„Fehler nicht nochmal wiederholen!“ Produzentin Sandra Maischberger präsentiert Dokumentarfilm über Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl im Schloßtheater

Sandra Maischberger (re.) stellte im Schloßtheater ihren Dokumentarfilm "Riefenstahl" vor. (Foto: Bastian E.)
Sandra Maischberger (re.) stellte im Schloßtheater ihren Dokumentarfilm „Riefenstahl“ vor. (Foto: Bastian E.)

Mit dem Namen Sandra Maischberger verbindet man unweigerlich den wöchentlichen Polittalk „Maischberger“ in der ARD, der erst in diesem September mit dem Deutschen Fernsehpreis für die „Beste Information“ ausgezeichnet wurde. Dass Maischberger aber nicht nur die bekannte Journalistin ist, sondern auch eine erfolgreiche Produzentin, wissen die wenigsten. Am Abend stellte sie ihren Dokumentarfilm „Riefenstahl“ vor.

Als Produzentin stellt sie nämlich nicht zum ersten Mal persönlich einen Film im Schloßtheater vor, war sie doch bereits im Mai 2015 mit dem Film „Nur eine Frau“ zu Gast, der das Thema Ehrenmord nach einer traurigen wie wahren Geschichte behandelt. Geschichte ist auch bei diesem Besuch das Thema von Sandra Maischberger, nämlich unsere deutsche Geschichte rund um die Gräueltaten von Adolf Hitler, an denen fast niemand so nah dran war, wie die damalige Filmemacherin und Propagandistin Leni Riefenstahl.

Maischberger hatte Riefenstahl im Jahr 2002 zu ihrem hundertsten Geburtstag am Starnberger See zum Interview getroffen, das sie als sehr unbefriedigend empfand. „Zwischendurch dachte ich, sie lügt. Nicht eine einzige Sache hatte ich aus ihr herausgelockt. Und ich dachte, das kann es nicht gewesen sein“. So entstand die Idee zu einem Dokumentarfilm.

700 Kisten aus dem Nachlass Riefenstahls standen dem Regisseur Andres Veiel (Black Box BRD 2001, Beuys 2017) zur Verfügung, die für diesen Dokumentarfilm von Historikern und dem Filmteam ausgewertet wurden. Dabei stieß man beispielsweise auf Tonkassetten, mit denen Riefenstahl Telefonate auf dem Anrufbeantworter aufgezeichnet hatte. Im Interview berichtete Maischberger über die Hintergründe des Films.

*****

Frau Maischberger, zuallererst Glückwunsch zum Fernsehpreis für Ihre Sendung „Maischberger“ in der Kategorie „Beste Information“, mit dem Sie erst kürzlich ausgezeichnet wurden. Als Ihr Name fällt, zucken Sie extrem zusammen, hat sie da jemand gekniffen oder war die Überraschung echt so groß, sie waren ja nicht vor Ort, sondern live zugeschaltet?

Danke! Man denkt immer, wir waren ja schon mal nominiert und wurden es nicht. Man versuchte mit allem zu rechnen und dann waren wir es doch. Und dann habe ich den Namen gehört und dachte, oh Gott, wir sind es.

Riefenstahl feierte bei den Filmfestspielen in Venedig, also Italien, Premiere. Sie halten Riefenstahl für eine Faschistin, Giorgia Meloni ebenfalls? War also Italien mit einer rechtsextremen Ministerpräsidentin Meloni genau der richtige Ort für die Premiere?

Die historischen Verbindungen zu diesem von den Faschisten gegründeten Filmfestival waren schon beachtlich, fand ich. Es kam noch dazu, dass Leni Riefenstahl ihre Filme immer dort präsentiert hatte und mit ihre größten Erfolge in Venedig feiern konnte. Also war das schon ein besonderer Ort.

Es ist eine besondere politische Zeit, weil ja Giorgia Meloni mit Riefenstahl und auch mit dem Naziregime zwar nicht so viel Gleiches hat, aber sich auf ganz viele eben auch faschistische Wurzeln bezieht. Wir verstehen ja unseren Film auch ein bisschen als einen Kommentar zur Gegenwart. Also möglicherweise auch als eine Warnung eben vor der Rückkehr zu diesen faschistischen Ideen. Und das ausgerechnet in Venedig eben vorführen zu können, das fanden wir natürlich besonders passend.

Sie sprechen vom Riefenstahl-Prinzip: Leugnen, Lügen, Opferrolle. Aktuell funktioniert das auch bei einem Geschichtslehrer, der SA-Parolen nicht kennen will. Erschreckt sie das, dass auch am Beispiel des Präsidentschaftswahlkampfes Desinformation und Leugnen von Fakten immer noch funktionieren? Warum meinen Sie, nehmen Menschen Lügen einfach so hin und quittieren das mit 30 % an der Wahlurne?

Auf dem Weg nach Münster habe ich so die letzten Wendungen und Geschichten aus dem US-Wahlkampf nochmal gelesen. Nächste Woche sind die Wahlen. Ich finde es bestürzend, wie weit man mit der offensichtlich vorgetragenen Lüge kommt. Wie wenig dann Menschen, die Donald Trump wählen, sich davon beeindrucken lassen. Also er kommt damit durch und die, die ihm folgen, glauben auch, dass die beiden Regierungen die Hurricanes sozusagen erst erfunden oder eben irgendwo aus der Luft gezaubert haben, um ihm zu schaden. Wer dieser Art von Lügen folgt, wird furchtbare Dinge anrichten, glaube ich.

Ihr Sohn ist 17. Hat er den Film schon gesehen?

Viele Male. Mein Sohn ist an einer politisch sehr wachen Schule in Berlin. Er hat schon früh Teile davon gesehen, also er kennt viele Stadien dieses Films. Also er kennt den Film und das ist für mich auch immer interessant, natürlich auch diese Rückkopplung. Wieviel weißt du schon von der Geschichte, welche Personen kennt man gar nicht mehr, welche Aspekte sind interessant?

Es leben nur noch wenige Zeitzeugen des Holocaust. Margot Friedländer (102) oder Anita Lasker-Wallfisch (99), die als Cellistin Auschwitz überlebte, sind mit die bekanntesten Gesichter. Haben Sie persönlich Angst davor, dass bald niemand mehr als lebende Person mahnen kann? War es für Sie auch deswegen wichtig, mit Ihrem Dokumentarfilm zumindest filmisch einen Beitrag für die Geschichtsbücher zu schaffen?

Das ist genau meine Sorge und eine absolute Motivation gewesen. Der Anlass zu diesem Dokumentarfilm ist ja der Nachlass, aber die Begründung für so einen Film liegt ja auch in der gegenwärtigen politischen Entwicklung genauer darin, wie Sie sagen. Die Zeitzeugen werden sterben und man hört es Land auf, Land ab, dass man jetzt doch endlich mal einen Schlussstrich ziehen soll. Dass es doch nicht sein kann, dass so viele Menschen (…), und wer weiß, ob das nicht alles fake war (…).

Und ja, ich begegne mit diesem Argument auch denen, die sagen, und es gibt ja einige, die schon viel wissen über Leni Riefenstahl und sagen, es gibt nicht so viel Neues im Film. Meine Meinung ist, es gibt Geschichten, die man doch immer wieder erzählen muss und auch den nächsten Generationen wiederbringen muss, damit eben die Erinnerung daran stark bleibt. Ich glaube, die Erinnerung daran muss stark bleiben, damit wir eben Fehler, die wir schon mal gemacht haben, nicht nochmal wiederholen.

Riefenstahl ist ein Dokumentarfilm. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, ihn als Realfilm zu drehen und falls ja, wer hätte die Hauptrolle spielen sollen?

Nein. Ehrlich gesagt, es gibt so viele Projekte, Spielfilme über Riefenstahl, also von Jodie Foster über Maria Furtwängler. Ich glaube, dass die Figur unspielbar ist, aber wer weiß, wir lassen uns überraschen. Ich weiß, es gibt so zwei, drei Projekte, die jetzt wieder angegangen werden. Mal sehen, ob die gelingen.

Das Filmplakat zeigt Riefenstahl mit einer Fotografie von Alexander Binder im Jahr 1928, als sie 26 Jahre alt war. Warum dieses Plakat und wie war die weitere Auswahl?

Wir haben so lange darüber nachgedacht. Wenn man genau hinsieht, sind es ja lauter kleine Fotos, lauter kleine Leni-Riefenstahl-Bilder, die alle aus dem Nachlass sind. Wir haben überlegt, sind die geschlossenen Augen gut, sieht das aus wie eine Totenmaske? Ich finde es deshalb so passend, weil sie immer die Augen verschlossen hat vor dem, was sie nicht sehen wollte.

(Foto: Bastian E.)
(Foto: Bastian E.)

Gleichzeitig ist es ein Foto, das eigentlich auch von großer Schönheit ist. Aber mit dieser Brechung, die durch die kleinen Fotos darin entsteht, finde ich, dass es etwas Gruseliges hat. Nun ist heute Halloween und ich habe mir einfach vorgestellt, dass dieses Foto dann in Deutschland an den Kino-Litfaßsäulen oder wo auch immer hängt und dass es die Menschen beunruhigen soll. Ich möchte gerne, dass die Menschen von diesem Film beunruhigt werden und dieses Plakat beunruhigt.

Wie lange hat es von der Idee des Dokumentarfilms bis zur Fertigstellung gedauert und wie bringt man die Arbeit als Produzentin mit der als Moderatorin vor allem zeitlich unter einen Hut?

Die ersten Gedanken kamen 2016, 2017. Da habe ich angefangen, mich um den Nachlass zu bemühen. 2018 haben wir begonnen, den Nachlass zu öffnen. Das ist eine sehr lange Zeitspanne. Aber es ist nicht so, dass man jeden Tag 24 Stunden nur an diesem Thema arbeitet, sondern immer wieder punktuell und dann immer tiefergehend. Das geht durchaus mit der Arbeit, die ich da mache, und ich brauche das auch. Ich brauche die Geschichte und die Gegenwart gleichzeitig. Das hilft mir auch, die Sendung, die ich mache, besser zu moderieren, weil ich einen anderen Hintergrund bekomme.

Die 700 Kisten Nachlass waren ja quasi das Prinzip Wundertüte. Wie gut war das Material vor allem qualitativ erhalten? Wurden die Film- und Tonelemente für die Leinwand restauriert?

Es gibt eine bestimmte Art von Filmrollen, die wir tatsächlich nicht mehr behandeln konnten. Die haben wir von dem Projektionsmonitor abgefilmt, was diese besondere Qualität dann gibt, die jetzt auch die Bildsprache des Films geworden ist. Wir haben in großer Zahl digitalisiert, aber in dem Sinne nicht verändert und restauriert.

2002 hatten Sie Leni Riefenstahl zum Interview getroffen und waren nicht sehr zufrieden mit dem Ergebnis – sie lügt. Was hat Sie bei der Recherche zum Dokumentarfilm am meisten überrascht, was Sie noch nicht wussten?

Die Art und Weise, wie sie gesprochen hat, wenn sie sich unbeobachtet wähnte oder im Kreis von Gleichgesinnten. Dafür sind diese aufgezeichneten Telefonanrufe ein beredtes Beispiel. So wie sie mit diesen Menschen redet, hat sie niemals auf der offenen Bühne gesprochen. Es war die ehrliche Leni Riefenstahl und die habe ich eben in meinem Interview nie gefunden. Das war der große Unterschied tatsächlich.

Frau Maischberger, vielen Dank für das interessante Gespräch.

*****

Einerseits gab sich die Regisseurin Leni Riefenstahl stets unpolitisch, andererseits produzierte sie Nazi-Propagandafilme wie „Triumph des Willens“ über den sechsten Reichsparteitag der NSDAP im September 1934. Im Entnazifizierungsverfahren war Leni Riefenstahl als bloße „Mitläuferin“ eingestuft worden, dennoch war sie immer dort, wo die Macht war, auch wenn sie das nach dem Krieg stets leugnete.

1902 in Berlin geboren und 2003 verstorben, galt sie stets als Hitlers Lieblingsfilmemacherin. Sie arbeitete mit einer Ästhetik und Dynamik als Filmemacherin, die bis heute gelobt wird von beispielsweise Regisseur Quentin Tarantino, Schauspielerin Jodie Foster, Madonna und Mick Jagger. Die Betonung liegt hier klar auf der Kameraarbeit, nicht auf dem brisanten und fragwürdigen Inhalt. Ganz klar hat sie ihre Kunst und ihr Talent in die Dienste der Nazis gestellt, auch wenn Riefenstahl stets behauptet hat, von all den Gräueltaten im Holocaust nichts mitbekommen zu haben.

Im Anschluss an den Film beantwortete Sandra Maischberger im Schloßtheater Fragen des Publikums. (Foto: Bastian E.)
Im Anschluss an den Film beantwortete Sandra Maischberger im Schloßtheater Fragen des Publikums. (Foto: Bastian E.)

Im Film bekommt der Zuschauer eine Frau zu sehen, die sehr anmaßend und wütend auftritt und sich sehr in die Opferrolle begibt. Es sind genau diese Stellen, an denen der Film beweist, wo Riefenstahl log. Sie war eben doch Zeugin eines Massakers, wie der Film rekonstruiert.

Kann man sich als Zuschauer im Kino wirklich neutral gegenüber einer Person zeigen, die so unverblümt Wissen um den Massenmord leugnet? Kann man die Kunst vom Künstler trennen? Geht es um das Künstlerische und nicht die Propaganda? Man fühlt sich im Kinosessel quasi dazu aufgerufen, dieser Frau ins Wort zu fallen und ihre Opferrolle zu unterbrechen. Ja, man kann auf der einen Seite talentiert sein, aber genau mit diesem Talent kann man eben auch unmenschliche Dinge unterstützen.

Leni Riefenstahl schenkte Adolf Hitler zu seinem 49. Geburtstag am 20. April 1938 die Premiere ihres Films „Olympia“. All ihre jüdischen Freunde seien ins Ausland gegangen, vorwiegend nach Amerika. Das hinterfragt Riefenstahl nicht, das macht sie nicht stutzig?! Sie filmt vorab Gruben, die für die spätere Erschießung von Juden ausgehoben wurden, gibt Regieanweisungen, wie diese Gruben filmisch am besten in Szene zu setzen sind um dann anschließend so zu tun, als hätte sie Sinn und Zweck eben dieser Gruben nicht schon vorab verstanden.

Sie nutzt Sinti und Roma aus Internierungslagern als Komparsen, die später ermordet wurden, und behauptet, diese hätten alle überlebt. Sie nutzt den Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albrecht Speer nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis als Kontaktperson, um ihre Memoiren möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Vor laufender Kamera mit all den Vorwürfen konfrontiert und der Frage nach ihrer Rolle innerhalb der Propaganda zeigt sie buchstäblich mit dem Finger auf andere. All das zusammengenommen zeigt eine komplette Verdrängungsschiene, eine kognitive Dissonanz.

Es ist genau diese Opferrolle, das Verdrehen von Fakten und Wahrheiten, das Manipulieren, die Täter-Opfer-Umkehr, die aktueller denn je ist – gesellschaftlich wie politisch. Im Filmtrailer heißt es nicht umsonst „Eine packende Demontage historischer Leugnung von enormer aktueller Relevanz“. Dieser Dokumentarfilm entlarvt ganz klar eine Frau, die Täterin, nicht Opfer war, sondern eine Faschistin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert