Vennheide“ und „Halteverbot im Klinikbereich“. Darum geht es natürlich nicht.
Aber zum Beispiel um Angst, die systematisch verbreitet werde, in Bezug auf Flüchtlinge, jedoch auch in Bezug auf so profane Dinge wie Gruselclowns an Halloween. „Da frag ich mich,“ fragt Rating das Publikum, „warum hat die USA einen Gruselclown zum Präsidenten gewählt?“ Eine größere Zahl von Flüchtlingen sei jetzt aus Amerika zu erwarten. Und dann „merkelt“ es in der ersten halben Stunde, die Betriebstemperatur scheint noch nicht gefunden. Das ist alles ziemlich ausgelutscht. Aber immerhin spielt Rating eben auch Schwester Hedwig, den adipösen Rentner Karkowski mit Kittel und den Macher der Till-Schweiger-Stiftung, dynamisch in den Knien wippend und auf Erfolg getrimmt.
Auch den Enthüllungsjournalisten Karl-Heinz Stange, der nach seinen Enthüllungen im Gartenteil der Zeitung eingesetzt wird. Ein paar Witze sind alt, da kann man schon mal überlegen, wer die von wem geklaut hat. Wenn Arnulf Rating auf Sigmar Gabriel zu sprechen komm und dann lapidar erklärt: „Früher waren Dick und Doof mal zwei“ oder wenn im Berliner Lidl eine Kuh Milch einkauft und der Kassiererin erklärt: „Dafür kann ich es nicht selber machen.“ Der Kampf „Arm gegen Reich“, den Warren Buffett vor langer Zeit thematisiert hat, ist auch schon von dem großen Georg Schramm kabarettistisch ausgeschlachtet worden. Trotzdem schafft es Rating später, immer wieder zu überraschen – das ist ja nicht ganz einfach in dem Themenkomplex. Und Rating hat ein unglaublich dichtes Programm, leider übertreibt er gerade in der zweiten Hälfte etwas, als er massenweise Überschriften aus der BILD-Zeitung vorliest. Für Kabarett-Neulinge war das sicher ein lohnender Abend. Wer aber vergleichen kann und mehr als Trump, Putin, Merkel, Niebel und Pofaller erwartet, dem fehlt etwas.
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