Es herrscht Klassentreffen-Feeling vor der Halle Münsterland. Pünktlich zum Einlass klart der Himmel auf, der Platz vor dem Eingang füllt sich, ein findiger Kleinunternehmer verkauft Getränke aus einem Rollwagen. In der Halle selbst herrscht erwartungsvolle Stimmung. Wie werden die Rap-Helden der Neunziger und Zweitausender von Fettes Brot ihren Ausstand zelebrieren?
Zunächst einmal ungewöhnlich. Statt einer Vorband wühlt die österreichische Plattenkratzer-Ikone DJ DSL im Vinylkoffer und legt gefällige Old-School-Klänge auf. Während auf der Leinwand eine Fotoshow die Geschichte der Brote Revue passieren lässt, mischen sich auch wohlige Drei-Fragezeichen-Vibes unter die Beats. An die nostalgische Stimmung wissen die drei Hamburger (oder genauer, aber weniger glamourös: Halstenbeker, Pinneberger und Schenefelder) samt 7-köpfiger Band anzuknöpfen, indem sie mit ihrem wohl größten Hit „Jein“ starten und die Halle umgehend zum Kochen bringen.
Derart auf Betriebstemperatur gebracht, wird publikumsseitig gehüpft, wie man es in der ehrwürdigen „Großen Halle“ in der Halle Münsterland sonst nur beim Grand Münster Slam der „Donots“ erlebt. Nicht nur die Band kann sich hören, auch das Bühnenbild kann sich sehen lassen: Mittig in der stilechten Hafenkulisse ist Kutter „Yasmin“ vor Anker gegangen, DJ exel. Pauly wurde kurzerhand in eine Transportkiste gepackt und auch die restlichen Musiker fügen sich auf Containerpodesten hervorragend in das Gesamtbild ein. Gekrönt wird das so ganz und gar nicht stillte Stillleben vom „König der Möwen“, einer aufblasbaren Möwe mit beeindruckenden sechs Metern Spannweite.
Schon lange müssen die „Jungs“ – wenn man sie nach über 30 Jahren Bandgeschichte noch so nennen kann – ihre Refrains nicht mehr selber singen, das übernimmt mit erstaunlicher Textsicherheit das zahlreich erschienene Publikum. Freie Plätze sucht man vergebens, die Halle ist restlos ausverkauft. Dass die selbsternannte Mutter aller Partybands zum Arschtreten gekommen ist, zeigt die Songauswahl eindeutig: Kein Hit wird ausgelassen, und von denen haben sich in all den Jahren einige angesammelt: sei es ein großartiger Mash-Up aus „Erdbeben“ und „Rock Mics“, die Punkrock-Hommage „Hamburg Calling“ oder die Steve-Miller-Verbeugung „The Großer“, die Halle tanzt, singt und feiert konsequent mit.
Nach dem kleinen Weltreise-Set mit „Ich liebte ein Mädchen“ und „Amsterdam“, dem sentimentalen „Denxu“ und einer kurzen Erinnerung an „Fast 30“, die in ein krachendes „Da draußen“ übergeht, stolpert das Trio samt Marschkapelle noch einmal „übern spitzen Stein“. Nach dem obligatorischen (und frenetisch gefeierten) „Nordisch bei Nature“ macht sich mit „Das letzte Lied auf der Welt“, dem Einfangen von Applaus im Einmachglas und „Brot weint nicht“ langsam Abschiedsstimmung breit.
Doch das hübsche Containerterminal mit „Fettes Brot“-Schriftzug ist erfreulicherweise nicht der Schlussvorhang, sondern kaschiert nur eine Umbaupause und bietet die Kulisse für ein kleines Band-Set mit Björn Beton, König Boris und Dokter Renz an den Instrumenten – und natürlich dem in dieser Konstellation unumgänglichen „Was in der Zeitung steht“, seinerzeit incognito als Punkband „d.o.c.h.!“ veröffentlicht. Auf „Trotzdem“ folgt ein nettes Mitsing-Stück über Münster, bevor es mit „Echo“ wieder in voller Besetzung weitergeht. Auch Pascal Finkenauer darf noch einmal die Gitarre zur Seite legen und gewohnt stimmgewaltig sein Feature „An Tagen wie diesen“ zum Besten geben. Mit dem 8-Bit-Spektakel „Kannste Kommen“ und den beiden krawalligen Krachern „Bettina“ und „Schwule Mädchen“ wird der Abriss dann noch einmal fulminant abgerundet.
Nicht umsonst stehen Fettes Brot in dem Ruf, im Innenraum für so viel Stimmung zu sorgen, dass selbst gestandene Metal-Festivals vor Neid erblassen. Und so wird sich an diesem Abend sicherlich der ein oder andere mit einem lachenden und einem blauen Auge nach Hause begeben – der traurige Teil des Sprichworts kann getrost weggelassen werden, „weil Brot nicht weint“. Und wenn Fettes Brot doch noch einmal eine Party schmeißen sollten, kann ich hoffentlich kommen.
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