„Wenn ich an mein Land denke, denke ich nicht zuerst an Käse“, sagt der Niederländer Hermann van Veen inmitten seiner Musiker, nachdem er sehr entspannt das extrem hoch eingestellte Mikrofon seiner Körpergröße anpasst. „Fallen oder Springen“ heißt sein neues Album, mit der auf seiner Tour gestern in der Halle Münsterland Station machte.
Bestimmt 1500 Menschen wollen ihn springen sehen, fallen wohl niemand. Mit seinen 71 Jahren ist van Veen unglaublich beweglich, schüttelt zwischendurch seine Extremitäten wie der junge Elvis, spart nicht mit Tanzeinlagen und rennt mal über die Bühne. Aber natürlich ist der Titel „Fallen oder Springen“ nicht wortwörtlich zu übersetzen. Hermann van Veen steht für emotionale Authentizität – das macht schon diese unglaubliche Stimme mit dem starken niederländischen Akzent.
Jetzt, nach dem Tod des Pianisten Erik von der Wurff, mit dem Hermann van Veen „tweeendvijiftig“ Jahre gemeinsam auf der Bühne stand, begleiten ihn viele jüngere Musiker auf seiner Tour durch den deutschsprachigen Raum. Die Gitarristin Edith Leerkes bringt einen kleinen spanischen Einschlag, wenn sie die Saiten zupft. Manchmal singt sie auch oder spielt allein. Aber alle Musiker bekommen in dem fast dreistündigen Konzert ausreichend Gelegenheit, die eigenen musikalischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Selbst Bassist Dave Wismeijer wuchtet sein Instrument zwischendurch ins rechte Bühnenlicht.
Van Veen ist bekannt für seinen Humor und so singt er: „Das zweite Lied, wie soll es sein, eifersüchtig, weil es nicht das erste ist?“ Und dann erzählt er so wunderbar verrückte Geschichten, etwa aus seiner eigenen Schulzeit, in der die „Reise nach Jerusalem“ gespielt wurde und der Verlierer ein Lied singen musste. Oh, und sie hatten eine sooo schöne Lehrerin. Was würde Hermann heute singen? Schon erklingt Doris Days „Que Sera, Sera“, das die Streicherinnen so herrlich begleiten. Das wirklich Beeindruckende an dem Konzert ist auch die unglaubliche Vielschichtigkeit durch die unterschiedliche instrumentelle Zusammensetzung. Van Veen selbst tauscht Gitarre gegen Geige gegen Flügel gegen Mundharmonika. Und dann gibt es ja noch diesen famosen Klarinettisten Rikkert van Huisstede, der auch singt. Es gibt Schlagzeug, Bass, Violinen, Gitarren. Nicht alle spielen immer zusammen, bei den ruhigen Titeln wird van Veen auch schon mal nur die durch ein Zupfinstrument begleitet.
Selbst derbere Sprüche wirken bei van Veen völlig passend: Als das Licht ausgeht, hört man seine Stimme: „So muss es sein, wenn man im eigenen Arsch verschwunden ist.“ Aber das Licht kommt zurück, und der Niederländer spielt so unglaublich viele Zugaben. Dabei hatten alle gedacht, dass Schluss ist, als van der Veen sich ein Rosenblatt auf das Gesicht legt. Viele Konzertbesucher sind längst aufgestanden von ihren Plätzen, zollen dem großen Musiker, der zwischendurch auch auf niederländisch singt, tiefen Respekt. Erst als van Veen das Mikrofon wieder hochschiebt, ist wirklich Schluss.
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