Angesichts anhaltender Lieferengpässe bei Medikamenten und der Bedeutung des Schutzes von Patientendaten haben die Apotheken in Westfalen-Lippe klare Erwartungen an die zukünftigen Europaparlamentarier und die nationale Politik. Diese wurden in einer Pressemitteilung des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) formuliert.
„Das Problem der Arzneimittel-Lieferengpässe dauert weiter an und wird so schnell auch nicht verschwinden. Eine nachhaltige Lösung werden wir nicht zuletzt auf europäischer Ebene suchen müssen“, erklärt Juliane Hermes, Vorsitzende der Bezirksgruppe Münster im AVWL. „Auch deshalb ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger am 9. Juni 2024 zur Europawahl gehen und sich mit den gesundheitspolitischen Positionen der Parteien auseinandersetzen.“ Hermes unterstreicht, dass die Apotheken in Deutschland auch zukünftig in der Lage sein müssen, individuelle Rezepturen und Defekturen herzustellen. „Im Falle von Lieferengpässen müssen wir auch Fiebersäfte und Zäpfchen herstellen können. Wie wichtig diese Möglichkeiten sind, haben wir in der Corona-Pandemie wie auch in der Engpasskrise erfahren.“
Digitalisierung: Chancen und Gefahren
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet Chancen, die auf EU-Ebene genutzt werden sollten, um Diagnose- und Therapieentscheidungen zu verbessern. Gleichzeitig müsse der Schutz persönlicher Patientendaten gewährleistet sein. „Elektronische Packungsbeilagen können gedruckte Patienteninformationen nicht komplett ersetzen“, fügt Hermes hinzu. Ein weiterer zentraler Punkt sei der Erhalt der Freiberuflichkeit. „Gerade im Gesundheitswesen ist der persönlich haftende Freiberufler die tragende Säule einer guten, verlässlichen und sicheren Patientenversorgung.“ Große Apothekenketten im Fremdbesitz eines ausländischen Kapitalgebers hingegen würden „die Gefahr bergen, sich weniger am Patientenwohl, sondern vielmehr an den Interessen ihrer Geldgeber zu orientieren“.
Inländische Politik muss tätig werden
Die Herausforderungen betreffen jedoch nicht nur die europäische Ebene. Auch national sieht Hermes dringenden Handlungsbedarf. „Die Bundesregierung denkt derzeit darüber nach, in Deutschland Apotheken ohne Apotheker zuzulassen. Soweit darf es nicht kommen. Denn dies würde dazu führen, dass Patienten gerade in ländlichen Regionen weitere Wege bis zur nächsten vollwertigen Apotheke mit Notdienst, Medikationsberatungen, Impfungen und vielen weiteren Leistungen zurücklegen müssten.“
Lokale Apotheken bedroht
Die Ampelkoalition müsse Sofortmaßnahmen ergreifen, um die flächendeckende pharmazeutische Versorgung sicherzustellen. „Ein Drittel der Apotheken vor Ort ist wirtschaftlich gefährdet, weil uns die zuständige Politik seit 20 Jahren keinen Inflationsausgleich zugestanden hat.“ Hermes betont, dass Apotheken derzeit pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die sie an einen gesetzlich versicherten Patienten abgeben, 46 Cent draufzahlen müssten. „Hier muss die Politik ganz dringend eine Lösung finden, wenn sie die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken aufrechterhalten will. Der Staat hat hier eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern.“ Abschließend fordert Hermes, dass die Politik ihre nationalen Kompetenzen voll ausschöpft und die flächendeckende Arzneimittelversorgung sowie das Apothekennetz sicherstellt. „Nur wenn das Fundament solide ist, können sich auch die Vorzüge einer gemeinsamen europäischen Politik entfalten.“