Flanieren zwischen Kunst, Kultur und Kulinarik Ende August wird Münster wieder zum „Schauraum“ für Kunst und Kultur / Traditionelles Herzstück zum Abschluss: Die Nacht der Museen und Galerien

Die Piazza am Erbdrostenhof lockt auch in ihrem 20. Jahr mit Operngesang und einer „Langen Tafel“. (Foto: Jasmin Otman)

Tafeln vor dem sonst abgeschotteten imposanten Erbdrostenhof, kostenlos hochkarätige Kunstausstellungen besuchen, die sonst vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleiben, Perforrnances erleben oder sich auf dem ehemaligen Parkplatz am Domplatz in Lounge-Sesseln räkeln – das geht alles während des Schauraum Münster vom 29. bis zum 31. August. Einträchtig laden die Stadt, Museen, Galerien und andere Orte bildender Kunst zusammen mit Sponsoren der Münsteraner Wirtschaft dazu ein.

Auf den roten Teppich muss man inzwischen verzichten, wenn man den zentralen Ort des diesjährigen Schauraums vor dem Dom besucht. Gruppierte sich die Veranstaltung in vielen Jahren um den Rathausinnenhof, so weichen die Organisatoren seit den Bauarbeiten dort auf den Platz vor dem Dom aus. Bernadette Spinnen, Leiterin von Münster Marketing, erklärte, der ehemalige baumbeschattete Parkplatz vor dem Dom habe sich bewährt und sei schon letztes Jahr gut von den Besuchern gut angenommen worden. Ihr Stellvertreter, Fritz Schmücker, ergänzt, es sei ein dauerhaft begehbarer, belebter und zugleich ruhiger Ort entstanden. Im Schatten der Bäume können angrenzende Räume erschlossen werden. Bis hin zur Pferdegasse, wo das kürzlich wiedereröffnete Geomuseum als einzige naturkundliche Einrichtung erstmalig am Schauraum mitwirkt.

LBS, Westlotto und LVM öffnen ihre Kunst-Tresore

Kulturelles Highlight sind sicherlich die Räume, die sonst verschlossen sind. So öffnen nach einer Pause in diesem Jahr wieder die LBS und Westlotto die Türen zu ihren kunsthistorischen Schätzen. Einen Sammlungsschwerpunkt bilden die Werke der ZERO-Künstler mit ihre radikalen reduktionistischen und puritanischen Beschränkungen – in ihren Werken eine sehr zentrale Strömung in der frühen Nachkriegszeit, der Zeit nach der „Stunde Null“. Westlotto kooperiert in diesem Jahr mit der ZERO Foundation in Düsseldorf, um zusätzlich zu den eigenen Kunstwerken auch Leihgaben auszustellen. Wie im Vorjahr eröffnet vis-á-vis ein renommierter Fotokünster bei der LVM eine Ausstellung. Diesmal ist es der 1961 in Köln geborene Fotograf Boris Becker. Bequem kann man diese Orte mit einer zweistündigen Bustour vom Lambertiplatz erreichen. Allerdings gilt auch hier wie für die andere Bustour und die drei geführten Rundgänge in der Innenstadt: Ihr müsst euch im Internet am 29. August möglichst um Punkt 15:00 Uhr anmelden, um eine der insgesamt nur 470 Karten zu ergattern.

Die „Lange Tafel“ setzt sich hinter dem Erbdrostenhof fort. (Foto: Thomas Hölscher)

Das gesellschaftliche Highlight bildet wieder die „Lange Tafel“ auf dem Vorplatz des Erbdrostenhofes, die diesmal ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiert. Das barocke Stadtschloss, welches nur zu besonderen Anlässen für die Öffentlichkeit geöffnet ist, sei der identitätsstiftende Kern des Salzstraßenviertels, wie Matthias Lückertz betont, in dessen Verein die örtlichen Gastronomen und Geschäfte organisiert sind. Wie bei einer italienischen Piazza wird der Palaisvorplatz am Freitag und am Samstag für zwei Abende der zentrale Ort des Viertels. Diesmal werden vier Solisten des Theaters als Sänger mit Arien unterhalten – mehr als jemals zuvor. Das Atlantic Hotel übernimmt erstmals die Kulinarik.

Prozession mit drei Haltestationen

Vor dem Domplatz führte das Theater Saurüssel im Vorjahr eine erfolgreiche Gerüstperformance auf. Diesmal geht es in die Horizontale, wenn es jeden Tag ab 18:30 Uhr eine skulpturale Prozession aufführt. Damit wird auch eine Brücke zu den 2027 wieder stattfindenden Skulpturprojekten geschlagen. Die surreale Aufführung lehnt sich an einem Stück von Michel de Ghelderode an, dessen „Die Ballade vom großen Makaberen“ eine Mischung aus Sodom und Gomorra (mit dem geplanten biblischen Ende auf Gottes Seite) und einer Augen verschließenden „Don´t look up“ Haltung auf der Seite der Menschen beschreibt. Man darf gespannt sein auf die Umsetzung des Stückes, die für die Selbstironie der Veranstalter sprechen kann. Das verspricht spannend zu werden. Diese Mischung aus der Aufführung eines Werkes, das den Kommerz thematisiert, innerhalb eines kommerziell geprägten Festivals könnte als ironische Selbstreflexion betrachtet werden.

Veranstalter und Sponsoren des „Schauraum 2024“ stellten am Donnerstag das Programm vor. (Foto: Christian Szepan)

Der Münsteraner Farben- und Lackeproduzent „Brillux“ ermöglicht als Schauraum-Hauptsponsor die Aufführung eines Kinderstückes, in dem eine triste Stadt bunt wird. Das Stück „Zinnober in der grauen Stadt“ richtet sich an Kinder zwischen 4 und 9 Jahren. Es wird darin beschrieben, wie die Lebendigkeit und die Ideen von einzelnen festgefahrene Strukturen verändern können. Die Berliner Kindertheatermacher von „United Puppets“ verweisen darauf, dass Kinder „durch Malen, Zeichnen und Kritzeln auf intensive Weise ihre Emotionen, Fantasien und Wünsche“ ausdrücken. Die visuell attraktive und emotional nahegehende Geschichte sollte Kinder und ihre Eltern gleichermaßen ansprechen.

Die Sprecherin des Arbeitskreises der Museen in Münster, Barbara Rommé erklärt, der Schauraum ermögliche den Besuchern den Eintritt in einer „legeren und informellen Weise, der niemanden ausschließt.“ Mit großem Engagement beteiligten sich alle Museen, auch die außerhalb der Innenstadt. So sei beispielsweise das ehrenamtlich geführte Hiltruper Museum bis 24 Uhr geöffnet – wie alle anderen Museen auch.

Das Stadtmuseum und die Villa ten Hompel teilen sich eine gemeinsamen Schwerpunkt. Sie beschäftigen sich mit Minderheiten und der Europäischen Charta für Minderheitensprachen. Rommé betont, dass seit Jahrhunderten verschiedene Minderheiten zusammen mit der Mehrheit wohnen und so das Land mitgeformt hätten. Sie sehe eine mehrsprachliche Muttersprachlichkeit als einen Vorteil an. Die Villa ten Hompel befasst sich in einer Abendveranstaltung mit der Geschichte der Sinti und Roma.

Öffnungszeiten und Links:

Infopunkt im Domplatz-Park: Do., 29.8.24: 15:00 Uhr bis 23:00 Uhr, (Eröffnungsveranstaltung um 17:00 Uhr), Fr.: 30.8.24: 12:00 Uhr bis 24 Uhr und Sa.:12:00 Uhr bis 24:00 Uhr: Sa.:10:00 Uhr bis 24:00 Uhr
Nacht der Museen und Galerien: Sa.,31.8.24: 16:00 Uhr bis 24:00 Uhr
„Lange Tafel“ auf der Piazza vor dem Erbdrostenhof: Fr., 30.8.24: 17:30 Uhr bis 24:00 Uhr sowie Sa., 31.8.24: 14:00 Uhr bis 24:00 Uhr

Links: Das Programmheft zum „Schauraum 2024“ gibt es auch online unter kunstraum-muenster.de, Anmeldungen für geführte Rundgänge und Bustouren sind unter schauraum-muenster.de möglich (wird aber erst am 29.8. um 15:00 Uhr freigeschaltet).

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