Es klingt zwar merkwürdig, doch wenn eine Pflanze weder Wurzeln zur Wasseraufnahme noch Blätter zur Photosynthese ausbildet und in einem Wirt lebt, dann wird diese Pflanze wissenschaftlich völlig korrekt als „Vollschmarotzer“ bezeichnet. Mit dem Modell einer Riesenrafflesie soll im LWL-Museum für Naturkunde in Münster dieser pflanzliche Parasit präsentiert werden.
Es ist das erste angelieferte Ausstellungsstück der neuen Sonderausstellung „Beziehungskisten – Formen des Zusammenlebens in der Natur“, die ab dem 25. September im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zu sehen sein wird. Die Blüten messen bis zu einem Meter im Durchmesser und sind bis zu elf Kilogramm schwer. Damit hat Rafflesia die größte Blüte im Pflanzenreich und wird zu einem besonderen Objekt der neuen Ausstellung.
„Rafflesia ist ein beeindruckendes Beispiel für parasitisches Leben unter den Pflanzen, da bei Parasiten im Allgemeinen eher an Tiere gedacht wird“, sagt Dr. Michaela Klösener. Die Biologin und Ausstellungsmacherin hat das originalgetreue lebensgroße Modell für die Ausstellung von einem Präparator in England anfertigen lassen. Jeremy Hunt aus London ist Spezialist für museale Großmodelle und hat schon auf der ganzen Welt für Museen gearbeitet. Zusammen mit der Kuratorin Lisa Klepfer packte Klösener die Holzkiste aus Großbritannien sorgfältig aus. Klepfer: „Das Modell wird nach Ausstellungsende in unsere Sammlung übergehen.“
Die in tropischen Regenwäldern Borneos und Sumatras beheimatete Riesenrafflesie (Rafflesia arnoldii) lebt mit Ausnahme ihrer Blüte, vollständig innerhalb ihrer Wirtspflanze. Sie durchwebt die Wurzeln ihrer Wirtspflanze, einem Weinrebengewächs, mit einem Geflecht mikroskopisch feiner Zellfäden und entzieht ihr darüber Wasser und Nährstoffe. Nach etwa 18 Monaten brechen kugelförmige Knospen durch die Wurzelrinde der Wirtspflanze.
Die Knospen benötigen für die Entwicklung ein feuchtwarmes Klima. Ist es zu nass, verfaulen sie noch bevor sich eine Blüte bildet, ist es zu heiß, vertrocknen die Knospen. Zudem werden sie häufig von Ratten oder Eichhörnchen angefressen. Deshalb entwickeln sich nur wenige der Knospen innerhalb von zwei Jahren zu einer Blüte.
„Aufgrund ihres beeindruckenden Aussehens sind die Blüten der Riesenrafflesie zu einer beliebten Touristenattraktion geworden“, erklärt Klösener. Gruppen wandern durch den Regenwald und versuchen die Pflanze während ihrer Blüte zu finden. Die Suche gestaltet sich oft jedoch schwierig, da bereits nach ein paar Tagen die Blüte zu einem schwarzen, zähen Schleim zerfällt.
Mit ihren dicken, rot gefärbten Blütenblättern und ihrem starken Verwesungsgeruch ahmt sie Aas nach, was vor allem Fliegen anlockt. Die Fliegen übertragen die Pollen der männlichen Blüten auf die Stempel der weiblichen Blüten. Für die Bestäubung bleibt allerdings aufgrund der kurzen Blüte nur wenig Zeit. Nach der Befruchtung bilden sich schwarzbraune Beeren, die viele Samen enthalten. Die Beeren werden vor allem von kleinen Säugetieren gefressen und gelangen so über deren Kot zur nächsten Wirtspflanze.
Hintergrund zur Ausstellung
Das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster zeigt ab dem 25. September 2019 die Sonderausstellung „Beziehungskisten – Formen des Zusammenlebens in der Natur“. Auf 560 Quadratmetern lernen Besucherinnen und Besucher das Miteinander, Gegeneinander und Nebeneinander in der Natur kennen. Museumsgäste können die Vielfalt des Zusammenlebens von großen Insektenstaaten, über Parasiten und der Funktion von Vogelschwärmen bis hin zu lebenswichtigen Bakterien im menschlichen Körper entdecken.
Die Ausstellung ist für alle Menschen geeignet. Sie beinhaltet Brailleschrift, einen speziellen, mehrsprachigen Audioguide (D, EN, NL) und Tastmodelle für Menschen mit Sehbehinderung, Mitmachstationen und untertitelte Filme. Begleitend zur Ausstellung werden museumspädagogische Programme für Schülerinnen, Kinder und Jugendliche sowie Führungen für Erwachsene angeboten.
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