Die Schule hat begonnen: Fast jeder vierte Schulanfänger in Münster erhielt im vergangenen Jahr rund um den Schulbeginn eine Sprachtherapie. So hieß es für 24,6 Prozent der sechsjährigen Kinder, nicht nur lesen, rechnen und schreiben zu lernen, sondern auch das richtige Sprechen. Jungen waren mit 30,6 Prozent häufiger betroffen. Bei den gleichaltrigen Mädchen waren es immerhin noch 18,3 Prozent.
Das belegt eine aktuelle Auswertung der AOK NordWest. „Das kann als Hinweis verstanden werden, dass viele Kinder heute offensichtlich Expertenhilfe benötigen, um die anstehenden schulischen Herausforderungen meistern zu können“, sagt AOK-Serviceregionsleiter Michael Faust. Bei Kindern mit Entwicklungsstörungen der Sprache oder des Sprechens werden Sprachtherapien überwiegend ab einem Alter von vier Jahren verordnet. In Münster erhielten bereits 8,2 Prozent der vierjährigen Jungen eine Sprachtherapie. Bei den Mädchen lag der Anteil bei 4,8 Prozent.
Im Alter von sechs Jahren ist die Inanspruchnahme dieser Therapien am höchsten, sowohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen. Der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass sich die Verordnungswerte bei den Sechsjährigen schon seit längerem auf einem sehr hohen Niveau eingependelt haben. Nach der Zeit des Schuleintritts wird der Anteil der Kinder, die eine Sprachtherapie erhalten, geringer.
Über die möglichen Ursachen der starken Verbreitung von sprachtherapeutischen Behandlungen rund um den Schuleintritt wird in der Fachwelt seit Jahren diskutiert. Eine Erklärung ist, dass sich die in diesem Alter angemessenen sprachlichen Fähigkeiten bei den Kindern verschlechtert haben. Gleichzeitig wird aber auch ein Wandel der Anforderungen von Schule und Elternhaus an die Kinder beobachtet, so wie auch ärztliches Diagnoseverhalten und Therapiemöglichkeiten kontinuierlichen Veränderungsprozessen unterliegen.
„Auch, wenn Sprachtherapien helfen können, Defizite der kindlichen Entwicklung positiv zu beeinflussen, sollten verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen in Kindergärten und Schulen sowie im Elternhaus wie beispielsweise das gemeinsame Lesen oder Vorlesen statt fernzusehen in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden. Dies kann helfen, Entwicklungsstörungen schon in frühen Jahren vorzubeugen“, so Faust.
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