Ein Tribut an die Vergessenen                     Der Film „Akte Münsterlandmörder“ ist mehr als nur True Crime / Wir haben mit dem Regisseur Detlef Muckel gesprochen

In den 70ern wurden im Münsterland vier junge Frauen ermordet. (Foto: Jasmin Otman, Still aus dem Film „Akte Münsterlandmörder“ von Detlef Muckel)

Am Donnerstagabend kamen True Crime-Fans im Schloßtheater wieder einmal in den Genuss, den Film „Akte Münsterlandmörder“ (2022) zu sehen. Der Name verrät schon, worin die besondere Faszination des Werkes liegt: In der Tatsache, dass der Serienmörder nicht etwa in Chicago oder London sein Unwesen getrieben hat, sondern in und um das beschauliche Münster herum!

Vier Frauen, allesamt jung, attraktiv und dunkelhaarig, wurden zwischen 1971 und 1974 ermordet. So unterschiedlich ihre Leben auch waren, ihr grausames Schicksal verbindet sie: Alle sind zu ihrem Mörder ins Auto gestiegen. Im Gegensatz zu den Leichen blieb die Identität des Serienmörders im Dunklen verborgen – bis heute. Der Film legt nicht nur die Fakten dar und regt zum Miträtseln an – er erzählt vor allem die Geschichten von Edeltraud van Boxel, Barbara Storm, Marlies Hemmers und Erika Kunze.

Für die Aufnahmen zu dem Dokumentarfilm „Akte Münsterlandmörder“ wurde das sonst so sattgrüne Münsterland in mysteriösen Nebel gehüllt. Getragen von der tiefen und eindringlichen Erzählerstimme von Werner Wilkening erscheinen die Naturaufnahmen ungewohnt verwunschen und unheimlich.

Der Regisseur Detlef Muckel verriet im Interview mit ALLES MÜNSTER, wie er für die Produktion selbst zum Ermittler wurde, welche Geheimnisse er gelüftet hat und was er mit seinem Werk bezwecken möchte.

Achtung Spoiler: Wer noch nicht zu viel wissen möchte, sollte erst den Film „Akte Münsterlandmörder“ sehen und dann dieses Interview lesen! Infos, wo man ihn sehen kann, findet Ihr ganz unten.

Erstmal muss ich sagen, der Film war sehr spannend und fesselnd – auch durch die Erzählweise…

Das ist schön. Ja, ich habe nach einer anderen Richtung gesucht. Deswegen ist es keine normale Dokumentation, sondern eher ein Dokudrama geworden. Weil es spannender zu erzählen ist und mehr Emotionen weckt in den Zuschauern als eine reine Dokumentation.

Was war denn Ihr Anreiz, sich diesem Thema zu widmen?

Ich habe als Filmemacher eigentlich immer so dunkle Themen, warum auch immer. So auch bei meinem Film „Amok“, den ich vor einigen Jahren in die Kinos gebracht habe. Ich komme nicht aus dem Münsterland, ich bin hergezogen.  Schon früher habe ich aber von diesen Fällen gehört und fand das immer sehr interessant. Die Idee, mich damit zu befassen, war dann eher spontan. Ich habe schnell gemerkt, dass sich kaum noch jemand an diese Fälle erinnert – und schon gar nicht an die Namen der Frauen. Das fand ich so erschreckend und wollte mit dem Film ein Denkmal setzen für die Opfer.

Das hat man besonders am Ende des Films sehr deutlich gemerkt. Das ist sehr wertschätzend und liebevoll, wie über die Frauen gesprochen wird.

Genau so ist es auch beabsichtigt. Den Figuren soll wieder ein bisschen Leben eingehaucht werden, ihnen soll ein Gesicht gegeben werden. Sie waren eben nicht nur Opfer, sie hatten Persönlichkeiten. Mir war wichtig, dass es nicht nur um die Fälle, sondern die Menschen geht – und genau deswegen auch dieser Stil, diese Art der Erzählung.

Edeltraud, Barbara, Marlies und Erika sollen nicht vergessen werden. (Foto: Jasmin Otman)

Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern waren auch Ermittler. Sie haben mit Zeitzeugen gesprochen und sogar Sachen in Erfahrung gebracht, die vorher nicht bekannt waren…

Ja, wir hatten tatsächlich auch IT-Forensiker und eine Detektivin im Team. Und dann sind wir ein bisschen auf Jagd gegangen. Ich hatte auch wirklich so eine eigene Wand, wie man sich das so vorstellt. Ich bin viel rumgefahren, habe mir die Original-Schauplätze angeschaut und mit vielen Zeitzeugen gesprochen. Der Ermittler im Film ist im Prinzip die Gesamtsumme der ganzen Recherchen.

Leben noch Angehörige der Frauen, konnten Sie mit ihnen sprechen, um etwas über den Charakter der Frauen zu erfahren?

Ja, ich habe zum Beispiel über Facebook Kontakt zu einigen aufgenommen bzw. haben sich manche bei mir gemeldet. Auch Frauen, die ihre eigene Geschichte erzählt haben – von den Geschehnissen, dass sie auch bei irgendjemandem im VW Käfer saßen, der dann in einen Waldweg abgebogen ist. Und dann sind sie in einer Kurve aus dem Autor gesprungen. Es gibt schon noch viele Geschichten dazu – die müssen aber nicht alle zwingend etwas mit dem Münsterlandmörder zu tun haben. Ich glaube, es war einfach eine Zeit, in der viele Männer diese Anhalter-Kultur ausgenutzt haben.

Ich habe so oft während des Films den Kopf geschüttelt, dass junge Frauen damals so selbstverständlich per Anhalter gefahren sind… heute undenkbar. 

Ja, aber damals war das üblich, genau das haben die Leute gemacht.

Mit Ihrem Film haben Sie nicht nur True Crime-Fans angesprochen, sondern verfolgen auch einen präventiven Zweck….

Richtig, früher war es das Per-Anhalter-Fahren, aber es geht grundsätzlich darum, sich nicht zu schnell auf Fremde einzulassen. Heutzutage ist es eher so, dass Leute sich über Chatrooms kennenlernen und schnell treffen. Die Gefahr steckt ja immer dahinter. Es passieren auch heutzutage solche Taten.

Alle Frauen stiegen zu ihrem Mörder ins Auto. (Foto: Jasmin Otman)

Wie lange haben die Vorbereitungen für den Film insgesamt gedauert?

Ich habe wohl etwa zwei Jahre daran gearbeitet, in denen mein Kopf voll war mit dem Münsterlandmörder. Als ich damit angefangen bin, habe ich erst mal gemerkt wie bestimmte Sachen in den Mordfällen sich gleichen, aber trotzdem total unterschiedlich sind. Nicht so, wie man es aus dem klassischen Serienkiller-Spielfilm erkennt. Und da merkte ich erstmal, wie weiträumig das Ganze ist. Man beginnt sich zu fragen, warum legt der die Leiche da ab? Warum fährt er so weit, was hat das für einen Hintergrund usw. …

Wir haben recherchiert, rumtelefoniert, uns mit Leuten getroffen und uns natürlich an die knallharten Fakten gehalten. Und dabei kamen eine Menge Sachen heraus, die vorher nicht bekannt waren.

Sie sagen, Sie haben sich an die Fakten gehalten – also gab es diesen Anruf am Ende wirklich, wo ein alter Bekannter des vermeintlichen Münsterlandmörders sich meldet?

Diese Frage kriege ich immer wieder gestellt. Ja, diesen Anrufer, den gab es wirklich. Das ist aber ein bisschen anders gelaufen als im Film dargestellt. Dieser Anrufer hat nicht den Ermittler angerufen, sondern mich. Und ich habe nicht nur mit ihm telefoniert, wir haben uns auch getroffen und er hat mir alles persönlich erzählt und Bilder gezeigt.

Also dieser Mensch hat herausgefunden, dass Sie einen Film darüber drehen und Sie dann kontaktiert?

Richtig, wir waren schon mitten in der Produktion und das hatte er mitbekommen. Natürlich haben wir das dann auch der Polizei weitergegeben – was die jetzt daraus machen, weiß ich nicht.

In dem Kapitel „Der Täter“ wird nicht über ihn erzählt, sondern er wird direkt angesprochen. Haben Sie dieses Stilmittel vielleicht auch ein bisschen in der Hoffnung benutzt, dass er sich – wenn er noch leben sollte – angesprochen fühlt?

Nein, eigentlich nicht. Es ist eher die Wut gewesen – von den vielen Menschen, die sich auch damals mit diesem Thema befasst haben und den Täter nie gefunden haben. Das sollte nicht unbedingt den Täter selber ansprechen, weil ich persönlich nicht glaube, dass er noch lebt. Der Film sagt darüber hinaus auch ganz klar, dass man sich nicht mal sicher ist, ob es sich nur um nur einen Täter handelt. Ich habe auch diverse Fakten rausgelassen aus dem Film, weil sie vielleicht zu sehr verraten würden, wer der Münsterlandmörder gewesen sein könnte, aus welchem Dorf er stammt und so weiter… so wie ich auch bestimmte Namen nicht genannt habe. Das wollte ich nicht veröffentlichen und das ist auch für den Zuschauer nicht wichtig.

Detlef Muckel verzaubert das Münsterland in eine Gruselkulisse. (Foto: Jasmin Otman)

Nach all der Zeit, wo Sie sich so intensiv mit dem Fall beschäftigt haben, hat der Frust abgefärbt, dass der Täter nicht gefunden wurde?

Nein, ich war nicht frustriert darüber, dass der Mörder nie gefunden wurde. Ich war eher darüber schockiert, dass alles so untergegangen ist, dass sich kaum noch einer dran erinnert. Vor allen Dingen auch junge Leute – wenn ich denen was von einem Serienmörder hier im Münsterland erzählt habe, wurde ich mit großen Augen angeguckt! Aber nein, es hat mich nicht frustriert, sondern eher angespornt, weiter zu machen. Man ist auch irgendwann so im Fluss und denkt den ganzen Tag nur noch darüber nach. Selbst abends im Bett oder unter der Dusche. Und dann fallen einem Dinge ein, die man noch einbauen möchte. Z.B. dass der Mörder im Film nie wirklich klar zu sehen ist. Zudem sind es immer verschiedene Darsteller – einfach aus dem Grund, weil es im Prinzip jeder hätte sein können. Oder noch ein ganz wichtiger Punkt, der im Film nur so leicht angeschnitten wird, dass jeder Mord zu einer anderen Jahreszeit begangen und jede Leiche in einem anderen Kreis gefunden wurde. Das sind alles Kleinigkeiten, die einem nach und nach wirklich bewusst werden, wenn man sich längere Zeit damit befasst.

Können Sie jetzt, wo der Film abgeschlossen ist, auch damit abschließen und ermitteln Sie im Kopf immer noch weiter?

Nein, für mich ist das abgeschlossen. Nicht nur, weil ich das Projekt abgeschlossen habe, sondern weil ich alles genug durchgekaut habe. Es gibt auch nichts mehr Neues zu entdecken, glaube ich. Klar, wenn ich an gewissen Orten vorbeifahre, denke ich daran. Oder neulich war ich bei der Vorführung des Films im Kino anwesend und im Anschluss kam eine Familie auf mich zu und fragte „Ist xy der Münsterlandmörder?“ Sie kamen aus dem selben Ort und haben Eins und Eins zusammengezählt. Ob dieser Mann, den der Anrufer mir nannte, es letztendlich war, wird man wohl nicht klären können. Es sprechen aber viele Fakten dafür, dass er zumindest irgendwas damit zu tun hatte. Und wenn nicht mit allen, vielleicht mit einem der Morde.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Mein nächstes Projekt ist ein rein kommerzieller Film. Er heißt „Our Darkness“ und ist, wie der Name schon sagt, auch eher düster. Eine rein fiktive Geschichte, die Richtung Psychothriller geht. Es geht um eine unfreiwillige oder zufällige Entführung. Um einen Ort, wo es um Leben und Tod geht. Das Ganze spielt an einem sehr seltsamen Rastplatz – das ist unser Hauptset. Drehstart ist im Herbst und wir produzieren komplett hier im Münsterland.

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Infos zu dem neuen Projekt „Our Darkness“ findet Ihr auf der gleichnamigen Facebook-Seite. Wer sich den Film „Akte Münsterlandmörder“ ansehen möchte, kann dies im Schloßtheater tun, dort wird der Film (nach deren Renovierung) einmal im Monat gezeigt. Alternativ kann man ihn auch auf Amazon Prime streamen.

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